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Papst Franziskus und die neue Verfassung des Malteserordens – ein Akt des Absolutismus?

Rettungskräfte des Souveränen Malteser-Ordens helfen im Erdbebengebiet am 24. August 2016.

Papst Franziskus hat mit einem Federstrich die Verfassung des Malteserordens außer Kraft gesetzt und durch eine neue, die ihm nahestehende Weggefährten erarbeitet haben, ersetzt, wobei er es nicht für notwendig erachtet hatte, Rücksprache mit dem Orden zu nehmen. Darüber hinaus hat er die Ordensregierung ohne vorherige Abmahnung oder Andeutung abgesetzt.

Der Papst ist nicht Mitglied der verfassungsgebenden Versammlung des Ordens, er ist auch nicht in staats- und verfassungsrechtlichen Fragen als Souverän des Ordens anzusehen, der in den Verfassungsmaterien dem Orden übergeordnet ist. Allerdings kann er seinen Einfluss auf den Orden ausüben, soweit es sich um Fragen handelt, die religiöser Natur sind und die sich auf die Materien beziehen, die sich aus der Natur üblicher vom Papst anerkannter kirchlicher Orden ergeben. Der Malteserorden ist allerdings mehr als sein Jesuitenorden, mehr als die vielen Mönchs- und Nonnenorden der römisch-katholischen Kirche. Der Malteserorden ist neben seiner Eigenschaft als kirchlicher Orden auch ein souveränes Völkerrechtssubjekt, das durch die völkerrechtswidrige Eroberung Maltas, dem damaligen Staat des Malteserordens, durch General Buonaparte zwar seine Staatlichkeit verlor, aber trotzdem nach wie vor als ein nichtstaatliches Völkerrechtssubjekt – wie die EU – anerkannt ist. Übrigens ein Umstand, der es dem Orden ermöglicht, auch noch in Ländern wie in Russland zu helfen, in denen die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen verboten ist.

Da die Souveränität des Ordens völkerrechtlich anerkannt ist, hatte wohl sogar Franziskus Bedenken, als Souverän des Vatikans in die Souveränität des Malteserordens einzugreifen. Da hat ihn offensichtlich sein kirchenrechtlicher Berater, Kardinal Gianfranco Ghirlanda, ein jesuitischer Confrater, auf ein Urteil des Kardinalgerichts aus dem Jahr 1953 hingewiesen, in dem festgelegt wurde. dass der Orden nicht dieselben Rechte habe wie andere souveräne Völkerrechtssubjekte, so dass der Papst in die Souveränitätsrechte des Malteserordens eingreifen könne. Aus dieser damaligen Entscheidung zieht Franziskus den Schluss, dass er dem Orden die uneingeschränkte Souveränität sogar in Verfassungsfragen absprechen darf. Derjenige, der nur für den religiösen Bereich des Ordens zuständig ist und folglich dem Orden insoweit Vorschriften machen darf, meint deshalb, bestimmen zu dürfen, welche Konstitution für den Orden angemessen ist.

Gegen den Vorschlag des Papstes für eine neue Verfassung des Ordens haben sich zuvor verschiedene Präsidenten nationaler Assoziationen gewandt – so auch der Leiter der deutschen Assoziation Prinz Dr. Erich von Lobkowicz –, um dem Papst vor Augen zu führen, dass nur erfahrene Persönlichkeiten eine Institution von über 120.000 angestellten und ehrenamtlichen Mitarbeitern führen können. Damit ist dem Vorschlag des Papstes eine Absage erteilt worden, der die Leitung des Ordens einschließlich seiner weltweit tätigen Hilfsorganisationen ausschließlich Mitgliedern des Ersten Standes, also den wenigen Professrittern, die im Regelfall schon längst aus dem beruflichen Leben ausgeschieden sind, übertragen wollte. Auch die Ordensregierung wandte sich gegen den päpstlichen Vorschlag, da er in ihm nicht die Möglichkeit erkennen konnte, dass durch ihn der Orden seinen vielfältigen Aufgaben in über einhundert Ländern würde nachkommen können. Doch die Vorschläge, die von Ordensrittern, die hohe Stellungen im beruflichen Leben einnehmen und deshalb über weitreichende Expertise in ökonomischen und unternehmerischen Fragen verfügen, vorgetragen wurden, ließ Papst Franziskus unbeachtet. Er, der nicht Mitglied des Malteserordens ist, wollte die im Wesentlichen von seinem jesuitischen Mitbruder Ghirlanda ausgearbeitete Verfassung durchsetzen.

Da die sehr erfahrenen Ordensritter, die teilweise seit Jahrzehnten die Hilfsmaßnahmen leiten, nicht dem Vorschlag des Papstes folgen konnten, hat Papst Franziskus per Dekret entschieden, dass sein Vorschlag für eine neue Verfassung vom Orden übernommen werden müsse. Mit Verkündigung dieses Dekretes wurde die alte Ordensverfassung für obsolet erklärt und an deren Stelle die neue Verfassung gesetzt. Da ein Außenstehender – selbst wenn er als Papst gewählt worden ist – die Ordensverfassung außer Kraft gesetzt und dem Orden eine neue Verfassung, die ausschließlich seinen Vorstellungen entspricht, gegeben hat, wurde auch schon aus dem Orden die Ansicht vorgetragen, dass der Papst durch diesen Schritt die Souveränität des nichtstaatlichen Völkerrechtssubjektes aufgehoben habe.

An sich ist dem Papst nur die Vollmacht erteilt, Einfluss auf religiöse Materien des Ordens zu nehmen. Eine Vollmacht, auch in verfassungs- und statusrechtlichen Fragen wie der Durchsetzung einer neuen Verfassung und der Entlassung der Ordensregierung ist ihm nicht übertragen worden, schließlich stellt der Orden ein souveränes Völkerrechtssubjekt dar, das – wie jedes andere Völkerrechtssubjekt – über seine Verfassung und seine Ordensregierung selbst entscheiden kann. Allerdings wollte Franziskus seine Verfassung durchsetzen. Deshalb fand der Kirchenjurist Ghirlanda eine Entscheidung des Kardinalgerichtes aus dem Jahre 1953, die nach seiner Auffassung den Eingriff in die Souveränität des Ordens rechtfertigen würde. Aus dieser Entscheidung ergibt sich, dass der Malteserorden nicht dieselben Befugnisse und Vorrechte wie andere souveräne Völkerrechtssubjekte habe und dass der Orden darauf gerichtet sei, die Verwirklichung der Ziele des Ordens und seine Entwicklung in der Welt zu gewährleisten (vgl. Guido Horst, Die Würfel sind gefallen, Die Tagespost vom 8. September 2022, 13).

Diese Entscheidung des vatikanischen Gerichts, die allerdings nur hinsichtlich dieser Gründe zitiert wurde, erfasst zwar nicht explizit den vorliegenden Fall, doch hat Franziskus sie herangezogen, um analog hierzu seine Auffassung zu begründen. Sie muss also interpretiert werden. Auch wenn der unbeteiligte Dritte nicht die gesamte Entscheidung kennt, deuten aber die zitierten Entscheidungsgründe darauf hin, dass über einen Verstoß gegen religiöse Ziele entschieden worden ist, also über den religiösen Bereich, in dem ein Papst unstreitig eingreifen darf. Deshalb stellt sich die Frage, ob die vom Orden geplante und noch nicht verabschiedete Reform einen Verstoß gegen religiöse Ziele des Ordens darstellt – ob also dadurch die Verwirklichung der Ordensziele behindert wird, wenn der Prozess der Verfassungsreform noch zu keinem Ergebnis gekommen ist, und ob durch die verzögerte Durchsetzung der Verfassungsreform die Entwicklung des Ordens beeinträchtigt wird.

Einem Verfassungsjuristen, der im staatlichen Verfassungsrecht ausgebildet ist, erschließt sich nicht, dass der religiöse Auftrag des Ordens durch die Verfassungskrise beeinträchtigt wird. Seit Beginn der Krise hilft der Orden nach wie vor weltweit, ist in vielen Krisengebieten engagiert und hilft kranken, behinderten und armen Personen – vollkommen losgelöst von den ordensinternen verfassungsrechtlichen Diskussionen. Also stellt sich die Frage, ob es gerechtfertigt ist, die damalige Entscheidung heranzuziehen, um die Kompetenz zu überschreiten, die dem Papst in Bezug auf religiöse Materien zugeordnet ist. Unbenommen hat der Papst Entscheidungskompetenz in religiösen Dingen, da der Malteserorden auch Aufgaben eines kirchlichen Ordens wahrnimmt. Diese religiösen Dinge machen das Ziel aus, was dem Orden obliegt – die tätige Barmherzigkeit den „Herren Kranken“ gegenüber. Da aber die Barmherzigkeit nach wie vor ausgeübt wird, hätte für den Papst kein Grund bestanden, die Ordensregierung auf eine Mangelhaftigkeit der Zielorientierung hinzuweisen. Es besteht nicht die Gefahr, die Entwicklung des Ordens in der Welt zu gefährden. Auch durch den Hinweis auf die vatikanische Entscheidung aus dem Jahr 1953 kann folglich nicht die Berechtigung des Papstes hergeleitet werden, seine auf religiöse Materien bezogene Vollmacht auch auf verfassungsrechtliche Entscheidungen auszudehnen.

Gleichwohl hat sich Franziskus auf diese Entscheidung berufen, um seinen Verfassungsentwurf durchzusetzen und die Ordensregierung abzusetzen. Allerdings stößt gerade die Entlassung von Großkanzler Albrecht von Boeselager auf Unverständnis, schließlich hat der Papst ihn, der wegen seiner Reformvorschläge, die immer noch dieselben sind, vor drei Jahren von dem damaligen Großmeister Festing abgesetzt worden war, gestützt und wieder eingesetzt, wobei Festing seinen Rücktritt erklären musste. Im Übrigen hat Papst Franziskus die wenige Tage zuvor neu gewählte Ordensregierung bestätigt und damit aufgezeigt, dass er diese akzeptiert. Ein seltsamer Gesinnungswandel – ein Vorgehen bar jeglicher Stringenz.

Dass dieses Handeln nicht kritiklos hingenommen wird, wird von dem Jesuiten Ghirlanda heftig verurteilt. Er hat vor der Weltöffentlichkeit erklärt, dass, wer gegen diese Entscheidung des Papstes protestiere, nicht verstanden habe, was für eine Stellung der Papst innerhalb der Kirche einnimmt. Wenn der Papst in unzulässiger Weise seine Kompetenz überschreitet, um seine Verfassung gegen den erklärten Willen der Ordensregierung durchzusetzen, dann hat der Papst die Vollmacht überschritten. Nach Ghirlanda soll eine solche Überschreitung aber legitim, also auch nicht gerichtlich überprüfbar sein. Überschreitet jedoch der Papst diese Grenze der Vollmacht, ohne dass diese Grenzüberschreitung korrigiert werden kann, handelt er in einer Weise, von der wir annehmen können, dass sie zumindest in Westeuropa aus dem Katalog des Regierungshandelns getilgt ist und auch nicht in Übereinstimmung mit der Lehre der katholischen Kirche vom Papstamt steht. Staats- und verfassungsrechtlich wird ein solches Handeln schlicht als absolutistisch bezeichnet.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln allein die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht die der Redaktion von CNA Deutsch.

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