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Ein Journalist auf der Suche nach Erzbischof Viganò

Fernglas (Illustration)

Seit Dienstag ist Erzbischof Carlo Maria Viganò, der ehemalige Apostolische Nuntius in den USA, wieder in aller Munde: An jenem Tag veröffentlichte der Vatikan den McCarrick-Report über den in Ungnade gefallenen ehemaligen Kardinal, dessen jahrzehntelanger systematischer homosexueller Missbrauch von jungen Katholiken und Seminaristen von den Medien ans Licht gebracht worden war. Im August 2018 – er war bereits im Ruhestand – veröffentlichte Viganò eine umfassende Erklärung zu dem, was hochrangige Mitglieder der vatikanischen Hierarchie, einschließlich der Päpste, über McCarrick wussten. Seither hielt sich der Erzbischof, der viele Jahre im diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls arbeitete und entsprechend über Vorgänge wie den McCarrick-Skandal gut informiert war, versteckt.

Dr. Robert Moynihan ist der Chefredakteur von "Inside the Vatican", einem englischsprachigen Magazin über den Vatikan. Nun hat Moynihan ein Buch mit dem mehrdeutigen Titel "Finding Viganò" (etwa: Die Suche nach Viganò) vorgelegt, bislang leider nur auf Englisch.

Auf über 400 Seiten sucht Moynihan nicht nur danach, wo sich der Erzbischof seit August 2018 versteckt hält. Viel bedeutsamer ist die Suche nach dem, was ihn umtreibt: Was wollte Viganò mit seiner Erklärung erreichen? War es Liebe zur Kirche oder das Streben nach Aufmerksamkeit? Was treibt den Erzbischof um? Was hält er von Papst Franziskus?

In der Erklärung vom August 2018 hatte Viganò den Papst dazu aufgefordert, zurückzutreten. Auf diese Stelle hatten sich die Medien gestürzt, war es doch eine ausgewachsene Palastintrige, über die es sich lohnte, zu berichten. Die genaue Analyse der Erklärung, vorgenommen in "Finding Viganò" von Robert Moynihan, stellt jedoch klar, dass der Heilige Vater erstmals in Absatz 40 erwähnt wird. "Eine Schlussfolgerung: Viganò war daran interessiert, den institutionellen Kontext für die karrierelange Vertuschung von McCarricks Fehlverhalten gegenüber Seminaristen aufzuzeigen. Das war es, was ihn bedrückte: wie die Institution nicht gehandelt hatte, um McCarrick zu lenken oder zurückzuhalten. In 39 Absätzen beschreibt er detailliert, was nach seinem eigenen Wissen geschehen ist. Und erst dann bringt er Papst Franziskus ins Spiel, ganz am Ende der Geschichte."

Moynihan fügt hinzu: "Mit anderen Worten, dieses 'Zeugnis' ist eine institutionelle Anklage, mehr als eine Anklage gegen Papst Franziskus allein." Zwar hätten "die meisten Kommentatoren dieses 'Zeugnis' als einen radikal fehlerhaften 'Angriff auf Franziskus'" abgetan. Dies zeige jedoch, dass sie nicht sorgfältig gelesen hätten – "oder, wenn der Text sorgfältig gelesen wurde, wurde er missverstanden. Dies ist nicht Viganò, der 'verbitterte Rechte', gegen Franziskus, den 'barmherzigen Reformer', wie so oft gesagt wird. Vielmehr ist es Viganò, der einsame, alleinige 'Erzähler der Wahrheit', gegen ein ganzes kirchliches System, dem er selbst angehört und das nichts gegen McCarrick unternommen hatte, außer ihn 20 Jahre lang zu immer höheren Ehren zu befördern."

Laut Viganò hatte Papst Franziskus ihn 2013 direkt nach McCarrick gefragt. Mitunter wurde es so dargestellt, als habe diese Begegnung zwischen Papst und Nuntius im Rahmen einer viel größeren Veranstaltung stattgefunden, bei der Franziskus mit dutzenden anderen Bischöfen einige wenige Worte wechselte. In Wirklichkeit, schreibt Viganò in seinem Zeugnis, sei es am 23. Juni 2013, nach einer konzelebrierten Messe, zu dem Gespräch gekommen.

Moynihan erklärt: "Viganò beschloss, ganz unverblümt über das angebliche persönliche Fehlverhalten des Kardinals zu sprechen. Er zog nicht in Betracht, dass Papst Franziskus vielleicht McCarrick nahe stand. Er war nicht der Ansicht, dass McCarrick vielleicht dabei geholfen hatte, Franziskus auf den päpstlichen Thron zu wählen. Solche Überlegungen gingen ihm nicht durch den Kopf. Viganò hatte durch Schicksal oder Vorsehung die Anklagen gegen McCarrick persönlich gesehen. Sie hatten seinen Schreibtisch im Staatssekretariat überquert. […] So antwortete Viganò ihm mit der einfachen Wahrheit. 'Es gibt ein so dickes Dossier über ihn' in der Bischofskongregation, sagte Viganò. 'Er hat Generationen von Seminaristen und Priestern korrumpiert.' Und schließlich: 'Papst Benedikt befahl ihm, sich zu einem Leben des Gebetes und der Buße zurückzuziehen.'"

Papst Franziskus hat dies in einem Interview bestritten, sich dabei aber selbst widersprochen, sagen Kritiker – einerseits sagte er: "Ich habe es oft gesagt, ich wusste nichts, [hatte] keine Ahnung." Andererseits gab er zu: "Ich kann mich nicht erinnern, ob er [Viganò] mir davon erzählt hat. Ob es wahr ist oder nicht. Keine Ahnung! Aber Sie wissen das über McCarrick, ich wusste nichts. Wenn nicht, wäre ich nicht still geblieben, nicht wahr?"

Leider versäumt es Moynihan, die von Viganò in seinem Zeugnis erhobenen Anschuldigungen unabhängig zu bestätigen. Durch seine Kontakte hätte er sicherlich einige Kardinäle und Bischöfe im Vatikan zu Stellungnahmen bewegen können, gegebenenfalls auch ohne Namensnennung. So bleibt das Zeugnis nur die Aussage eines einzelnen – zugegebenermaßen außerordentlich gut informierten und bis 2018 überall respektierten – Mannes.

Neben der Analyse dieser und einiger anderer Stellungnahmen von Viganò konnte Moynihan auch persönlich mit dem Erzbischof in seinem Versteck sprechen. Zwar schreibt er nicht, wo sich Viganò zum Zeitpunkt des Gesprächs im letzten Jahr befindet, erklärt aber, wo er sich zuvor aufgehalten hatte. Das Buch zeigt, was den Erzbischof geprägt hat, welchen Tätigkeiten er im Laufe seiner langen Karriere nachging, und wie er mehrfach im Rahmen des Gesprächs weinte. Auch einige exzentrische Merkwürdigkeiten finden sich, etwa: "Wenn ich den Papst im Kanon der Messe erwähne, dann nenne ich Franziskus und den emeritierten Papst Benedikt, weil er durch seine Gebete für die Universalkirche eine Rolle spielt." Das widerspricht natürlich sowohl den Rubriken als auch dem Kirchenrecht.

Moynihan hat bereits angekündigt, dass es einen zweiten Band seiner Viganò-Biografie geben wird. Seit 2018 hat sich der Erzbischof zu einer Vielzahl von Themen geäußert, nicht nur zum McCarrick-Skandal. Viganò sprach sich beispielsweise für eine sehr kritische Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils aus. Gerade jetzt, im US-Präsidentschaftswahlkampf und darüber hinaus, äußerte sich Viganò auch zunehmend politisch. Hier werden ausführliche Gespräche zwischen Viganò und Moynihan sicher erneut für mehr Klarheit sorgen.

Robert Moynihan, "Finding Viganò", ist bei "Tan Books" erschienen und hat knapp 400 Seiten.

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