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Die Kindheit und das Himmelreich

Referenzbild

Vom blauen Himmel strahlt die Sonne uns entgegen, die vergangenen Tage waren kalt und schneereich, jetzt riecht es nach Frühling und es herrscht Tauwetter. Die Kinder sind heute im Kindergarten viel und lange draußen gewesen und begrüßten uns Mütter beim Abholen über und über mit Matsch beschmiert. Meine Tochter habe ich nur an der leuchtenden orangefarbenen Mütze der Oma wieder erkannt -ansonsten strahlten mich leuchtende Kinderaugen aus einem schmutzigen Gesicht heraus an, weil es so schön ist, sich dreckig zu machen.

Natürlich ist es hinterher ein bisschen Arbeit, die Kinder und die Matschkleidung wieder sauber zu bekommen, aber dennoch freute ich mich sehr mit den begeisterten Matschmonstern. Zwei Mütter sahen das etwas anders und konnten den Erzählungen ihrer Kinder über den erlebnisreichen Vormittag im Matsch nicht folgen, ohne über den vielen Schmutz zu schimpfen.

Die leuchtenden Augen verschwanden nach und nach und auch der fröhliche Bericht über die Fantasiewelt, die sie sich aufgebaut hatten, wurde immer leiser. Ich konnte natürlich verstehen, dass es anstrengend und je nach dem auch stressig sein kann, die Kinder wieder sauber zu bekommen. Andererseits trugen sie Matschkleidung, die abwaschbar ist und lediglich Hände und Gesicht waren noch zu schrubben.

Am selben Tag verlinkte mich eine Freundin auf Facebook, auf einem lustigen Bild, auf dem zwei Kinder der 90er Jahre in bunten Klamotten abgebildet waren. Daneben zwei Kinder von heute, mit hippen Sonnenbrillen und schicken Klamotten, die aussahen, wie aus dem Kleiderschrank einer Modebloggerin in Paris. Tatsächlich war in meiner Kindheit irgendwie mehr Second-Hand angesagt, zu große, zu bunte Pullis in denen man versank und heute sehen Kinder durchgestylt und erwachsen aus. Ich wurde ein wenig wehmütig und stellte fest, wie man das gerne in solchen Momenten tut: Früher war alles besser!

Doch mal ehrlich…war alles besser, oder nur anders und wenn ja, was war denn anders und warum?

Eigentlich ist die Kindheit im Leben eines Menschen die prägendste und wichtigste Zeit. Aus einem hilflosen, strampelnden Baby wird ein Kleinkind, dass sprechen lernt, das laufen lernt, das essen lernt, das Farben lernt, das so vieles zum ersten Mal macht und irgendwann flügge wird, um auszufliegen in die weite große Welt, mit allem ausgestattet, was der liebe Gott einem an Talenten mitgegeben hat und die Eltern einem beigebracht haben.

Nie wieder wird es uns so leicht fallen etwas zu lernen, wie als Kinder. Der Ausdruck „etwas spielend lernen“, trifft wörtlich auf die Art zu, mit der Kinder sich weiter entwickeln und ihre Umwelt erkunden. Sie lernen durch Nachahmung und durch Experimente und deswegen ist es so wichtig, dass sie einfach mal im Matsch wühlen dürfen. Unbefangen, frei und unbekümmert.

Kinder haben heute sehr viele Termine und sind über soziale Medien, das Internet im Allgemeinen und Smartphones immer „online“. Abschalten, um die Häuser ziehen, sich „raus klingeln“, das alles wird überflüssig und langweilig. Alle sind überall immer verfügbar, immer kontrollierbar und immer abkömmlich. Das erleben Kinder heute schon bei ihren Eltern, die ständig in Rufbereitschaft zu sein scheinen und übernehmen dieses Verhaltensmuster natürlich später auch.

Sicherlich hat das alles auch Vorteile, denn meine Mutter hätte sich das ein oder andere Mal bestimmt gewünscht mal eben anrufen zu können, um sicher zu gehen, dass es mir gut geht. Oft gab es Situationen mit Freundinnen, die man gerne kurz angerufen hätte, statt hinzufahren und das Risiko einzugehen, dass sie nicht da sind…aber die Welt schien sich dadurch langsamer zu drehen.

Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, dann hatte ich Zeit. Sehr viel Zeit.

Ich habe das Gefühl, die Tage sind heute kürzer geworden oder das, was wir in derselben Zeit versuchen zu tun, ist mehr geworden. Keine Zeit mehr, um sich schmutzig zu machen, keine Zeit mehr, um hinterher alles sauber zu machen. Effizienz, Zeitmanagement, Termine und Zeitdruck bestimmen oft den Alltag, auch bei uns.

Was ist denn passiert in den letzten 25 Jahren, dass Kindheit heute anders zu sein scheint, als damals? Der Kleidungsstil hat sich verändert, O.K. Aber vielleicht sagt der auch etwas über das Bild vom Kind aus, dass wir heute haben. Erwachsen, modern, vorzeigbar, erfolgreich, gutaussehend, stilsicher. Bunte, spielende Kinder in Second-Hand Klamotten sehe ich wenig. Auf der Straße schon gar nicht, alles zu gefährlich. Zweitens also das Sicherheitsempfinden. Einerseits sicherlich bedingt durch die Kontrollmöglichkeiten im Smartphonezeitalter, andererseits bedingt durch die selektive Wahrnehmung, die uns Menschen bei negativen Schlagzeilen eigen ist. Durch die Vernetzung bekommen wir quasi in Echtzeit von überall zu jeder Zeit Schreckensnachrichten über Verbrechen, Mord und Todschlag zu hören. Da kann man ja die Kinder wirklich nicht mehr raus lassen, zumindest denken wir das.

Ich glaube es steckt aber auch eine veränderte Gesellschaft dahinter. Anonymität ist das eine, Werteverfall das andere. Wo früher klarer Konsens über gewisse Werte und Regeln herrschte, kann man heute vieles nicht mehr voraussetzen und muss vieles jedes Mal neu verhandeln. So ist die Umgebung in der unsere Kinder spielen sollen nicht mehr so verlässlich, weniger überschaubar und weniger einschätzbar.

Das macht es uns heute nicht leicht, unsere Kinder hinaus zu lassen in die Welt, sich auszuprobieren und dann mit Matsch besudelt wieder zurück zu bekommen. Vielleicht sollten wir uns aber auch wieder in unsere Kindheit zurück versetzen, gerade in der Fastenzeit mal auf unser Smartphone verzichten, unser Leben entschleunigen, mit unseren Kindern durch Pfützen hüpfen und es halten wie es bereits in der Bibel steht (frei zitiert): Denen, die werden wie die Kinder gehört das Himmelreich! 

Alle bisherigen Blogposts von Elisabeth Illig finden Sie hier im Überblick.

Hinweis: Meinungsbeiträge spiegeln nur die Ansicht des Autors wider, nicht unbedingt der Redaktion von CNA Deutsch.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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