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"Das Ziel ist Freude" – Zur Beerdigung von Klaus Berger

Sankt Paul vor Sankt Peter in Rom
Klaus Berger in Rom
Jesus gibt Petrus die Schlüssel und Paulus das Buch der Glaubenslehre: Gemälde von Moretto da Brescia, um 1540
Die heiligen Petrus und Paulus

"Das Ziel ist Freude" schrieb Klaus Bergers Witwe über die Todesanzeige, die sie nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes verschickte, der heute um 10 Uhr auf dem Bergfriedhof in Heidelberg beigesetzt wurde.

Dieses Begräbnis nehmen wir zum Anlass, ein Gespräch noch einmal zu veröffentlichen, das Paul Badde vor elf Jahren mit Klaus Berger nach der ersten Untersuchung vom Grab seines Lieblingsheiligen in der Basilika San Paolo fuore le Mura in Rom führte, wo der heilige Paulus begraben liegt, den der Neutestamentler erforscht hatte wie kaum einen Autoren sonst unter den Autoren der Heiligen Schrift.

Professor Berger, Sie haben die Briefe und das Leben des Apostels Paulus jahrzehntelang erforscht. Was war Ihre erste Reaktion, als Sie hörten, dass nun eine erste Sondierung vom Innern des Sarkophages vorgenommen worden ist, in dem er begraben wurde?

Klaus Berger: Mein erster Gedanke war der, dass damit jetzt die Gleichberechtigung von Petrus und Paulus vollendet wurde. Nach dem Petrusgrab unter Sankt Peter hat man sich nun auch wirklich einmal um das Paulusgrab gekümmert. Deshalb haben die beiden nun endlich wieder gleiches Recht bekommen vor den Augen der Geschichte und der Spötter.

Spötter waren nun aber auch schnell wieder da, die sich über den Kalk im Grab lustig machen wollten, oder andere, die sagten, es beweise doch gar nichts, dass da auch ein paar alte Knochen gefunden wurden.

Interessant war für mich die Entdeckung des Purpurs. Denn Purpur war die Farbe der Märtyrer. Die Menschen, die Paulus mit Purpur begraben haben, haben das getan, weil er ein Märtyrer der Kirche ist. Die alten Hymnen reden nicht vom Rot des Blutes, sondern vom Purpur des Blutes. Daher ist das ein starkes zusätzliches Indiz für die Authentizität. Vielleicht hat man hin und wieder auch einen römischen Senator mit Purpur begraben. Märtyrer jedenfalls ganz bestimmt. Und ein Senator wurde in diesem Grab bestimmt nicht verehrt.

Und was sagt Ihnen das Gold?

Das Gold hängt zusammen mit der Krone des ewigen Lebens, die Petrus und Paulus – wie alle Märtyrer – erlangt haben. Die Krone des Märtyriums ist schon ein Ausdruck im Neuen Testament – und danach darüber hinaus in der ganzen alten Kirche.

Und das Blau?

Heute ist das Blau die Farbe Mariens. Damals war es vor allem die Farbe des Himmels. Wenn damals der Himmel beschrieben wurde, dann nicht mit weißen und grauen Wolken wie in Norddeutschland, sondern blau. Das Blau deutet auf den Himmel als Aufenthaltsort der Seligen und Heiligen hin. Außerdem war Blau damals – und bis ins hohe Mittelalter – die kostbarste Farbe überhaupt. Das Lapislazuli wurde später Ultramarin genannt, weil es aus dem Orient, von jenseits des Meeres, herangeschafft werden musste.

Und was sagen Sie zu dem Weihrauch, der im Grab gefunden wurde?

Weihrauch ist eine Gabe, die nur Gott gebührt und den Heiligen und Seligen, die ihn repräsentieren, wie es in der katholischen Liturgie heißt. Und jedenfalls nicht dem Kaiser. Darum gab es ja auch die ersten tödlichen Konflikte der jungen Christenheit, weil sie sich weigerten, dem vergöttlichten Kaiser auch nur ein Krümelchen Weihrauch zu opfern. Die christliche Verweigerung gegen den Weihrauch für die Kaiser war von Anfang an eine lebensgefährliche Entscheidung gegen die Vergottung der kaiserlichen Herren des römischen Weltreiches. Weihrauch wollten die frühen Christen nur Gott selbst zur Verehrung vorbehalten – und eben seinen Heiligen, die dem wahren Gott ihr Leben geweiht hatten. Weihrauch im Grab des Paulus heißt also: hier wurde ein Heiliger begraben. Hier wurde jemand begraben, dessen Heiligkeit unbestritten war.

Wie erklären Sie die Widerstände gegen diese Entdeckung? Wie erklären Sie, dass es gegen die uralte Tradition der Identität des Paulusgrabes sofort Stimmen laut werden, die sagen, das sei doch nur ein beliebiges Grab.

Große Widerstände kommen natürlich daher, dass man inzwischen weder die altkirchliche Liturgie kennt noch die altkirchliche Archäologie, und dass der Sinn für die leibliche Gegenwart der Heiligen in der katholischen Kirche verloren gegangen ist – also für jenes Element, das jedem Altar jeder katholischen Kirche noch eingemauert wurde. In jedem Altar liegen noch Knochen von Heiligen im so genannten "Sepulchrum". Jeder Altar ist also auch ein kleines Heiligengrab. Die völlige Vergeistigung des Christentums ist aber ein typisches Merkmal des 19. Jahrhunderts. Mit den materiellen leibhaften Ursprüngen hat das nichts mehr zu tun. Doch nun zeigen diese Funde – sowohl des Petrusgrabes wie die des Paulusgrabes – eben wieder genau dies: Rom wurde bedeutend, weil es die Gräber der beiden Apostel hatte, egal, was Petrus und Paulus hier noch im Einzelnen gewirkt haben. Entscheidend für die alte Kirche war die Existenz dieser Gräber. Damit waren ihre Ursprünge leibhaftig zu fassen.

Was sagt die Tradition denn sonst noch zu der Identität des Paulusgrabes?

Dass Paulus in Rom geköpft wurde, ist seit Ende des 1. Jahrhunderts bezeugt. Von seinem Grab an der Via Ostiense berichten Quellen aus dem 2. Jahrhundert. Im 4. Jahrhundert ließ Kaiser Konstantin sein Grab auf dem Friedhof mit einer Basilika überbauen, was damals eine schwere Verletzung gegen die antike Sitte der strikten Totenruhe war. All dies deutet auf das Grab des Paulus hin. Denn von einem anderen bedeutenden Toten, für die der Kaiser diesen Konflikt mit der Bevölkerung riskiert hätte, war hier nie die Rede. Es gibt hier aus der Antike keine Konkurrenz zu Paulus. Und seit dem Jahr 394 wurde der Sarkophag, dessen Geheimnis jetzt durch eine erste Sondierung erstmals ein wenig gelüftet wurde, überhaupt nie von der Stelle bewegt. Seit damals blieb der Sarkophag hier verschlossen.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Wie erklären Sie in der aktuellen Debatte eigentlich den Generalverdacht gegen fast jede Überlieferung?

Es gibt seit rund 200 Jahren einen grundsätzlichen Betrugsverdacht gegen die Überlieferung, der manchmal in eine fast schon absurde Verachtung der Tradition umschlägt, wie eben hier, wo fast 2000 Jahre lang selbstverständlich davon ausgegangen wurde, dass Paulus eben dort begraben lag. Oft wischt man vor allem das weg, was einem gefährlich nahekommt. Eine merkwürdige Wut gegen die Tradition wird auch oft dadurch genährt, dass geahnt wird, dass sie Verbindlichkeiten für die Menschen enthält. Dass sie Wahrheiten verkündet, die bis ins erste Jahrhundert zurück reichen, die heute keiner mehr akzeptieren mag. Im Fall des Paulusgrabes ist manche Wut gegen diese Entdeckung also auch oft ein weiteres Indiz für die Bedeutung dieser Funde – und für die Bedeutung der Tradition überhaupt.

Sie sind etymologisch – das heißt in der Herkunft der Begriffe – bewandert. Woher kommt das deutsche Wort Vernunft? Kommt es nicht von vernehmen? Transportiert dieser Kernbegriff der Aufklärung also in sich schon das Vernommene – und nicht so sehr das Erdachte und Ausgeklügelte? Muss demnach nicht also gerade die Tradition noch einmal neu als Rückgrat der Vernunft verstanden werden?

Das ist richtig. Der Begriff der Vernunft beinhaltet in sich die Tradition und Überlieferung. Vernunft ist ursprünglich das Vernommene, so wie die Ankunft das Angekommene umfasst. Ab dem 19. Jahrhundert aber wollte man das anders sehen. Von da an wurde gesagt, die Vernunft sei die aktuelle Offenbarung und alles andere sei nichts mehr wert. Tatsächlich wurde der Begriff der Vernunft damit pervertiert und in einer Weise vergöttlicht, die in der Französischen Revolution darin gipfelte, dass die Jakobiner Mademoiselle Maillard, eine Soubrette der Oper, halbnackt als Allegorie der Vernunft um den Altar von Notre Dame tanzen ließen – als Vorspiel zu dem gut geölten Klacken der Guillotine auf den Plätzen von Paris. So ging es zu mit der ersten Vergöttlichung einer falsch verstandenen Vernunft. Am Ende der Neuzeit stellen wir nun verwundert fest, dass wir nach der Abschaffung aller Traditionen einem praktischen Nihilismus ausgesetzt sind. Der Begriff der Tradition ist darüber zusammengeschrumpft, dass in großen Zeitungen immer noch über Spuren von Marxismus und Materialismus diskutiert wird, als sei nichts geschehen. Gegenüber der christlichen Tradition der Ost- und in der Westkirche ist das allerdings alles sehr, sehr mickrig.

Kommen wir noch einmal zurück auf Paulus. Kann die Entdeckung dem Wissen über Paulus noch irgendetwas hinzufügen, das nicht ohnehin bekannt war?

Bis jetzt wird Paulus fast nur in Fragmenten wahrgenommen. Sünde und Gnade, Glaube und Werke, die Rechtfertigunglehre, das ist es schon fast – im Grunde ist es ein kleines Segment aus dem Römer- und Galaterbrief. Wenn man solche neuen Funde aber wirklich wirken lässt in der Geschichte, dann wird Paulus noch einmal neu leibhaftig. Dann tritt er plötzlich wieder als hochkomplexer Mensch auf uns zu – mit einer enormen Herausforderung.  Der Nachfolger des Apostels Petrus hat es auf dem Petersplatz selbst gesagt: bei Paulus geht es um den Menschen in seiner leibhaftigen Existenz. Das wird durch solche Funde ungemein plastisch. Diese Entdeckung ist ein Korrektiv gegen eine Debatte der letzten 500 Jahre, die von einem eher sehr mageren Dualismus völlig zerfetzt wurde.

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Vatican-Magazin.

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