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Wenn Christen den Kopf verlieren: Ein Kommentar zum Fest der Enthauptung des hl. Johannes

"Salome mit dem Kopf Johannes des Täufers": Das Gemälde von Caravaggio soll um 1609 gemalt worden sein. Es hängt im Stadtschloß von Madrid, dem Palacio Real.

Zuerst hat Herodes seinen Kopf verloren, dann Johannes der Täufer. Der Tanz der schönen Salome, die vor dem König und seinen Gästen auftritt, um sie mit ihrer sehr wahrscheinlich erotischen Darbietung zu unterhalten, berauscht den Herrscher, so dass er – ohne nachzudenken – verspricht, dem schönen Mädchen jeden Wunsch zu erfüllen; selbst das halbe Reich könne sie haben, wenn sie nur wolle.

Weil in diesem Moment Herodes den Kopf verliert, kann seine Geliebte ihrer Tochter einflüstern, das Haupt des Täufers auf einer Silberplatte zu fordern. Es ist ein frivoles und grausames Schauspiel zugleich: An ein und demselben Abend liegen dem jungen Star des königlichen Festes zwei Köpfe zu Füßen – der hormontriefende Schädel eines alternden Mannes und das blutende Haupt eines jungen Heiligen, der sogar noch früher als Jesus sterben sollte.

Jeder verliert den Kopf! Aber an wen?

Derheilige Pfarrer von Ars hat über den Johannesaltar seiner Kirche schreiben lassen: "Wegen eines Tanzes verlor er seinen Kopf" – Man weiß nun nicht, wen der berühmte Seelsorger meinte: den verdorbenen Herrscher, der im Sumpf der Sinnlichkeit ertrinkt, aus dem er sich am eigenen Schopf nicht mehr herausziehen kann, oder den Bußprediger aus der Wüste, der zum Opfer der schmutzigen Intrigen zweier Frauen wird. Wahrscheinlich sind beide gemeint. Bevor ein Märtyrer den Kopf verliert, hat der Verfolger den seinen schon an diese Welt verloren. Johannes der Täufer stört den Spaß bei Hofe. Er ist der Spielverderber, der sich mit dem Ehebruch des Königs nicht arrangieren will. Er ist die mahnende Stimme des Ewigen Wortes, des Sohnes Gottes, der kommen wird, um noch lauter zu Umkehr zu rufen. Bis heute sterben Christen als Märtyrer, weil sie nicht klatschen, wenn Salome tanzt. Ja, auch heute werden die Jünger Jesu kritisiert, beleidigt und verlacht, weil sie nicht applaudieren, wenn andere die Hüllen fallen lassen. Wer heute im Kreis der Kopflosen vernünftig bleibt, kann sich um Kopf und Kragen bringen – gerade dann, wenn es um die Themen geht, über die schon damals Johannes nicht schweigen wollte, nämlich Ehe und Familie.

Wer Kopf und Kragen retten will, hat schon verloren

Der Täufer selbst hat den Zölibat gewählt – damals wie heute eine furchtbare Provokation – weil er seinen Kopf nicht an eine Frau, sondern an Jesus verloren hat. Seine ganze Liebe, seine große Sehnsucht und sein Lebensmittelpunkt, dem all seine Aufmerksamkeit galt, war der Messias, dessen Kommen er vorbereiten sollte. Wäre er nicht so kopflos in den Sohn Gottes "verliebt" gewesen, hätte er nicht so große Dummheiten begangen und "klüger", "diplomatischer" – heute würde mancher auch sagen – "pastoraler" gesprochen. Er hätte ja still in der Wüste sitzen und weiterhin Heuschrecken kauen können – hätte er geschwiegen, so hätte es ihn nicht das Leben gekostet. Ist das wirklich wahr? Hätte es sein Leben gerettet, nicht von dem zu sprechen, wovon sein Herz voll war? Schweigen, "strategische Klugheit", aufmerksames Abwarten wären für den Heiligen der Tod gewesen – hießen ein Dasein ohne Sinn und Wert. Herodes konnte Johannes nicht das Leben rauben und ihn kopflos werden lassen – das hatte Christus schon getan! Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber Kopf und Kragen um Jesu willen riskiert, wird es gewinnen.

Das Kreuz mit dem Kreuz

Das zentrale Zeichen des Christentums ist das Kreuz. Es ist das Symbol der Erlösung, und doch bleibt es das brutalste Hinrichtungsinstrument der antiken Welt. Wir haben uns so sehr daran gewohnt, dass wir die Provokation dieses Bildes kaum mehr empfinden, während Menschen, die mehr oder weniger bewusst den Glauben ablehnen, es nicht selten unerträglich finden. Das Kreuz stört! Ein lächelnder Buddha – wie man ihn in vielen Einrichtungsläden kaufen kann – passt besser in das bunte Partyzelt. Christen sind keineswegs stets traurige, moralisierende Spießer. Im Gegenteil: sie glauben – trotz aller leidvollen Erfahrungen – an die wahre, an die größere Liebe. Wer wirklich liebt – ein junger Mann seine Frau, eine Mutter ihre Kinder, ja vielleicht sogar ein alter Lehrer seine treuesten Schüler – den schmerzt das Opfer kaum, weil die Liebe stärker ist.

Einen Christen, der seinen Kopf an Jesus verloren hat, kann man nicht enthaupten.

Deshalb konnten die Blutzeugen aller Jahrhunderte im Gefängnis singen und lächelnd auf’s Schaffott steigen. Was zum Beispiel der evangelische Pastor Richard Wurmbrand über Christen in der kommunistischen Verfolgung erzählt, ist erschütternd und ergreifend, für uns oft lauen Katholiken herausfordernd und unverständlich. Wie kann man Liebeslieder singend in den Tod gehen? Nur dann, wenn man völlig kopflos ist.

Den Kopf behalten, wenn alle ihn verlieren

Bis heute tanzt Salome – manchmal fordert sie Geld, manchmal Anerkennung, gelegentlich Macht und Einfluss. Sie und ihre Mutter – und die hat im Laufe der Geschichte viele Gestalten annehmen können – ertragen es nicht, wenn der Applaus ausbleibt. Sie dulden es nicht, dass ihre Zuschauer den Kopf behalten. Wer ihn nicht vor Begeisterung verliert, dem wird er abgeschlagen. Die brutalen Ideologien haben das bis zur Perfektion getrieben, wie z.B. die Erfindung der Guillotine zeigt. Das Fallbeil schaffte die Gleichheit aller Bürger. Die wirklich großen Männer und Frauen, die der tanzenden "Göttin Vernunft" – tatsächlich sprangen als "Vernunft" verkleidete Mädchen während der Französischen Revolution auf die Altäre der Kirchen – nicht applaudierten, wurden mit scharfem Schnitt "einen Kopf kürzer" gemacht.

Sein Haupt als Geschenk auf einem Silberteller

Das Geheimnis des Christentums liegt nicht in Disziplin und Willenskraft, in stoischer Ruhe gegenüber dem Leid oder heldenhafter Stärke im Tod. Es geht einzig und allein um die Liebe, die – wie derheilige Paulus schreibt – alles erträgt und erduldet. Sie gibt alles – selbst den eigenen Kopf – wenn sie nur den besitzt, der ihr ein und alles ist. "Verliebtsein" kann man nicht machen – es ist ein Geschenk. "Glauben" kann man nicht machen – es ist eine Gnade. Und genau deshalb kam ein Mann namens Johannes, um Christus den Weg zu ebnen. Johannes heißt übersetzt: Gott ist Gnade. Möge er uns das Geschenk bringen, Christus tiefer zu vertrauen und ihn mehr zu lieben. Möge er uns helfen, – im geistlichen Sinne! – den Kopf zu verlieren und unseren "Dickschädel", der so oft eigene Wege gehen möchte, dem Herrn anzubieten.

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