Wien, 04 Juni, 2019 / 10:31 AM
Mehr und mehr Menschen leben allein – und könnten neuen Studien zufolge Gefahr laufen, eher an Depression und anderen psychischen Erkrankungen zu leiden.
Das berichtet das Wiener Institut für Medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) in der neuen "Bioethik Aktuell".
Einen Zusammenhang zwischen einer steigenden Zahl der Einpersonenhaushalte mit mehr psychischen Erkrankungen legt zumindest eine Studie der Universität Versailles Saint-Quentin-en-Yvelines nahe, berichtet das Deutsche Ärzteblatt.
Wie das Forscherteam um Louis Jacob berichtet, haben Alleinlebende 1,5- bis 2,5-mal eher eine der häufigsten psychischen Erkrankungen als andere Menschen, darunter Depressionen oder Angst- und Zwangsstörungen.
Dabei sind alle Altersgruppen und Geschlechter betroffen, wie die Wissenschaftler betonen. Die Studie zeige jedoch nicht, ob das Alleinleben Ursache dieser Erkrankungen ist. Auch die zeitliche Reihenfolge wurde nicht untersucht. Einen statistischen Zusammenhang zwischen dem Alleinleben und Erkrankungen gab es jedoch vor allem bei jenen Menschen, die sich einsam fühlten.
Das Forscherteam nutzte die Daten von 20.500 Menschen aus England, die 1993, 2000 und 2007 an einer nationalen Erhebung teilgenommen hatten. In den drei Jahren stieg der Anteil der Einpersonenhaushalte von 8,8 auf 9,8 und schließlich 10,7 Prozent. Zugleich stieg die Rate an häufigen psychischen Erkrankungen von 14,1 auf 16,3 und 16,4 Prozent. In allen drei Umfragen war ein statistischer Zusammenhang zwischen dem Alleinleben und der Verbreitung psychischer Erkrankungen feststellbar.
Europaweit leben 33 Prozent der Menschen in "Single-Haushalten". Nach Angaben der deutschen Bundesregierung Ende Mai 2019 hat in Deutschland die Einsamkeitsquote bei den 45- bis 84-Jährigen von 2011 bis 2017 um insgesamt rund 15 Prozent zugenommen.
Vor allem ältere Menschen leben zunehmend ohne Familie. So fühlten sich vor acht Jahren 5,1 Prozent der 65- bis 74-Jährigen einsam, nach neuesten Angaben sind es bereits 8,1 Prozent.
Die gesundheitlichen Folgen sozialer Isolation werden zunehmend in Studien untersucht. So ergab etwa 2015 eine US-amerikanische Meta-Analyse, dass allein schon das Gefühl, einsam zu sein, das Sterblichkeitsrisiko um 26 Prozent erhöht. Objektive Einsamkeit durch soziale Isolation bzw. die fehlende Einbettung in ein Gemeinschaftsgefüge sowie Alleinleben hätten noch schlimmere Auswirkungen auf die Gesundheit als das subjektive Gefühl von Einsamkeit. Hier steige das Sterberisiko um 29 bzw. 32 Prozent, so "Bioethik aktuell".
Für den Psychologen Jürgen Margraf von der Universität Bochum ist das Thema Einsamkeit immer noch schambesetzt – obwohl die negativen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit bekannt seien: "Stabile und vertrauensvolle soziale Beziehungen sind der beste Schutz für die psychische und auch körperliche Gesundheit."
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