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Der fromme Stratege

Scott Morrison auf seiner ersten Auslandsreise als Premierminister Australiens mit Indonesiens Präsident Joko Widodo am 31. August 2018

Scott Morrison ist nicht nur überzeugter Christ, sondern zeigt auch Flagge. Am Revers des Jacketts von Australiens neuem Premierminister prangt die Fahne als Anstecknadel. „Der Grund dafür ist, dass sie mich jeden Tag daran erinnert, auf wessen Seite ich stehe. Ich stehe auf der Seite des australischen Volkes“, erklärte er am 28. August 2018 – dem Tag, an dem er sein neues Kabinett vorstellte – auf Twitter. Morrison fügte hinzu, dass er jedem seiner Minister auch eine solche Anstecknadel geschenkt habe. Die Botschaft ist klar: Morrison macht einer von innerparteilichen Flügelkämpfen und Putschversuchen gerupften Regierungstruppe klar, für wen sie arbeiten, wem sie eigentlich dienen sollten. Und der australischen Öffentlichkeit sagt er damit: Ich hab's kapiert. Wir müssen jetzt aufhören, uns gegenseitig zu zerfleischen, und endlich an die Arbeit gehen: „It's time to get to work.“ Arbeit gibt es mehr als genug für den 50 Jahre alten Regierungschef und sein Team, vor allem was die Migrationspolitik, Infrastruktur und Energiegewinnung betrifft, aber auch die staubige Dürre, die Regionen von der Größe Europas auf dem australischen Kontinent.

Ob Morrison trotz seiner jungen Jahre überhaupt genug Zeit haben wird, um wirklich die Arbeit anzupacken, ist allerdings die Frage: Das hängt davon ab, ob es ihm gelingt, seine Partei – die konservativen Liberals – hinter sich zu vereinen, und das dann auch noch erfolgreich zu kommunizieren und in sinnvolle Politik umzusetzen. Der fromme Evangelikale, der mit Frau und Kindern eine Kirche der Assemblies of God besucht, hat einerseits einen denkbar ungünstigen Weg zum Amt: Er ist „lachender Dritter“, weil sich zwei andere gestritten haben. Die ideologischen wie machtpolitischen Grabenkämpfe seiner Partei hatten im Putsch gegen den eher liberalen Premierminister Malcolm Turnbull durch den rechten Flügel gemündet, angeführt vom ehemaligen Innenminister Peter Dutton, und unterstützt von einer revoltierenden Gruppe um Ex-Premierminister Tony Abbott. Der Angriff zermürbte Turnbull bis zum Amtsverzicht, disqualifizierte jedoch auch Dutton als Kompromisskandidat, der die Partei vereinen kann. Im vom Westminster-System geprägten Australien ist der Parteichef auch der Regierungschef. Beides zu meistern – das soll nun Morrison gelingen, der als „gemäßigter Rechter“ gilt, und wenn einerseits sein Amtsgewinn etwas unglücklich scheint, so ist andererseits sein persönliches Profil ein denkbar günstiges, ja, es bedeutet eine echte Chance, die Herausforderung anzupacken.

Beobachter des gesamten politischen Spektrums sind sich einig: Nur ein im Ton konziliant-vernünftiger, im Umgang pragmatischer Dompteur, der trotzdem Flagge zeigt, könnte es jetzt noch schaffen, die gerade mal drei Jahre dauernde Amtszeit zu überstehen. Seit John Howard, der von 1996 bis 2007 Premierminister war, hat es keinen Regierungschef mehr gegeben, der sich drei Jahre lang halten konnte. Vor John Howard war es ähnlich: Einer Periode langer Stabilität unter John Menzies, von 1949 bis 1966, waren Jahre des Tumults gefolgt.

Tumultartig geht es auch seit 2007 zu: In den letzten elf Jahren gab es sechs australische Premierminister, und das Vertrauen der Australier in ihre Regierungen ist ob des „Zirkus in Canberra“, über den man in den Pubs und Bistros der Nation landauf, landab den Kopf schüttelt, auf einem Tiefstand.

Ist Scott Morrison nun ein Mann vom Kaliber eines Howard oder Menzies? Die eigene Partei traut es ihm offenbar zu: So ein brillanter Stratege soll Morrison gar sein, dass er von langer Hand seinen Aufstieg geplant hat – behauptete die Senatorin Concetta Fierraventi-Wells am 2. September im Interview mit der öffentlich-rechtlichen ABC. Doch wer daraus eine zynische Instrumentalisierung macht, der kennt Morrison schlecht. Der Familienvater und Polizistensohn aus Sydney ist keiner, der sein Fähnchen um der Macht willen nach dem Wind hängt. So stimmte der Politiker konsequent gegen die nun eingeführte Homo-„Ehe“ im Land.

Klare Linie in der Einwanderungspolitik

Am deutlichsten unter Beweis gestellt hat Morrison seine Fähigkeiten als verantwortlicher Minister einer Migrationspolitik, die im Ergebnis bedeutet, dass seit Jahren kein einziger Migrant oder Bootsflüchtling mehr auf dem illegalen Seeweg über Indonesien ertrunken ist – zuvor waren es Tausende. Erreicht wurde das durch eine so einfache wie knallharte Lösung: Australien lässt nicht zu, dass Schlepper ihre Boote in australisches Territorium bringen. Die Küstenwache fing so lange die Kähne ab, bis die Schmuggler aufgaben. Morrison setzte durch, was John Howard begonnen hatte: Dass Schlepperboote entweder nach Indonesien zurückgebracht werden, oder – wenn etwa das Boot nicht mehr seetüchtig ist – die Passagiere auf Inseln anderer Staaten landen, wo sie in Lagern untergebracht werden. Dafür bezog Morrison mächtige Prügel von der Linken, von NGOs und Presse, allen voran den öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern und Funktionären der Vereinten Nationen. Er blieb freundlich im Ton, aber knallhart in der Sache – und nach kurzer Zeit gaben die Schlepper auf: Heute ist es ungewöhnlich, wenn überhaupt ein einziges Boot erwischt wird. Ertrunken ist schon lange niemand mehr. Gleichzeitig sucht sich Australien seine zahlreichen legalen Migranten sorgfältig aus, und nimmt so viele auf, dass die Millionenmetropolen Melbourne und Sydney dringend einer besseren Infrastruktur bedürfen. Diese Migrationspolitik und mit ihr die Infrastruktur der Zukunft sind somit eine potenzielle Chance für Morrison, innerparteilich wie öffentlich zu punkten: Er bewährt sich als Mann, der auch schwierige Probleme lösen kann, selbst wenn man nicht mit allen Aspekten einverstanden ist. Im pragmatischen Australien eine geschätzte Eigenschaft.

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