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Gottes Gebote sind keine fragmentierten, voneinander trennbaren Stücke

Das Heilige Herz Jesu in einer Darstellung in der Kirche vom Allerheiligsten Sakrament in São Paulo, Brasilien

CNA Deutsch präsentiert die folgende Predigt zum bevorstehenden 31. Sonntag im Jahreskreis.

Wie viele Regeln müssen wir jeden Tag beachten, um zu überleben! Die Gesetze des Staates, die der Kirche, die Regeln der guten Erziehung und des zivilen Lebens, jene der Freundschaft und des Familienlebens, die Vorschriften am Arbeitsplatz, bei den gesellschaftlichen Aktivitäten, etc.

Das Problem ist, dass all diese Regeln sich uns heute in einem fragmentierten Bild präsentieren. Die Gesellschaft ist in viele Teile gespalten und niemand scheint mehr in der Lage zu sein, sie wieder zu vereinen, in einem kohärenten Sinn. Eine Person muss, wenn sie in einem Unternehmen arbeitet, sich auf den am Arbeitsplatz geltenden Werterahmen beziehen (z. B. Vorrang des Profits, Wettbewerbsfähigkeit, Ehrgeiz, Kriecherei). Wenn diese Person in die Kirche geht, bezieht sie sich auf völlig andere Werte. Und in der Freizeitgestaltung, in den von den Kindern besuchten Schulen und anderswo findet sie noch andere und zu den vorherigen im Gegensatz stehende Werte.

In dieser Fragmentierung verliert der Mensch sich selbst, das ist klar. „Der Mensch von heute“, so Johannes Paul II., „ist oft zerstreut, gespalten, fast ohne ein inneres Prinzip, das in seinem Denken und Handeln Einheit und Harmonie schafft“.

Und auch wir Gläubigen erleben diese Spaltung, die sich dann in den Spaltungen innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft selbst niederschlägt: Ein Teil unterstreicht die Normen und Werte der Annahme, der Inklusion, der sozialen und ökologischen Gerechtigkeit, ein anderer Teil bekräftigt die Gebote der Achtung vor dem Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod, die Verteidigung der Familie, welche auf der Ehe zwischen Mann und Frau gründet, den Schutz der Rechtgläubigkeit. Wenn es Spaltungen gibt, dann deshalb, weil – wie Papst Franziskus sagt – „das Herz fehlt“, es fehlt jenes „einheitstiftende Zentrum, das allem, was der Mensch erlebt, einen Sinn- und Orientierungshintergrund verleiht“.

Die Frage, die der Schriftgelehrte im heutigen Evangelium an Jesus richtet (Mk 12,28–34), geht gerade auf die Suche nach diesem Herzen: „Welches Gebot ist das erste von allen?“ Was ist das Prinzip, der Angelpunkt, durch den man den Willen Gottes verstehen kann, was ist das Zentrum, von dem aus alles seinen Sinn erhält und das alles andere zusammenhält?

In seiner Antwort zitiert Jesus zunächst den Text aus dem Buch Deuteronomium (6,2–6), den wir in der ersten Lesung hören: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft.”

Liebe ist Beziehung. Gott liebt uns! Papst Franziskus schreibt: „‚Er hat uns geliebt‘, sagt Paulus über Christus (vgl. Röm 8,37), um uns erkennen zu lassen, dass uns nichts von dieser Liebe ‚scheiden kann‘ (vgl. Röm 8,39). Paulus sagte dies mit Überzeugung, denn Christus selbst hatte seinen Jüngern versichert: ‚Ich habe euch geliebt‘ (vgl. Joh 15,9.12). Er hat uns auch gesagt: ‚Ich nenne euch Freunde‘ (vgl. Joh 15,15). Sein offenes Herz kommt uns zuvor und wartet bedingungslos auf uns, ohne Vorleistungen zu erwarten, um uns lieben und uns seine Freundschaft anbieten zu können: Er hat uns zuerst geliebt (vgl. 1 Joh 4,10). Dank Jesus ‚haben wir die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen‘ (vgl. 1 Joh 4,16).“

Gott von ganzem Herzen zu lieben bedeutet, in diese Beziehung einzutreten, sich von ihm lieben zu lassen, seinen Worten mit dankbarer Zuneigung zuzuhören und zu wissen, dass sie uns zu unserem Besten geschenkt werden. Und deshalb bedeutet es, unseren Nächsten mit der gleichen Liebe zu lieben, mit der Gott uns in Christus liebt.

Dann verstehen wir, dass Gottes Gebote keine fragmentierten, voneinander trennbaren Stücke sind: Sie haben ein Herz, das zu unserem Herzen spricht und es eins macht, wenn wir darauf hören, und das es nach seinem Bild verwandelt: „Nur vom Herzen her werden unsere Gemeinschaften in der Lage sein, die verschiedenen Einsichten und Willen zu vereinen und zu befrieden, auf dass der Geist uns als ein Netz von Brüdern und Schwestern leiten kann, denn auch die Befriedung ist eine Aufgabe des Herzens. Das Herz Christi ist Ekstase, ist Hinausgehen, Geschenk und Begegnung. In ihm werden wir fähig, auf gesunde und glückliche Weise miteinander in Beziehung zu treten und in dieser Welt das Reich der Liebe und der Gerechtigkeit aufzubauen“.

Aldo Vendemiati ist Priester und Professor an der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität Urbaniana. Sein Blog findet sich HIER. Die Predigt wurde mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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