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Papstbotschafter bei UN: Flüchtlingsschutz ist nicht einfach ein Zugeständnis

Christian Peschken (EWTN) im Gespräch mit Erzbischof Ettore Balestrero, dem Ständigen Vertreter des Heiligen Stuhls bei der UN in Genf

Christian Peschken (EWTN) sprach mit Erzbischof Ettore Balestrero, dem Ständigen Vertreter des Heiligen Stuhls bei der UN in Genf, über den Beitrag von Papst Franziskus zum Globalen Flüchtlingsforum, das Ende 2023 stattfand.

Eine organisatorische Frage: Die Botschaft von Papst Franziskus wurde nicht vom Papst selbst oder von Ihnen überbracht, obwohl Sie bei der Verlesung anwesend waren, sondern von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Gibt es einen Unterschied zwischen Botschaften, die vom Papst oder von Ihnen oder einem anderen Vertreter des Heiligen Stuhls überbracht werden, oder ist das letztlich dasselbe, nämlich eine offizielle Erklärung des Vatikanstaates?

Ich würde sagen, was den wahren Unterschied ausmacht, ist derjenige, der das Dokument unterzeichnet, der Autor des Dokuments, und nicht derjenige, der das Dokument überbringt. Eine Botschaft, die direkt vom Papst überbracht wird, kann jedoch zuallererst nur seine eigene Botschaft sein. Und es ist klar, dass eine solche Botschaft eine größere und stärkere öffentliche Wirkung hat als eine vom Papst nur unterzeichnete Botschaft, die von jemand anderem überbracht wird. Natürlich ist eine von mir als Vertreter des Heiligen Stuhls abgegebene Erklärung eine Erklärung des Heiligen Stuhls. Aber da ich nur ein Vertreter des Heiligen Stuhls bin, hat sie natürlich einen geringeren Stellenwert als eine Botschaft, die von demjenigen abgegeben wird, den ich vertrete.

Eine Botschaft, die vom Kardinalstaatssekretär überbracht wird, hat ein stärkeres Gewicht als eine Botschaft, die ich selbst überbringe oder die ein Vertreter des Vatikans überbringt.

Aber keine Botschaft ist so bedeutungsvoll und gewichtig wie eine Botschaft des Papstes, die von ihm selbst überbracht wird.

Wir erleben ernsthafte auch wirtschaftliche Herausforderungen, riesige, weiter wachsende Flüchtlingsströme, die in EU-Länder wie Deutschland strömen, und viele Menschen entwickeln eine Art Aversion gegen Flüchtlinge, Asylbewerber und Migranten – obwohl das eigentlich drei unterschiedliche Kategorien sind, die man nicht verwechseln sollte. Vor diesem Hintergrund: Wie sollen wir die Meinung des Papstes interpretieren, wonach „jeder die Freiheit haben sollte, zu entscheiden, ob er migrieren will oder nicht“.

Nun, die Tatsache, dass es heute fast 114 Millionen gewaltsam vertriebene Menschen gibt, sollte uns auch zum Nachdenken über den Zustand unserer Welt bringen. Für mich persönlich ist dies ein alarmierendes Zeichen für die Gewalt, die Verfolgungen und die Konflikte, die leider unsere Zeit heimsuchen.

Ich denke auch, wir dürfen nicht vergessen, dass der Appell von Papst Franziskus immer eine pastorale Bedeutung hat. Das bedeutet freilich nicht, dass jeder das Recht hat, überall hinzugehen, wo er will. Jeder Staat hat das Recht, die Migration zu regeln und eine Politik zu betreiben, die sich an den allgemeinen Erfordernissen des Gemeinwohls und der öffentlichen Ordnung seiner Bevölkerung orientiert.

Natürlich muss immer die Wahrung der Würde jedes einzelnen Menschen beachtet werden. Und wenn ich von der Würde eines jeden Menschen spreche, dann meine ich die Würde der Migranten, aber auch die Würde der Bevölkerung. Diese Würde muss also immer gewahrt und geschützt werden.

Ich möchte auch einen Punkt hervorheben, der meiner Meinung nach sehr wichtig ist, um die Worte von Papst Franziskus zu verstehen: Das ist der Unterschied zwischen Migranten und Flüchtlingen.

Wir müssen berücksichtigen, dass der Schutz, der den Flüchtlingen gewährt wird, nicht einfach ein Zugeständnis ist. Sehr oft vergessen wir, dass die Flüchtlinge selbst Opfer von humanitären Notlagen sind, die sie nicht selbst verursacht haben. Und wir sollten auch nicht vergessen, dass die Entscheidung unserer Brüder und Schwestern, aus Angst und Verzweiflung aus ihrer Heimat zu fliehen, ein Vertrauensvorschuss in die Solidarität und die Einheit der Menschheitsfamilie ist. Ein Flüchtling ist also jemand, der gezwungen ist zu migrieren, weil er in seinem eigenen Land unter Verfolgung leidet, wegen seiner Volkszugehörigkeit, seiner Religion, seiner Sprache, aus sozialen oder anderen Gründen.

Und der Heilige Stuhl hat immer darauf hingewiesen, dass jeder Flüchtling neben dem Schutz auch Pflichten und Verpflichtungen gegenüber den Aufnahmegemeinschaften hat, die die Einhaltung der Gesetze und der Vorschriften erfordern, immer mit Blick auf die Verwirklichung des Gemeinwohls für alle.

Die Abneigung gegen Flüchtlinge und Migranten ist also meist darauf zurückzuführen, dass wir sehr oft dazu neigen, nur die negativen Aspekte der Migration zu betrachten oder zu sehen. Und manchmal vernachlässigen wir auch den Beitrag, den Flüchtlinge und Migranten durch ihre Fähigkeiten, ihre Arbeit und manchmal auch durch ihre Spiritualität leisten und der die Aufnahmeländer bereichern kann. Dies bedeutet nicht, dass es keine Herausforderungen gibt, und die Herausforderungen müssen unter Berücksichtigung des Gemeinwohls der Bevölkerung bewältigt werden, sowohl des Individuums, der Flüchtlinge oder der Migranten, als auch der Bevölkerung, die sie aufnimmt und beherbergt.

Dies ist also etwas, das meiner Meinung nach immer berücksichtigt werden muss. Und schließlich kommt noch ein weiterer Punkt hinzu, der meines Erachtens ebenfalls wichtig ist: Es ist problematisch, wenn Länder mit der Bewältigung und Aufnahme großer Flüchtlingsströme allein gelassen werden. Es liegt auf der Hand, dass die Fähigkeit eines jeden Landes, Flüchtlinge aufzunehmen, von vielen Faktoren abhängt, einschließlich der Größe des Landes, der Bevölkerung und der Ressourcen, über die das Land verfügt. Aus diesem Grund betont Papst Franziskus oft die Bedeutung der Solidarität, der Zusammenarbeit und der gemeinsamen Verantwortung. Und deshalb ist die Größe, die Bevölkerung des Landes, die wirtschaftliche Situation, der Zustand der Bevölkerung Teil der Elemente, die einen Einfluss auf das Gemeinwohl der lokalen Bevölkerung haben, die auch die Migranten und Flüchtlinge aufnimmt.

Was nun die Flüchtlinge betrifft, so ist die Situation natürlich etwas anders, weil sie wegen der Verfolgung fliehen, und deshalb gibt es eine Verpflichtung, sie aufzunehmen.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Daher hoffe ich aufrichtig, dass dieses Forum dazu beitragen wird, sowohl den Geist und die Vision der Flüchtlingskonvention von 1951 wiederzubeleben, und gleichzeitig die Gelegenheit zu nutzen, die Grundsätze der Brüderlichkeit, und Solidarität zu bekräftigen und den Verzicht auf Zurückweisung, durch eine verstärkte internationale Zusammenarbeit und Lastenteilung, wodurch der Druck auf die Aufnahmeländer von Flüchtlingen erleichtert wird“, sagte Papst Franziskus in seiner Botschaft an das zweite Globale Flüchtlingsforum. Den „Geist“ und die „Vision“ der Flüchtlingskonvention von 1951 wiederbeleben – aber können der Geist und die Vision von 1951, auf die sich der Papst bezieht, 73 Jahre später unter völlig anderen Umständen in einer veränderten Weltlage überhaupt „wiederbelebt“ werden?

Der Heilige Vater hat, wie Sie richtig bemerkten, die Hoffnung geäußert, dass die Vision und der Geist der Flüchtlingskonvention von 1951 wiederbelebt werden. Um Ihre Fragen richtig beantworten zu können, müssen wir das Ganze aus der richtigen Perspektive sehen und uns vor Augen halten, dass diese Konvention ein Versuch war, die Folgen der massiven Vertreibung zu lindern, die Millionen von Menschen nach den Tragödien und aufgrund der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs erlitten. Sicher hat sich die Welt seither erheblich verändert, aber gleichzeitig hat die Zahl der Vertriebenen exponentiell zugenommen.

Heute gehen wir von 114 Millionen Migranten aus. Konflikte, Gewalt und Verfolgungen sind leider immer noch eine tragische Realität. Bei den Sitzungen der UN höre ich oft, dass wir derzeit die höchste Zahl von Vertriebenen seit dem Zweiten Weltkrieg erleben. Das zeigt, dass sich die Welt zwar verändert hat, die gleichen Probleme aber leider immer noch bestehen. Und deshalb ist die Konvention von 1951 nach wie vor von Bedeutung. Es ist wichtig, ihren Geist und ihre Vision wiederzubeleben, um eine angemessene Antwort auf das heutige Problem zu finden.

Lassen Sie mich nun versuchen, genauer aufzuschlüsseln, was der Papst mit der Wiederbelebung der Vision und des Geistes der Flüchtlingskonvention meint. Ich denke, dass dies sowohl durch eine juristische als auch durch eine, wie ich sagen würde, eher pastorale Auslegung besser verstanden werden kann. Aus rechtlicher Sicht sollte man sich in Erinnerung rufen, dass die Flüchtlingskonvention von 1951 eindeutig darauf verweist, dass die Flüchtlinge eine gemeinsame Verantwortung der internationalen Gemeinschaft sind.

Solche Staaten, die eine große Zahl von Flüchtlingen aufnehmen, müssen in gewisser Weise unterstützt werden, und zwar nicht nur durch finanzielle Unterstützung, sondern auch durch eine schnellere Umsiedlung der Flüchtlinge in Drittländer. Es sollte ihnen eine sichere und praktikable Rückkehr in ihre Herkunftsländer ermöglicht werden. Die Voraussetzung ist natürlich, dass die Bedingungen dort sicher sind.

Die Rückkehrer sollten nicht Gefahr laufen, erneut in Verfolgungen zu geraten, vor denen sie geflohen sind. Sie sollten jene Sicherheit erhalten, die ihnen mit dem Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde.

Natürlich ist es leider so, dass wir oft weniger sensibel sind, wenn eine Flüchtlingskrise geografisch weit von uns entfernt ist. Und ich meine, wir sollten nicht zulassen, dass die Nähe die Verantwortung bestimmt, denn dies ist der Geist und die Vision der Flüchtlingskonvention von 1951, die zu globaler Verantwortung und globaler Zusammenarbeit aufruft. Dies also zum rechtlichen Aspekt.

Wenn wir uns der eher pastoralen Auslegung der Worte von Papst Franziskus zuwenden, ist es meines Erachtens wichtig, sich daran zu erinnern, dass die Protagonisten oder vielmehr die Opfer einer solchen Vertreibung keine Zahlen oder bloßen Statistiken sind, sondern menschliche Personen, Männer, Frauen, die oft gezwungen sind, lebensrettende und lebensverändernde Entscheidungen zu treffen.

Vor wenigen Wochen haben wir Weihnachten gefeiert und dabei auch an die Heilige Familie von Nazareth gedacht, die nach Ägypten geflohen ist. Sie sind das Urbild jeder Flüchtlingsfamilie.

So trägt auch die katholische Kirche durch ihre Einrichtungen in der ganzen Welt dazu bei, den Flüchtlingen zu helfen, indem sie der Aufforderung nachkommt, in den Flüchtlingen nicht einfach nur Brüder oder Schwestern in Not zu sehen, sondern Christus in ihnen zu sehen, Christus selbst, der an unsere Tür klopft, denn er sagte: „Ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben, ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich war ein Fremder, und ihr habt mich aufgenommen. Ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben.“

Dies ist also ein Appell, der Appell eines jeden Flüchtlings, der auch mir selbst gilt.

Zusammenfassend können wir also sagen, dass die Konvention von 1951 ein Versuch war, auf die Bedürfnisse der Zeit mit praktischen Lösungen zu antworten, da die Ursachen der Vertreibung immer komplexer geworden sind, und dass Papst Franziskus die internationale Gemeinschaft auffordert, eine Vision zu haben, die auf die Probleme von heute reagieren kann.

Neben der Notwendigkeit, den Sinn für Zusammenarbeit, Solidarität und gemeinsame Verantwortung zu erneuern, denke ich auch an den Klimawandel und Naturkatastrophen. All dies sind also Faktoren der heutigen Migration, die uns dazu veranlassen, zu denken, dass wir uns dem stellen müssen, indem wir diesen Geist und die Vision der Flüchtlingskonvention wiederbeleben. Ich schließe, um jegliche Fehlinterpretation auszuräumen, dass die Flüchtlingskonvention von 1951 in gewisser Weise dazu dient, den Zustrom von Migranten zu regeln. Migranten sind, wie gesagt, nicht mit Flüchtlingen zu verwechseln, die vor lebensbedrohlichen Verfolgungen fliehen.

Die Flüchtlinge fliehen nicht wirklich, ich würde sagen, aus wirtschaftlicher Not. Die modernen Migrationsmuster können sehr komplex sein und enthalten natürlich eine Mischung aus Wirtschaftsmigranten und Flüchtlingen. Die Regierungsbeamten an den Grenzen stehen also vor der gewaltigen Aufgabe, die verschiedenen Kategorien zu unterscheiden und sie in angemessener Weise zu behandeln.

Original-Interview aufgenommen in Genf von Laetitia Rodrigues und Alex Mur | Textbearbeitung: Mario Galgano | Redaktion, Moderation und Schnitt: Christian Peschken für Pax Press Agency im Auftrag von EWTN, EWTN News und CNA Deutsch.

Hinweis: Dieser Beitrag – sein Inhalt sowie die darin geäußerten Ansichten – ist kein Beitrag der Redaktion von CNA Deutsch. Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln zudem nur die Ansichten der jeweiligen Autoren wider. Die Redaktion von CNA Deutsch macht sich diese nicht zu eigen.

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