29 Juli, 2025 / 3:30 PM
Solène Tadié, die Europa-Korrespondentin des National Catholic Register, hielt am 10. Juli in Berlin die folgende Rede bei einer vom „Center for European Renewal“ organisierten Tagung. Dabei ging es um die Diskussion von Ideen und die Untersuchung wichtiger aktueller Themen. Der Text der Rede wurde zuerst vom National Catholic Register, dem Nachrichtenpartner von CNA Deutsch, in englischer Sprache veröffentlicht, und erscheint hier in deutscher Übersetzung.
Wir sind hier, um eine Frage zu diskutieren, die in vielerlei Hinsicht offensichtlich absurd erscheint – aber die den Kern vieler Debatten bildet, die unsere Zeit prägen: „Gibt es Frauen?“
Ich gehe davon aus, dass wir alle die humoristische Anspielung auf den Dokumentarfilm „What is a woman?“ von Matt Walsh verstanden haben, der grundlegende Prinzipien der Biologie bekräftigt und dessen unerwarteter Erfolg auch das Ausmaß der Dekadenz der westlichen Welt aufgezeigt hat.
Nun möchte ich im Geiste einer klassischen marxistischen Tradition, die uns Franzosen besonders am Herzen liegt, nämlich „offenzulegen, von wo aus wir sprechen“, klarstellen, dass ich diese Frage aus einer bestimmten Perspektive betrachte: als Frau, Katholikin und Journalistin, die von Feministinnen als „emanzipierte Frau“ betrachtet werden könnte.
Ich verstehe, dass meine katholische Perspektive möglicherweise nicht bei allen hier Anklang findet, aber ich halte sie für entscheidend, da sie sehr aktuelle und konstruktive Überlegungen zu einem Thema bietet, das die Zukunft unserer Zivilisation bestimmen könnte, da wir vor einer beispiellosen demografischen Krise stehen.
Die meisten Enzyklopädien definieren „Feminismus“ als eine Doktrin, eine Reihe von Bewegungen, die sich für die Gleichstellung von Männern und Frauen in allen Bereichen und die Ausweitung der Rolle der Frau in der Gesellschaft einsetzen. Oberflächlich betrachtet hat der Feminismus also alle Merkmale eines lobenswerten Projekts, das sich dem Gemeinwohl verschrieben hat. Aber wenn man einen Baum anhand seiner Früchte bewertet, sieht die Sache ganz anders aus.
Meiner Ansicht nach ist der Feminismus, insbesondere der moderne Feminismus, ein grundlegender anthropologischer Irrtum. Während man argumentieren kann, dass der frühe Feminismus als Reaktion auf die frauenfeindliche Ausgrenzung von weiblichen Personen aus den Reihen der Aufklärung entstand – insbesondere aufgrund ihrer Nähe zum Klerus –, ist der heutige Feminismus zu einer konstruktivistischen Ideologie geworden, welche die Biologie außer Acht lässt und davon ausgeht, dass Geschlecht ein soziales Konstrukt ist, das wie Ton formbar ist.
Feminismus gegen Wissenschaft
Dieser ideologische Rahmen, der von Persönlichkeiten wie Simone de Beauvoir vertreten wird, behauptet, dass „man nicht als Frau geboren wird, sondern zur Frau wird“. Was bedeutet das eigentlich? Es handelt sich dabei nicht um eine romantische oder persönliche Entwicklungsvorstellung, sondern um die Behauptung, dass das Konzept der Frau nichts anderes als das Ergebnis einer sozialen Konstruktion ist, die in erster Linie von Männern erfunden wurde. Es lohnt sich wirklich, ihr Buch „Das andere Geschlecht“ zu lesen, um ihre Verachtung für das zu verstehen, was die Natur einer Frau ausmacht, insbesondere die Mutterschaft, die sie als die ultimative Versklavung der Frau ansieht.
Um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben: Für sie sind Übelkeit und Erbrechen während der Schwangerschaft „Ausdruck der Revolte des Körpers gegen die Spezies, die von ihm Besitz ergreift“, und erst in den Wechseljahren „stimmen Frauen endlich mit sich selbst überein“. Für sie reicht es aus, unseren biologischen Determinismus loszuwerden. Sie freut sich, dass die Technologie irgendwann in der Lage sein werde, die körperlichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen aufzuheben – eine notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung der vollkommenen Gleichstellung der Geschlechter, die das Ziel des feministischen Strebens ist.
Das Problem dabei ist meiner Meinung nach, dass man, wenn man biologische Wahrheiten leugnet, das Wesentliche dessen verliert, was es bedeutet, Mensch zu sein.
Diese Ideologie hat unsere Kultur seit Jahrzehnten durchdrungen und zur aktuellen „Woke“-Ideologie und zum Transgenderismus geführt, einer zutiefst frauenfeindlichen Ideologie, die unerwartete Allianzen zwischen den sogenannten traditionellen Feministinnen und der christlichen oder konservativen Welt fördert. Aber sie wird in jeder Hinsicht von der Wissenschaft, der Geschichte und der Soziologie widerlegt.
Nehmen wir zum Beispiel die Studien des Cambridge-Professors Simon Baron-Cohen, ein renommierter Neurowissenschaftler, der gezeigt hat, dass Jungen und Mädchen schon von klein auf unterschiedliche neurologische Tendenzen entwickeln. Ab dem Alter von sechs Jahren neigen Mädchen dazu, empathischer zu sein, während Jungen eher zu systematisierendem Verhalten neigen. Diese Unterschiede sind nicht nur kultureller oder sozialer Natur, sondern biologisch bedingt. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse stellen die feministische Behauptung in Frage, dass Geschlechtsunterschiede lediglich das Ergebnis einer sozialen Konstruktion sind.
Betrachten wir ein weiteres Beispiel: Schweden, das oft als Vorbild für die Gleichstellung der Geschlechter angeführt wird, bietet eine interessante Fallstudie. Statistiken aus dem Jahr 2022 zeigen, dass in dem Land, in dem Frauen die besten Berufschancen in Europa haben, sie sich nach wie vor überwiegend für Berufe in der Pflege, im Bildungswesen und im Direktvertrieb entscheiden, während nur wenige in Führungspositionen oder im Finanzwesen tätig sind. Wenn Frauen wirklich in diese Rollen gedrängt würden, wie der Feminismus oft behauptet, warum würde dieses Muster dann selbst in der geschlechtergerechtesten Gesellschaft bestehen bleiben?
Damit komme ich zum Kern des Problems: Indem der Feminismus die Biologie leugnet, sperrt er Frauen in eine Phantomvision ihrer Rolle in der Gesellschaft, die ihre natürlichen Neigungen ignoriert. Anstatt Frauen zu befreien, sperrt er sie in eine ideologische Schublade.
Christentum als Hauptantriebskraft für Befreiung von Frauen
(Die Geschichte geht unten weiter)
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Diese falsche Anthropologie wird durch eine falsche Geschichtsschreibung noch verstärkt, auf die ich in meiner Arbeit unermüdlich hingewiesen habe, da ich glaube, dass der Mythos vom Christentum als historischem Unterdrücker der Frauen schwerwiegende Folgen für die westlichen Gesellschaften hat.
Tatsächlich erleben viele dieser Gesellschaften eine unerwartete christliche Erneuerung, die vor allem junge Männer anzieht, während Frauen von diesem Phänomen noch weitgehend ausgeschlossen sind.
Wenn Christen und Verteidiger des Abendlandes das Christentum nicht als die ultimative befreiende Kraft für Frauen bekräftigen, könnten sie eine ganze Generation an die Sackgassen des Feminismus und der „Woke“-Ideologie verlieren. Sie sollten diese Erzählung zurückerobern, nicht nur, um die Geschichte zu klären, sondern auch, um die Zukunft zu gestalten.
Um die wahre befreiende Kraft des Christentums zu verstehen, wollen wir kurz auf die Kirche der ersten Jahrhunderte eingehen, in der das Christentum den Frauen etwas bot, was in der antiken Welt beispiellos war: einen rechtlichen Status. Oft wurden sie als Eigentum betrachtet. Es war eine Welt, in der Väter über Leben und Tod ihrer Töchter entschieden.
Das Evangelium hat dies geändert. Frauen wurden zu aktiven Teilnehmerinnen an der Evangelisierung der Welt, selbst unter großem persönlichen Risiko. Von Anfang an hatten Frauen die Möglichkeit, ihren Ehepartner selbst zu wählen oder zölibatär zu leben, und viele von ihnen zogen das Martyrium der Abkehr von ihrem Glauben vor. Die meisten Heiligen der ersten Jahrhunderte der christlichen Ära sind Frauen, und das ist kein Zufall.
Diese frühen christlichen Frauen warteten nicht auf die Erlaubnis einer weltlichen Autorität – sie bekräftigten ihre Identität und Macht durch ihren Glauben, was für ihre Zeit revolutionär war.
Im Gegensatz zu modernen Mythen über das „dunkle Mittelalter“ war das Mittelalter eine Zeit beispielloser Chancen für Frauen, was vor allem auf den Einfluss des Christentums zurückzuführen war. Die Historikerin Régine Pernoud hat bekanntlich gezeigt, dass Frauen in dieser Zeit ihren Höhepunkt erreichten und als Königinnen, Äbtissinnen, Theologinnen, Landbesitzerinnen und sogar Kriegerinnen in den Kreuzzügen Macht ausübten.
Im Gegensatz zu früheren patriarchalischen Systemen gewährte die feudale Gesellschaft dieser Zeit Frauen Autonomie. Sie erreichten mit zwölf Jahren die Volljährigkeit, zwei Jahre vor den Jungen. Viele Frauen besaßen Land, verwalteten Güter und waren wichtige Entscheidungsträgerinnen im politischen und intellektuellen Bereich der damaligen Zeit. Persönlichkeiten wie Eleonore von Aquitanien und Blanche von Kastilien hatten bedeutende politische Macht, während andere, wie die heilige Hildegard von Bingen, monumentale Beiträge zur Theologie, Wissenschaft und Kunst leisteten und von hochrangigen Geistlichen der damaligen Zeit tief bewundert wurden.
Die Kirche erhob Frauen nicht nur geistlich, sondern schuf auch einen Rahmen, in dem sie sich als Führungskräfte entfalten konnten. Die heilige Katharina von Siena beispielsweise hatte während des Großen Abendländischen Schismas enormen Einfluss und brachte den Papst von Avignon nach Rom zurück, ohne jemals ihre Weiblichkeit aufgeben zu müssen. Frauen blühten in diesem System auf, nicht indem sie Männer imitierten, sondern indem sie ihre besonderen Rollen annahmen – was beweist, dass das Christentum ihnen weit mehr Freiheit und Selbstbestimmung bot als jede weltliche Ideologie.
Mutter Angelica und christliche Selbstbestimmung
Heute ermöglichen dieselben christlichen Prinzipien Frauen, allein durch die Stärke ihres Charakters Außergewöhnliches zu erreichen. Ein modernes und persönliches Beispiel, das mir sehr am Herzen liegt, ist Mutter Angelica, die in den 1980er Jahren den Fernsehsender EWTN gründete und dabei sowohl von säkularen Kräften als auch von Seiten der männlich dominierten Geistlichkeit mit Skepsis und Widerstand konfrontiert war. Dennoch baute sie mit purem Glauben, Mut und Entschlossenheit das größte katholische Fernsehnetzwerk der Welt auf.
Ihre Geschichte unterstreicht einen allgemeineren Punkt: Frauen müssen ihre Weiblichkeit nicht ablehnen oder sich säkularen Ideologien anpassen, um Führungspositionen einzunehmen. Mutter Angelicas Führungsstärke wurde durch ihren tiefen Glauben und ihren unerschütterlichen Willen angetrieben.
Die derzeitige Präsidentin und COO von EWTN News, Montse Alvarado, ist ein Beispiel für eine solche christliche Selbstbestimmung. Sie bringt eine einzigartige Stärke mit, die in Intuition, Empathie und einem tiefen Sinn für ihre Aufgabe begründet ist. Ihre Führungsqualitäten sind nicht davon geprägt, Männer imitieren zu müssen, sondern von der Stärke ihrer weiblichen Begabungen. Sie ist nicht durch Anpassung erfolgreich geworden, sondern indem sie ihre besondere Rolle angenommen hat, die tief im Glauben verwurzelt ist.
Demografischer Zusammenbruch und christliche Lösung
Dies führt uns zu einer konkreteren politischen Dimension, da wir nun mit einer beispiellosen demografischen Krise konfrontiert sind. Ich habe kürzlich Mads Larsen interviewt, einen norwegischen Professor und Autor des großartigen Buches „Stories of Love From Vikings to Tinder: The Evolution of Modern Mating Ideologies, Dating Dysfunction, and Demographic Collapse”. Er wies darauf hin, dass der derzeitige demografische Winter für den Westen eine größere Bedrohung darstellt als der Schwarze Tod – die Pest.
Die Epidemie der Einsamkeit, der Zusammenbruch der Familienstrukturen und der Rückgang der Geburtenraten – all dies sind Symptome eines tiefer liegenden Problems.
Larsen argumentiert provokativ, dass der Beitrag des Christentums zur Befreiung der Frauen auch unbeabsichtigte Folgen hatte. Indem es Frauen einen rechtlichen Status und Autonomie gewährte, schuf das Christentum die Voraussetzungen für die demografische Krise, mit der wir heute konfrontiert sind und die durch den weit verbreiteten Einsatz von Verhütungsmitteln noch verschärft wird. Der Aufstieg der individuellen Freiheit ging nicht mit einem gesellschaftlichen Rahmen einher, der ein nachhaltiges Bevölkerungswachstum hätte unterstützen können.
Das erinnert an das Werk der katholischen Philosophin Chantal Delsol, „La haine du monde“ (Der Hass der Welt), in dem sie darlegt, dass das Christentum für den Westen sowohl Gift als auch Gegenmittel ist. Genau dieselbe christliche Betonung des Menschen und der individuellen Freiheit, die Frauen zu mehr Autonomie verhalf, führt uns nun auch in einen demografischen Zusammenbruch.
Das Christentum ist jedoch auch das einzige nachhaltige Gegenmittel zur aktuellen Krise – wenn unsere Gesellschaften bereit sind, es zu nutzen, um die Geschlechter auf eine Weise zu versöhnen, welche die Rolle sowohl von Männern als auch von Frauen in der Gesellschaft respektiert.
Die Zeit der ideologischen Kriege ist vorbei. Die Antwort liegt nicht darin, die Geschlechter gegeneinander auszuspielen, sondern sie auf eine Weise zu versöhnen, die ihre Komplementarität anerkennt. Das Christentum bietet einen Rahmen, um genau das zu tun. Wenn wir zu einer christlichen Sichtweise der Geschlechter zurückkehren – die auf gegenseitigem Verständnis und Verantwortung basiert –, können wir beginnen, eine Gesellschaft wiederaufzubauen, in der sowohl Männer als auch Frauen gedeihen und in der der demografische Zusammenbruch abgewendet wird.
Wenn wir über die Rolle der Frau heute nachdenken, ist es wichtig, die falsche Dichotomie abzulehnen, die von modernen Ideologien propagiert wird. Es gibt keinen guten und keinen schlechten Feminismus. Die Idee des Feminismus geht davon aus, dass die Gesellschaft in Kategorien von ewigen Opfern und Unterdrückern unterteilt ist. Es ist eine Vision, die Frauen in eine Position der Schwäche bringt.
Erinnern wir uns an die brillanten Beispiele von Frauen im Laufe der Geschichte, die sich nicht den Beschränkungen moderner feministischer Ideologien beugten. Sie haben nie versucht, Männer nachzuahmen – und mussten es auch nicht. Sie lebten einfach ihre Wahrheit, geleitet vom Glauben, und prägten die Welt auf eine Weise, die keine politische Ideologie jemals erreichen könnte.
Frauen zeigen sich vor allem in Krisenzeiten. Die geopolitischen und ethischen Herausforderungen, die insbesondere durch den Aufstieg der Künstlichen Intelligenz (KI) entstehen, werden ihnen einen Weg eröffnen, einen Beitrag zu leisten, unterstützt durch ihr eigenes weibliches Genie – nicht durch Klassenkampf-Rhetorik, sondern durch die Wiedergewinnung der Charakterstärke und Tugenden, die Frauen seit Jahrhunderten in den Mittelpunkt der Geschichte gestellt haben. Das Christentum muss weiterhin das tun, was es am besten kann: die Einzigartigkeit des Menschen fördern und ihn oder sie zu Exzellenz, zu Heiligkeit führen.
Die Aufgabe ist nun klar: die Geschlechter zu versöhnen, die Wahrheit unserer Biologie und Komplementarität zu bekräftigen und das Christentum, wie es das schon immer getan hat, als Rahmen für den Aufbau einer harmonischen Gesellschaft zu nutzen. Dies ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern eine politische Notwendigkeit für das Überleben unserer Zivilisation.
Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.
Übersetzt und redigiert aus dem Original von National Catholic Register, dem Nachrichtenpartner von CNA Deutsch.
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