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Der "Synodale Weg" – Vertiefung oder Verwässerung des Glaubens?

Kompass

Etliche deutsche Bischöfe hegen und schüren die Hoffnung, dass im Zuge der Beratungen auf dem "Synodalen Weg" Vorschläge erarbeitet werden, die weltkirchlich Beachtung finden könnten. Kardinal Reinhard Marx hat diese Erwartung am Ende der Vollversammlung der Bischofskonferenz in Fulda in seinem Statement präzise artikuliert: "Es wird keinen deutschen Sonderweg ohne Rom bei weltkirchlich relevanten Fragen geben. Aber wir sind bereit, Diskussionsbeiträge für die Weltkirche zu liefern."

Einige Themen, Wünsche und Forderungen sind seit der "Würzburger Synode" bekannt. Andere Fragen werden als Möglichkeiten diskutiert – so etwa eine kirchliche Segnung homosexueller Personen, die in Lebensgemeinschaften verbunden sind. Die Lehre der Kirche aller Zeiten und Orte zu diesen und anderen Themenbereichen sollte oder könnte hinreichend bekannt sein. Bestehende Defizite in der Verkündigung, der Frohen Botschaft wie der Lehre, scheinen der Mehrheit der Bischöfe offenbar nicht als Mangel bewusst zu sein. Sonst wäre zumindest additiv zu den bestehenden Gesprächsgruppen ein Forum "Evangelisierung" möglich gewesen. So aber werden vorwiegend Fragestellungen erörtert, die den Wünschen der etablierten katholischen Verbände und Laienorganisationen entsprechen – mit der Erwartung, dass in Rom und in der Kirche überhaupt später darüber vertieft nachgedacht werden könnte.

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang eine Reflexion, die der renommierte Augsburger Kirchenhistoriker Jörg Ernesti nahezu beiläufig in seinem neuen, ausgesprochen lesenswerten Buch über Papst Leo XIII. anstellt, eine allgemein formulierte These, die wie eine staunenswerte Analyse wirkt. Ernesti schreibt dort:

"In der vatikanischen Lehrverkündigung gibt es einen Topos, der auf Außenstehende seltsam wirken mag. Neuerungen werden nie so genannt, sondern als organische Entwicklung und Fortschreibung der Tradition beschrieben. In dieser Logik gibt es keine historischen Brüche, sondern nur Kontinuität." (Jörg Ernesti: Papst Leo XIII. Papst und Staatsmann, Verlag Herder/Freiburg im Breisgau 2. Aufl. 2019, 172)

Diese These erstaunt und verblüfft. Ernesti bezieht sich dann auf das Wirken Leos XIII. zu seiner Zeit. Wir wissen heute: Der Papst erkannte die Bedeutung der katholischen Soziallehre und förderte diese. Zudem sprach er sich energisch gegen Rassismus aus. Bestimmte Themenfelder werden erst mit der Zeit bekannt und erfordern eine Positionierung des kirchlichen Lehramtes. Das mag auf Außenstehende und auch auf kirchlich gebundene Menschen heute revolutionär wirken, aber handelt es sich um eine substanzielle, grundsätzliche Neuerung oder um einen Bruch mit der bestehenden Lehrverkündigung?

Insbesondere Papst Benedikt XVI. hat als Theologe des Konzils beharrlich auf die "Hermeneutik der Reform" hingewiesen, so in der Weihnachtsansprache vor der Römischen Kurie im Jahr 2005:

"Die Frage taucht auf, warum die Rezeption des Konzils in einem großen Teil der Kirche so schwierig gewesen ist. Nun ja, alles hängt ab von einer korrekten Auslegung des Konzils oder – wie wir heute sagen würden – von einer korrekten Hermeneutik, von seiner korrekten Deutung und Umsetzung. Die Probleme der Rezeption entsprangen der Tatsache, daß zwei gegensätzliche Hermeneutiken miteinander konfrontiert wurden und im Streit lagen. Die eine hat Verwirrung gestiftet, die andere hat Früchte getragen, was in der Stille geschah, aber immer deutlicher sichtbar wurde, und sie trägt auch weiterhin Früchte. Auf der einen Seite gibt es eine Auslegung, die ich »Hermeneutik der Diskontinuität und des Bruches« nennen möchte; sie hat sich nicht selten das Wohlwollen der Massenmedien und auch eines Teiles der modernen Theologie zunutze machen können. Auf der anderen Seite gibt es die »Hermeneutik der Reform«, der Erneuerung des einen Subjekts Kirche, die der Herr uns geschenkt hat, unter Wahrung der Kontinuität; die Kirche ist ein Subjekt, das mit der Zeit wächst und sich weiterentwickelt, dabei aber immer sie selbst bleibt, das Gottesvolk als das eine Subjekt auf seinem Weg. Die Hermeneutik der Diskontinuität birgt das Risiko eines Bruches zwischen vorkonziliarer und nachkonziliarer Kirche in sich."

Benedikt schreibt weiter:

"Das Zweite Vatikanische Konzil hat durch die Neubestimmung des Verhältnisses zwischen dem Glauben der Kirche und bestimmten Grundelementen des modernen Denkens einige in der Vergangenheit gefällte Entscheidungen neu überdacht oder auch korrigiert, aber trotz dieser scheinbaren Diskontinuität hat sie ihre wahre Natur und ihre Identität bewahrt und vertieft. Die Kirche war und ist vor und nach dem Konzil dieselbe eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, die sich auf dem Weg durch die Zeiten befindet; sie »schreitet zwischen den Verfolgungen der Welt und den Tröstungen Gottes auf ihrem Pilgerweg dahin« und verkündet den Tod des Herrn, bis er wiederkommt (vgl. Lumen gentium, 8)."

Damit hat Papst Benedikt deutlich gemacht, dass eine sichtbar gewordene "scheinbare Diskontinuität" nicht zu schwerwiegenden Irritationen führen sollte und eingebettet ist in die Gestalt der Kirche, die als Ganzes, als Stiftung Jesu Christi, sie selbst war und geblieben ist. Unbestreitbar bleibt, dass es Irrtümer und Missverständnisse gibt und geben wird und dass Mensch und Welt unter der "Knechtschaft der Sünde" (Gaudium et spes, 2) stehen. Die "Zeichen der Zeit" zu erkennen und diese im "Lichte des Evangeliums" (GS, 4) zu deuten, bedeutet nichts anderes als das, was gesagt ist. Darum gilt es, sich selbst zu bekehren und die Frohe Botschaft in der Welt von heute zu verkünden. Das ist niemals ein Signal, das eine Anpassungsbewegung bewirken soll, aus der – wie auch immer – eine modernisierte Kirche mit einer erneuerten Lehre hervorgeht, sondern ein Aufruf zur Evangelisierung und zur Vertiefung, nicht zur Verwässerung des Glaubens.

So dürfte mit Blick etwa auf die Enzyklika "Humanae vitae" des heiligen Pauls VI. ein vertieftes Verständnis erforderlich sein – und nicht eine neue Auflage gemäß einer neuen Morallehre, die dann als zeitgemäß ausgegeben wird oder naturwissenschaftlich legitimiert erscheint. Niemand wird die Teilnehmer des "Synodalen Weges" daran hindern können, Vorschläge und Wünsche zu erarbeiten, die im Gegensatz zur Lehre der Kirche stehen. Niemand wird Weltchristen, Theologen oder Bischöfen untersagen können, deutsche Antworten und Vorschläge nach Rom zu senden, heute oder in ein paar Jahren. Niemand aber wird auch einfach gläubige Katholiken – in Deutschland und anderswo – daran hindern können, dem Papst und der Lehre der Kirche aller Zeiten und Orte treu zu bleiben. Niemand wird auch alle diejenigen, die mit Sorge den "Synodalen Weg" beobachten werden, am Gebet für die Erneuerung der Kirche in Christus hindern. Das Beten mit der Kirche ist uns aufgetragen. Auch der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer hat dies in seiner Erklärung in Fulda so formuliert: "Ich hoffe und bete, dass der Synodale Prozess trotz der meines Erachtens falschen Weichenstellungen eine wahre Erneuerung der Kirche herbeizuführen hilft."

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