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"Der Deutsche schaut in den Himmel": Gänswein und Kermani auf dem west-östlichen Diwan

Auch dieser Deutsche schaut in den Himmel: Kurienerzbischof Georg Gänswein bei der Eröffnungsmesse zur Familiensynode am 4. Oktober 2015
Bis auf den letzten Platz war die Residenz der Botschaft gefüllt beim Akademiegespräch zwischen Erzbischof Georg Gänswein und dem Autor Navid Kermani.
Zum "West-Östlichen Diwan" hatte die Deutsche Akademie Villa Massimo zusammen mit der Botschaft der Bundesrepublik am Heiligen Stuhl eingeladen.
Navid Kermani im Jahr 2012

Von der Rolle Marias im Christentum und Islam, über die Volksfrömmigkeit und die oft mangelnde Ästhetik moderner Liturgie, bis hin zu den apokalyptischen Wehen des Nahen Ostens: Einen weiten Bogen haben Kurienerzbischof Georg Gänswein, der Präfekt des päpstlichen Hauses, und der muslimische Schriftsteller Navid Kermani in einem öffentlichen Gespräch in Rom geschlagen. Nach zahlreichen Preisen hat Kermani zuletzt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2015 erhalten. Seine Rede in der Paulskirche beendete er am 18. Oktober mit einem Gebet für die Opfer der Christen- und Muslimenverfolgung durch den IS und andere Hassprediger im Nahen Osten.

Der Dialog trug den Titel von Kermanis Bestseller “Ungläubiges Staunen – Über das Christentum” und fand in der Residenz der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl statt; als gemeinsame Veranstaltung der Vertretung der Bundesrepublik Deutschland mit der Deutschen Akademie Villa Massimo.

Botschafterin Annette Schavan und Akademie-Direktor Joachim Blüher stellten die Gäste vor. Christian Brückner – Synchronstimme von Robert de Niro und der bekannteste Sprecher Deutschlands – las zwei Kapitel aus Kermanis Buch vor.

Deutsche Literatur schaut in den Himmel, auch wenn er leer wird

Diese Vorlesungen über die Madonna im Rosenhag in Köln und Caravaggios Kreuzigung Petri in Rom bildeten das Tableau, vor dem sich der Dialog der beiden Männer in den bis auf den letzten Platz besetzten Räumen entfaltete.

Als Annäherung zum Thema des Glaubens wählte Gänswein denselben Zugang wie  Kermani in seinem jüngsten Buch: “Nicht nur über Dogmen, Rituale und die soziale Struktur der Kirche, sondern über das Bild nähere ich mich dem Glauben als Ganzen und nicht nur einem Bereich, einer Schicht oder einem Ausschnitt an”. Kermani, der schiitische Intellektuelle aus Köln, dessen Eltern aus dem Iran als Emigranten nach Deutschland kamen, habe offensichtlich über den gleichen  Zugang verblüffende Einsichten über das Christentum gewonnen, und offenbar auch eine große Sympathie für den rheinischen Katholizismus.

Kermani antwortete erfrischend bescheiden. Er habe das Buch geschrieben, weil er es gerne lesen wollte und so nicht fand. Deshalb habe er es selber schreiben müssen. Auffällig sei es für ihn, dass die deutsche, die europäische Tradition so tief in der Religion verhaftet sei – ohne dabei immer gleich “orthodox richtig zu sein”, so Kermani. Bis ins 20. Jahrhundert sei speziell die deutsche Literatur mit diesem metaphysischen Wesenszug ausgestattet gewesen. Angelsachsen und die romanische Tradition schauten auf den Menschen. Deutsche in den Himmel, “auch wenn er für manche irgendwann leer wurde”.

Doch heute komme diese religiöse Auseinandersetzung mit der Kunst – in der Zeit der säkularisierten Deutungen – in Deutschland und Europa kaum noch vor. Und auch die “Theologie kümmert sich nicht groß um diesen gewaltigen Schatz, und stellt ihn allenfalls in Museen aus. Säkulare Wissenschaft bekümmert der religiöse Gehalt nicht”, so Kermani, und richtete damit die Frage an den Kurienerzbischof: Wieso kümmere sich die Theologie so wenig um diesen Reichtum an Motiven, Schätzen, Beziehungen der Tradition?

Das sei eine Frage, die eine lange Antwort erfordere, entgegnete Gänswein. “Sie sprechen von der Theologie, ich sprach anfangs vom Glauben. Man muss unterschieden zwischen dem, was der Glaube als Glaube ist, und dem was Theologen dazu sagen oder aus dem Glauben machen”. Die Theologie, mit der er selber groß geworden sei, habe tatsächlich einen Großteil des Glaubens unter den Tisch fallen lassen. Wenn er die wache Beschreibung der Bilder Kermanis lese, werde ihm gewahr, wie sehr die Volksfrömmigkeit, wo „diese Wirklichkeit eine ganz große Rolle spielt von der Theologie als nebensächlich behandelt, und teilweise sogar lächerlich gemacht“ werde. Gänswein wörtlich: “Das tut dem Glauben nicht gut, und den Gläubigen nicht gut”.

Selbstverständlich habe der Glaube viel mit der Ratio, der Vernunft, zu tun, wie Papst Benedikt XVI immer wieder betont habe. “Aber die Ratio deckt nicht das Ganze des Glaubens ab. Wenn die Theologie nur auf der intellektuellen Ebene bleiben will, werden Bereiche ausgeklammert, die für den Glauben lebenswichtig sind. Der Glaube ist Herzensanliegen, der Glaube will durch die Sinne wahrgenommen, gefunden und ausgedrückt werden”, sagte Gänswein. Wenn das die Theologie heute nicht mehr leiste, müsse man fragen, was aus der Theologie geworden sei und wohin die Theologie den Gläubigen führe. Die Verankerung des Glaubens in der Volksfrömmigkeit spiele eine ganz gewaltig große Rolle.

Der persisch-deutsche Gelehrte stimmte dem katholischen Geistlichen zu. “Bei aufgeklärten Christen suche ich fürs Gespräch immer Marienbilder aus, weil ich weiß, dass die damit Schwierigkeiten haben. Das veranschaulicht vielleicht, was sie sagen”. Da werde auch ihm immer die Weisheit der Volksfrömmigkeit neu bewusst, weil sie in Bereiche vordringe, die kein bloßer Gedanke erreicht.

Eine Lanze für die Mariologie

Heute sei es schon schwierig, das Weibliche mit dem Zärtlichen in Verbindung zu bringen, ohne den Vorwurf, man würde Geschlechterrollen zementieren. “Da schrecken manche protestantische Theologinnen auf, wenn man das so formuliert”. Und er wundere sich, dass die Mariologie in der Ausbildung eine verhältnismäßig geringe Rolle spiele:, die viele Katholiken - “vor allem jene, die nicht zur Professorengattung gehören” - so anziehe. Denn auch ihm leuchte „die weibliche Dimension“ des Christentums unmittelbar ein, die ihm, anders als im orthodoxen Islam, schon vom Sufismus sehr vertraut sei.  

“Freue mich, dass sie für die Mariologie eine Lanze brechen. Sie sprechen da mir und sicher manchem aus dem Herzen. Aber sie werden da auch einer großen Phalanx von Kopfschüttlern begegnen”, sagte Erzbischof Gänswein. 

Über die katholisch-muslimische Gemeinsamkeit der Verehrung Marias kamen die beiden auf Jesus Christus zu sprechen, der im Islam als Prophet und „Wort Gottes“  bezeichnet und verehrt wird, der für die Christen der „Sohn Gottes“ ist.

 Wie sich das Gespräch über diese große Nähe, die dennoch Welten trennt, über den Umgang mit Sexualität und Ästhetik und über die „Direttissima“ zur Gotteserkenntnis für den Privatsekretär das Papa Emeritus weiter entwickelte, sehen Sie bei EWTN Deutschland, dem katholischen Fernsehsender, der den Dialog exklusiv aufgezeichnet hat. Weitere Informationen auf www.ewtn.de

(Die Geschichte geht unten weiter)

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