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Kardinal Müller: "Hüter des Glaubens bin ich als Bischof und Priester nach wie vor"

Kardinal Gerhard Ludwig Müller
Papst Benedikt XVI. in Manoppello am 1. September 2019

"Gemäß dem Paradox der Menschwerdung können wir sagen, dass Gott ein menschliches Antlitz angenommen hat: das Antlitz Jesu. In ihm sehen wir wirklich, wer Gott ist und wie Gott ist!" - Das sagte Papst Benedikt XVI. sechs Tage nach seiner Pilgerreise nach Manoppello im September 2006.

Nach einer Reihe von Purpurträgern – darunter zuletzt die Kardinäle Koch, Sarah und Tagle – tritt nun auch Kardinal Gerhard Ludwig Müller am 20. Januar 2019 eine Pilgerreise zum heiligen Sudarium in Manoppello an, um am Sonntag Omnis Terra die Welt und die Kirche mit der "wahren Ikone" vom Antlitz Christi zu segnen.

Herr Kardinal, ist der Besuch des vormaligen Hüters des Glaubens angesichts der überwältigenden Vertrauens- und Glaubenskrise der Christenheit ein Versuch, mit einem Akt der Volksfrömmigkeit Wunden zu heilen, die bis auf die Knochen der alten Mutter Kirche gehen? 

Kardinal Gerhard Ludwig Müller: Hüter des Glaubens bin ich als Bischof und Priester nach wie vor. Die Glaubenskongregation als Teil der Heiligen römischen Kirche unterstützt den Papst unmittelbar in seiner Aufgabe, den katholischen Glauben in der ganzen Welt zu fördern und zu schützen. Wenn ich auch nicht mehr ihr Präfekt sein darf, so bleibt mir doch die in Weihe von Christus selbst übertragene Mission, für "die Wahrheit des Evangeliums" (Gal 2,17) einzutreten. Und als Kardinal habe ich den Papst in besonderer Weise zu unterstützen. Unsere heilige Mutter, die hierarchische Kirche (Ignatius von Loyola) ist nicht alt, doch wenn wir unsere Sendung nicht mit Herz und Verstand ausüben, könnten wir einmal "alt aussehen" und "dumm dastehen". Ich denke an den Tag, an dem wir vor dem Richterstuhl Gottes Rechenschaft ablegen müssen "und jeder seinen Lohn empfängt für das Gute oder Böse, das er im irdischen Leben getan hat." (2Kor 5,10). Das Problem ist die Verweltlichung des Denkens auch bei höchsten Verantwortungsträgern. Es ist verhängnisvoll, wenn Bischöfe als Fundraiser, Geheimdiplomaten, Medienlieblinge und Politikflüsterer mehr sich wohl fühlen und höheren Orts geschätzt werden, denn als demütige Diener des Wortes (Lk 1,2), "Vorbilder für die Herde" (1Petr 5,3) und freundliche Vermittler "der gesunden Lehre" (Titus 1,9). Der Priester ist "Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes" (Kor 4,1). Inmitten des Volkes erhebt er den Leib und das Blut Christi während der Heiligen Wandlung und weist vor der Heiligen Kommunion auf das "Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt" (Joh 1,29). 

Und so ist es auch seine heilige Aufgabe, die Gläubigen zu segnen mit dem Bild Christi, das er hoch erhebt. Die Allerheiligste Dreifaltigkeit, die Menschwerdung Gottes, Kreuz und Auferstehung Christi sind die grundlegenden Wahrheiten des christlichen Glaubens. Darum können katholische Priester nur segnen im Zeichen des Kreuzes in Namen des Dreifaltigen Gottes. Wir würden ihn verleugnen, wenn wir nur zivilreligiöse Riten vollziehen und allgemeine Segenssprüche abgeben würden. Denn wir dienen dem Heilsplan Gottes nur, wenn wir beten und bekennen: "Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. ER hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel." (Eph 1,3) 

Neben Ihnen am Altar werden auch die Erzbischöfe Salvatore Cordileone aus San Francisco in Kalifornien und Bruno Forte aus Chieti Vasto in den Abruzzen als Konzelebranten stehen. Es sind zwei Kirchenmänner aus fast verschiedenen Universen innerhalb der Kirche. Müssen wir diese Auswahl der Konzelebranten als Programm verstehen oder wie erklären Sie die überraschende gemeinsame Pilgerreise? 

Ja, wir gehören der universalen Kirche an, in der Christus die vielen Glieder seines Leibes zu einer Einheit im Geist und Liebe zusammenruft. Drei Bischöfe mit drei Muttersprachen aus drei Ländern und zwei Kontinenten- das ist schon ein herrliches Zeugnis der Katholizität der Kirche. Der hl. Märtyrer und Bischof Ignatius von Antiochien sagte zu Beginn des 2. Jahrhunderts: "Wo der Bischof ist, dort soll die Gemeinde sein, wie da, wo Christus Jesus ist, die katholische Kirche ist. " (Brief an die Smyrnaer 8,2). 

Schon Papst Benedikt XVI hat seine Reise zu dem Bildschleier in Manoppello am 1. September 2006 gegen große Widerstände im Vatikan durchsetzen müssen. Diese Kräfte sind immer noch da, im Vatikan wie in der Weltkirche. Was macht Sie so gelassen, dass Sie deren Hohn und Widerstände nicht zu fürchten scheinen? 

Hohn und Spott, Intrigen und üble Nachreden, Interessenpolitik und Winkelzüge sind nicht die Zierde eines echten Christenmenschen. Es sind diese Machenschaften und das Machtgebaren, die die Glaubwürdigkeit des Episkopates und auch des Vatikans erschüttert haben. Wenn jeder dem Spruch seines Gewissens folgen würde und sich an die Gebote Gottes im Dekalog und die Seligpreisungen Jesu bei der Bergpredigt hält, gäben wir der Welt ein gutes Beispiel, obwohl wir bekennen müssen, dass wir ohne die Gnade nichts vermögen. Miteinander beten ist besser als heimlich schlecht über andere zu reden. Nur wenn wir uns das zu Herzen nehmen, gibt es einen Ausweg aus der gegenwärtigen Krise. 

Das geheimnisvolle Bildnis Christi in Manoppello selber schweigt. Was sagt es uns dennoch über die Erbinformationen der katholischen Kirche, von der wir kürzlich lesen mussten, dass in ihnen das Böse, vor dem die Welt zur Zeit so sehr erschrickt, schon von Anfang an gespeichert sei?  

Darauf antworte ich mit dem hl. Paulus: "Christus hat die Kirche geliebt und sich für sie dahingeben, um sie zu heiligen, da er sie gereinigt hat durch das Wasserbad im Wort. So will er die Kirche herrlich vor sich hinstellen, ohne Flecken oder Falten oder andere Fehler; heilig soll sie sein und makellos." (Eph 5,25ff). Diese Gnade, die uns rechtfertigt und heiligt, ist die DNA der Kirche. Die Schädigung dieser Erbinformation nennen wir die Sünde, durch die wir Sünder werden, die der "Reinigung und Buße bedürfen" (II. Vatikanum, Lumen gentium 8). Also nicht die Schuld auf andere, die Kirche, die Vorgänger, den Klerus abwälzen, sondern an die eigene Brust schlagen und beten mea culpa, das würde das binnenkirchliche Klima wesentlich verbessern.

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