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Das Podiumsgespräch
Wie viele Köpfe braucht es, um die Welt zu verändern? Wenn man sich beim Kongress von 1000plus umhört, bekommt man den Eindruck: Vielleicht reicht es ja, wenn sich einige Hundert zusammentun. Denn so viele Menschen haben sich am vergangenen Wochenende in Fürstenfeldbruck bei München versammelt, um eines zu feiern: das Leben.
 
Seit acht Jahren geht es bei dem Projekt 1000plus um nichts anderes. Das Projekt hilft Schwangeren in Not, hat für jede Frau ein offenes Ohr – und sucht Lösungen, damit sich keine für eine Abtreibung entscheiden muss. Aber warum ist das überhaupt nötig? Warum wirkt die Abtreibung im gesellschaftlichen Diskurs manchmal wie eine plausible Antwort auf eine Schwangerschaft – obwohl sie es nie ist. Vielleicht weil es da zu viel Halb- und Unwissen gibt, weil zu viele falsche Floskeln und Begriffe herumschwirren, vom "Selbstbestimmungsrecht der Frau" bis zur "Schwangerschaftsunterbrechung". Oder vielleicht weil sich unsere Gesellschaft entschieden hat, das Leben an sich unter Vorbehalt zu stellen, es mit Bedingungen zu versehen, kurz: es nicht mehr nur als das zu sehen, was es ist: ein Geschenk. Doch genau um diese Sichtweise ging es beim 1000plus-Kongress. 
 
Das zweitägige Treffen stand unter dem Motto "Kultur des Lebens" – eine Formulierung, die Papst Johannes Paul II. mit seiner Enzyklika "Evangelium vitae" zu einer Kernidee seines Pontifikats gemacht hat. Dass diese Gedanken vom Wert des Lebens auch heute noch aktuell sind – vielleicht aktueller denn je – zeigte sich im gesamten Lauf des Kongresses, der die Freude am Leben in ganz unterschiedlichen Formen zum Ausdruck brachte. 
 
Am Anfang steht eine Podiumsdiskussion. Aus allen Teilen Deutschlands, auch aus Österreich, den Niederlanden, der Schweiz und Slowenien sind die Interessierten gekommen. Im heimeligen Säulensaal des Veranstaltungsforums Fürstenfeld kommen sechs Diskutanten zusammen, die aus ihrer täglichen Praxis wissen, was es heißt, für das Leben einzustehen – und die dabei ganz unterschiedliche Blickpunkte haben. Kristijan Aufiero ist der Initiator von 1000plus. Er hat das Wachstum der Organisation hautnah miterlebt, die mittlerweile Tausende Frauen im Jahr berät. Doch wie würde das gehen ohne die Unterstützer des Projekts, die den Großteil des Publikums ausmachen – oder sogar auf dem Podium sitzen. Denn mit Thomas Maria Renz, Weihbischof im Bistum Rottenburg-Stuttgart, ist ein Kirchenvertreter nach Fürstenfeldbruck gekommen, der die Arbeit von 1000plus seit Jahren mit Herzblut unterstützt. Er stellt die Aktualität der Thesen von "Evangelium Vitae" heraus – und zeigt sich gleichzeitig nachdenklich darüber, warum sie dennoch nicht in der nötigen Breite rezipiert werden. Auch aus eigener Erfahrung weiß Renz: Das Thema "Wert des Lebens" ist kein einfaches, keines mit dem sich sofort Zustimmung generieren lässt: ein Thema, bei dem oft Vorurteil über Wissen siegt – und das gerade deswegen immer wieder aufs Tapet gebracht werden muss. Aber ein Problem gebe es, sagt Renz, wenn Bischöfe über das Thema Abtreibung sprechen: Als Männer würde man ihnen oft nicht zutrauen, die Sache ganz aus eigener Perspektive verstehen zu können. Was es deswegen bräuchte, seien Frauen, die mit ihrer Meinung für den Wert des Lebens bürgen würden. 
 
Zwei solche Frauen sind am Freitagabend ebenfalls auf dem Podium: Schwester Anna Franziska Kindermann ist die Generaloberin der Franziskanerinnen von Sießen. Die stehen mit ihrer Spiritualität für die Schönheit jedes Lebens ein – und dafür, diese Einstellung in ihren Schulen an die nächste Generation weiterzugeben. Aber Anna Franziska Kindermann kennt das Thema nicht bloß aus geistlicher Sicht: Sie hat vor ihrem Eintritt in den Orden als Fachärztin für Psychotherapie gearbeitet – und dort gemerkt, welche tiefe Wunden eine Abtreibung reißen kann. Dafür, dass es diese Wunden immer seltener geben muss, steht Cornelia Lassay. Sie leitet die Heidelberger Beratungsstelle von 1000plus und hat in über fünfzehn Jahren Beratungstätigkeit so viel Erfahrung gesammelt, dass sie eines herausstellt: Wie alleine und alleingelassen sich Frauen im Schwangerschaftskonflikt fühlen. 
 
Wenn der Freund Druck zur Abtreibung übt und das ganze Umfeld sich gegen das Leben ausspricht. Dann sind es Beraterinnen  wie Lassay, die ein erster Ansprechpartner für die Schwangeren sind – und die ihnen helfen gerade in der Bedrängnis noch eine positive Lebenseinstellung  zu finden. Dafür steht auch Markus Rode, der ebenfalls an der Podiumsdiskussion teilnimmt. Er ist Vorsitzender der Hilfsorganisation Open Doors Deutschland, die sich weltweit für verfolgte Christen einsetzt. Rode zeigt, wie diese Christen auch in der größten Angst noch Freude an ihrem Glauben haben. Rode schildert, wie stark das Christentum unter Verfolgung leidet – und er weiß, was den Verfolgten am meisten hilft: das Gebet.  
 
Bei allen Gefahren, die Christen erdulden, ist es doch vor allem eines, was Rodes Ausführungen so eindrücklich macht: Es ist eine Freude am Glauben, die er selber ausstrahlt – und die gerade auch aus seinen Meldungen aus den Krisengebieten hinüber zu strahlen scheint. Für diese Lebenseinstellung steht auch Dr. Harald Schätz, der ebenfalls an der Podiumsdiskussion teilnimmt. Er ist Logotherapeut in Starnberg – und steht damit für eine therapeutische Schule, die auch die Grundlage des Beratungskonzepts von 1000plus ausmacht. Denn in den Ideen des Wiener Psychiaters Viktor Frankl steckt der gesamte Ansatz und das Menschenbild, das die 1000plus-Beratung so erfolgreich macht. Frankl musste als Jude eine Odyssee durch verschiedene Konzentrationslager durchmachen, verlor seine Familie – aber stand stets für eine positive Lebenssicht, für eine Einstellung zum Leben, die Herausforderungen auch in der größten Not annimmt, anstatt vor ihnen zu verzweifeln. Wie gut passen solche Prämissen zu einer Beratung, die auch für jede Schwangere nach Lösungen sucht und ihr zutraut, Schwierigkeiten zu meistern – und im Nachhinein sogar Kraft und Sinn daraus zu gewinnen. 
 
So viele Eindrücke, so viele neue Perspektiven regen zur weiteren Diskussion an, die die Teilnehmer nach der Podiumsdiskussion noch bis in die Nacht hinein in Fürstenfeldbruck führen. Am Samstagmorgen wird es praktisch. In drei Workshops nähern sich Mitarbeiter von 1000plus dem Thema "Kultur des Lebens" auf ganz handfeste Weise. Dr. Barbara Dohr leitet die Münchner Beratungsstelle von 1000plus. Sie ist Medizinerin – und ausgebildete Logotherapeutin. Mit über 100 Teilnehmern im Workshop führt sie die Philosophie Viktor Frankls weiter aus, in die ihr Kollege Schätz am Abend zu vor schon eingeführt hat.
 

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Auch ein anderes Thema der Podiumsdiskussion erscheint wieder. Cornelia Lassay schöpft aus ihrem Erfahrungsschatz – und zeigt im Workshop, wie auch aus den größten Lebenskrisen noch Chancen werden können. Der Theologe und 1000plus-Vorstand Dr. Markus Arnold nimmt mit seinem Workshop ein neues Thema in den Mittelpunkt. Wie können menschliche Beziehungen verantwortungsvoll gelebt werden, wie lernen Kinder einen reflektierten Umgang mit ihrer Sexualität – und vor allem: wie ist er ihnen dann auch wirklich zu vermitteln? 
 
Am Samstagmittag bewegt sich die Veranstaltung auf ihren Höhepunkt zu. Noch mehr Unterstützer von 1000plus versammeln sich, kommen miteinander ins Gespräch. Sie merken: mit meiner Meinung zum Leben bin ich nicht allein; es gibt da draußen so viele, die meine Einstellungen teilen, die für das Leben stehen, bevor sie es mit Voraussetzungen und Bedingungen versehen. Was diese Einstellung konkret für Frauen leistet, zeigt sich am Nachmittag. 
 
Marie Elisabeth Hohenberg, Vorsitzende der "Stiftung Ja zum Leben", drückt in einem ergreifenden Grußwort die Unterstützung ihrer Organisation für das Projekt 1000plus aus: "Wir waren gerne dabei, als es darum ging, 1000plus zu gründen", sagte die Tochter der Stiftungs-Gründerin Johanna Gräfin von Westphalen (1936-2016), "weil wir nicht länger warten wollten, bis sich politisch etwas tut, sondern schon jetzt Frauen konkret helfen wollten, Ja zu ihrem Kind zu sagen." Auch in Zukunft werde die "Stiftung Ja zum Leben" als Projektpartner von 1000plus mit aller Kraft an der Seite von Schwangeren in Not stehen.
 
Drei Mitarbeiterinnen von 1000plus nehmen daraufhin die Teilnehmer des Kongress mit in das Herzstück der Organisation: mitten hinein in die konkreten Fälle, in die Telefonate, Gespräche und E-Mails, die die Beraterinnen von 1000plus mit den Schwangeren führen. Es ist nicht ein bestimmter Typus Frau, der Hilfe sucht in der Schwangerschaft. Frauen jeden Alters, jeder Nationalität wenden sich an 1000plus und sind auf der Suche nach einer Stimme, die hilft anstatt zu verurteilen. Da gibt es die schon zweifache Mutter, die so hohe Ansprüche an die Erziehung ihrer Kinder hat, dass sie nicht weiß, ob sie einem dritten Kind gerecht werden kann. Da gibt es die Frau, die schon einmal abgetrieben hat und die es nie mehr tun will – und dann doch in den Zweifel gerät. Da gibt es die 15-Jährige, die von ihrem Umfeld eingeredet bekommt, dass ein Kind das Ende ihrer Zukunft wäre. Alle diese Frauen wurden von 1000plus beraten. Alle haben sich für ihr Kind entschieden. Sie sind Teil einer Masse von Hilfesuchenden, die jedes Jahr größer wird. 
 
1000plus  will immer noch mehr Frauen beraten. Das Projekt wächst aber so rasant, dass der Fortschritt manchmal beinahe beängstigende Ausmaße annimmt. Aber nur auf den ersten Blick. Das zeigt Kristijan Aufiero, der Initiator von 1000plus, in seiner Abschlussrede. Angetreten war das Projekt 2009 mit einer Utopie: pro Jahr 1000 Frauen im Schwangerschaftskonflikt zu beraten. Was damals utopisch klang, wurde einige Jahre danach schon Wirklichkeit. Mittlerweile ist 1000plus beinahe ganz den Kinderschuhen entwachsen. 1000 Frauen werden auch heute noch beraten – nur eben pro Monat. Ein Wachstum, das Aufiero mit Freude und Dankbarkeit erfüllt. Ein Wachstum, das aber auch Herausforderungen mit sich bringt. Neue Mitarbeiter müssen eingestellt, Räume gemietet, kurz: Verpflichtungen eingegangen werden. 1000plus hat sich diesem Wachstum gestellt und eines geschafft. "Wir haben keine Frauen zurückweisen müssen", sagt Aufiero "Keine E-Mail und kein Telefonat sind unbeantwortet geblieben". Knapp 70 Prozent der Frauen, die 1000plus ihren Entschluss mitteilen, entscheiden sich für ihr Kind. Das alles geht nicht ohne die Unterstützer von 1000plus, die das Projekt finanziell unterstützen und so die konkrete Hilfe erst ermöglichen. Sie haben sich in einem Netzwerk der Nächstenliebe zusammengeschlossen – und sind davon überzeugt, dass auch der größte Wandel mit einigen wenigen Menschen begonnen hat. Denn die wenigen werden jedes Jahr mehr. 
 
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Hinweis: Gastkommentare geben die Meinung des Autors wider, nicht unbedingt die der Redaktion von CNA Deutsch.

 

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