25 Dezember, 2025 / 7:00 AM
Zehn Strophen umfasst das bekannte Gedicht „Wie soll ich dich empfangen?“ von Paul Gerhardt. Erstmals im Jahr 1653 erschien es, vertont von Johann Crüger, in einem evangelischen Gesangbuch. Konfessionsübergreifend ist dieses Lied Christen bis heute bekannt. Die erste Strophe hat sich vielen Gläubigen ins Herz geschrieben:
Wie soll ich dich empfangen
und wie begegn ich dir,
o aller Welt Verlangen,
o meiner Seelen Zier?
O Jesu, Jesu, setze
mir selbst die Fackel bei,
damit, was dich ergötze,
mir kund und wissend sei.
Eine freudvolle Stimmung zeigt sich in den Wochen des Advents trotz aller Beschwernisse des Alltags. Die „staade Zeit“ ist zwar so oft von Rastlosigkeit geprägt, und das Jahr hat auch ganz persönlich seine Spuren hinterlassen. Nun ist das hohe Weihnachtsfest gekommen, wir schenken einander kostbare Gaben, die wertvoll sind, weil sie von Herzen kommen, von guten Gedanken begleitet, liebevoll verpackt und freundlich den Angehörigen und Freunden zugedacht sind. Wir werden von den Empfängern oft durch ein dankbares Lächeln beschenkt. In den Kirchen singen wir die vertrauten Lieder, hören gute Predigten und verfolgen, wie Papst Leo XIV. den ersten Weihnachtssegen der Stadt Rom und dem Erdkreis spendet.
Vielleicht schwingt bei der einen oder dem anderen von uns die Frage mit, die Paul Gerhardt zu den Worten bewegte, die er gewählt hat: „Wie soll ich dich empfangen, Herr? Wie soll ich dir begegnen, mein Gott, der du als Kind in Krippe liegst?“ In Augenblicken der Besinnung gelingt uns es vielleicht, im Gebet vor der Krippe zu verharren, in der Pfarrkirche, im eigenen Zuhause. Und wir werden daran erinnert, dass „aller Welt Verlangen“, dass der verheißene Messias, in einer Krippe liegt, geboren in einer kalten Nacht in Bethlehem, in der in der Herberge für die hochschwangere Maria und den Pflegevater Josef kein Platz war.
Die Obdachlosigkeit Gottes in dieser Welt rührt, berührt uns immer wieder. Und die Frage kehrt heute wieder: „Wie soll ich dich empfangen, Herr?“ Bin ich dafür von innen her wirklich bereit? Kann ich es fassen, dass mein Herr und mein Gott, in mir ein Obdach finden möchte? Traue ich mich, mein Herz zu öffnen? Aus eigener Kraft, so wusste Paul Gerhardt, kann uns das nicht gelingen. Es liegt nicht an unserem Willen, nicht an unserer Leistungsbereitschaft, nicht am festlichen Schmuck und aller Dekoration.
Wir bitten den Herrn also, dass er uns helfen möge, dass wir die Gnade, die er uns schenkt, erkennen und dann wissen, wie wir ihn empfangen können – der unter uns Mensch werden, der uns erfüllen möchte und den wir am hochheiligen Weihnachtsfest in der Heiligen Kommunion empfangen. Wir können staunen über die Größe dieses Geheimnisses, und wir dürfen anbetend davor verharren.
„Wie soll ich dich empfangen?“ – Johann Sebastian Bach nahm diese Strophe auf. Zur unverwechselbaren Melodie des christlichen Glaubens gelangte das Lied später, als Bach im Weihnachtsoratorium das innere Band aufzeigte, denn „Wie soll ich dich empfangen“ und „O Haupt voll Blut und Wunden“ in der Matthäuspassion folgen derselben Melodie.
Wie kann das sein? Feiern wir nicht ein Freudenfest? Ja, das tun wir – Weihnachten ist das Fest der Liebe, das Fest der Freude. Weihnachten ist das Fest, an dem das Ganze unseres Glaubens in seiner lichtvollen Schönheit uns gegenwärtig wird, in dem Wissen darum, dass Krippe und Kreuz aus demselben Holz gemacht sind. Wer vor dem Kind in der Krippe niederkniet, vernimmt schon das „Folge mir nach!“ – und weiß, dass die Teilhabe an der Gemeinschaft mit dem Kind in der Krippe nicht ohne die Passionsgemeinschaft mit dem Herrn zu haben ist. Damit ist, so zeigt uns auch die geistliche Musik, von Anfang an das Ziel unseres Lebens bekannt.
Wir gehen mit Christus, berührt vom Kind in der Krippe, bis in die Passion des Karfreitags hinein, in der Hoffnung auf Vollendung. In der heiligen Messe am Weihnachtsfest beten wir nicht anders als in jeder Eucharistiefeier: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“
Weihnachten ist ein zutiefst eucharistisches Fest, denn Bethlehem heißt auf Deutsch: Haus des Brotes. Wir empfangen, in rechter Weise disponiert, den Leib des Herrn, die tiefste Form der Kommunikation mit Christus, die möglich ist – und wir empfangen ihn in unserem armen Fleisch, darauf hoffend, dass der Herr uns zeigt, was ihn erfreuen wird. Wir bringen unsere Gaben dar, und wir geben auch uns selbst hin, ein jeder auf jene Weise, die der eigenen Berufung entspricht, ob Kleriker oder Weltchrist. Wir feiern Danksagung, wir feiern Eucharistie.
Die heilige Edith Stein hielt 1931 einen Vortrag über das „Weihnachtsgeheimnis“, die Liturgie der Kirche aufnehmend und ausdeutend, und führte aus: „Lichtgestalten sind es, die um Krippe knien: die zarten, unschuldigen Kinder, die treuherzigen Hirten, die demütigen Könige, Stephanus, der begeisterte Jünger, und der Lieblingsapostel Johannes: sie alle, die dem Ruf des Herrn folgten. Ihnen gegenüber steht die Nacht der unbegreiflichen Verblendung: die Schriftgelehrten, die Auskunft geben könnten über Zeit und Ort, da der Heiland der Welt geboren werden soll, die aber kein Transeamus usque Bethlehem daraus ableiten; der König Herodes, der dem Herrn des Lebens ans Leben will. Vor dem Kind in der Krippe scheiden sich die Geister. Es ist der König der Könige und der Herr über Leben und Tod. Er spricht sein: ‚Folge mir‘, und wer nicht für ihn ist, ist wider ihn. Er spricht es auch für uns und stellt uns vor die Entscheidung zwischen Licht und Finsternis.“ (Edith Stein: Gesamtausgabe. Bd. 19. Geistliche Texte I. Verlag Herder: Freiburg im Breisgau 2025, S. 6). Gehören wir zu den Lichtgestalten?
Auch wir versammeln uns am Heiligen Abend und in der Weihnachtszeit an der Krippe, knien nieder, beten an, stehen staunend davor. Wir sehen vor uns die Menschen aus dem Neuen Testament, die Edith Stein so einfühlsam, lichtreich, klar und berührend beschreibt, und wir sehen vielleicht auch unsere Vorfahren, unsere Großeltern und Eltern, unsere Familien und Freunde, die sich dem Kind in der Krippe zuwenden.
Wir denken auch an jene, die sich abgewandt haben, die anderen Sternen gefolgt sind als dem Stern von Bethlehem, und vielleicht nehmen wir sie mit hinein in unsere Gebete. Uns kommen vielleicht auch die Suchenden in den Sinn, die mit dem und um den Glauben ringen, die aufgebrochen, aber noch unterwegs sind – und nach Weggefährten Ausschau halten, die ihnen durch das Zeugnis und Beispiel ihres Lebens helfen, ihren je eigenen Weg nach Bethlehem zu finden, um dem König der Könige, dem göttlichen Kind, Obdach zu schenken.
Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.
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