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Kommentar: Warum leiden Kinder?

Die Frage, warum Gott Leid zulässt, ist eine der schwierigsten Herausforderungen für die Theologie – auch und gerade bei Kindern.

Vor kurzem hat Papst Franziskus eine internationale Gruppe von Kindern empfangen, die ihm all die Fragen stellen durften, die ihnen am Herzen lagen. Da ging es zum Beispiel darum, was ihm an seinem Beruf am besten gefalle, und wie er beten würde. Der Papst hat dabei festgestellt, dass Kinderfragen, die in ihrer direkten Art herausfordernd und anspruchsvoll sind, schwieriger zu beantworten seien als die vieler Professoren. Aber gerade jene helfen uns, innerlich zu wachsen und zu reifen. Und so hat Franziskus es gewagt, am Ende seines Treffens mit den kleinen Christen ihnen und sich selbst ein Problem vorzulegen, dass auch die großen und größten Theologen nicht immer befriedigen lösen können. Warum gibt es – wenn Gott doch die Menschen mehr als Vater und Mutter liebt – so viel Leid in der Welt? Oder mit den Worten des russischen Schriftstellers Dostojevski, den der Papst in diesem Zusammenhang zitierte: "Warum leiden die Kinder?" Ja, warum leiden die Unschuldigen und oft gerade die, die doch das Recht auf eine friedliche, gesunde und sorgenfreie Zukunft hätten? Auch der Papst, so Franziskus, "der doch oft alles zu wissen und tun zu können scheine, habe hier keine Antwort." Die einzige Sache, die ihm in dieser Frage Licht gebe, "sei der Blick auf das Kreuz Jesu". Der Papst hat Recht: Auf Golgotha wird der unschuldigste aller Menschen brutal ermordet. Selbst der leiseste Schrei eines Kindes, das heute verlassen in den Gassen Kalkuttas stirbt, findet im Stöhnen des Gekreuzigten seinen Widerhall. Und umgekehrt ist jeder Schmerzensschrei in dieser Welt nichts anderes als das Echo jener flehenden Seufzer des Mannes, der vor 2000 Jahren vor den Toren Jerusalems gestorben ist, um die Menschheit zu erlösen.

Liebend leiden, leidend lieben

Das Kreuz ist eine Provokation. Auf das Kreuz zu blicken heißt, sich der bohrenden Frage auszusetzen: "Warum?" Bald werden in unseren Kirchen die Kreuze unter violetten Tüchern verschwinden. Fast könnte man meinen, es ginge darum, den Blick auf den unschuldig Leidenden nicht mehr aushalten zu müssen, aber in Wahrheit bereitet dieser Brauch nur die Liturgie des Karfreitags vor, an dem das Kruzifix feierlich enthüllt und den Gläubigen gezeigt wird. Das Kreuz offenbart den Abgrund menschlichen Leidens und doch – und vor allem! – den Gipfel göttlicher Liebe. Angesichts von Leid und Schmerz dürfen wir schreien: "Gott, das ist zu viel des Leidens! Wo bist Du?" – und Gott wird uns in eben diesem Kreuz zurufen: "Mensch, für Dich scheint es mir noch zu wenig der Liebe! Wo bist Du?"

Das Kreuz offenbart Gottes Liebe. Das zu erkennen ist ein Akt des Glaubens, letztlich ein Geschenk Gottes. Das Kreuz ist aber auch Aufruf an uns, diese Liebe, die uns hier gezeigt wird, nachzuahmen, denn wir Christen können und dürfen das Leiden, zumal das der anderen, nicht einfach rechtfertigen, als ob man dieses Übel um seiner selbst willen annehmen oder gar lieben könnte. Das tut auch Gott nicht. Wie unmenschlich und unchristlich wäre es, von den Jüngern Jesu, die unter ihrer Last straucheln, stoische Ruhe zu erwarten. Christus hat geweint und geschrien (vgl. Hebr 5, 7), aus Angst Blut geschwitzt und in seiner Not gebeten, den bitteren Kelch nicht trinken zu müssen (vgl. Lk 22, 42ff.). Und doch ist er tapfer den ganzen Weg gegangen, weil er uns liebte. Und auch wir können diesen steilen Pfad nur gehen – und deshalb beten wir in diesen Tagen der Fastenzeit den Kreuzweg – wenn wir ihn lieben. Wenn wir weiterstolpern und nicht aufgeben, obwohl doch alles sinnlos erscheinen mag, gelingt das nur, wenn wir mit dem heiligen Johannes sagen können: "Wir haben der Liebe geglaubt" (vgl. 1 Joh 4, 16).

Die Kraft der zwei Herzen

Niemand bleibt Leiden erspart – mag es schwer oder leicht sein. Das ist unser Menschsein, für und Christen aber noch mehr: Das Kreuz ist unsere Berufung! "Die Dämonen leiden ohne zu lieben. Die Engel lieben ohne zu leiden. Wir Menschen aber sollen in dieser Welt lieben und leiden. Das ist unser Auftrag. Natürlich kann das Leid verbittern. Leiden ohne Liebe ist die Hölle – im wahrsten Sinne des Wortes. Aber leiden und dennoch lieben ist eine Kraft, die den Himmel auf die Erde herabzieht. […] Auf den Schultern des Liebenden, wandelt sich das Kreuz vom Marterpfahl zum Werkzeug der Erlösung. Die Liebe macht das Symbol des Todes zum Zeichen des Lebens" (Via Dolorosa). Wenn wir lieben, dann nehmen wir dem Leid seine zerstörerische Kraft, die Feindschaft und Verbitterung bringen kann. Wenn wir leiden, dann beweisen wir, dass Liebe mehr ist als ein schönes Gefühl. Ein Medikament wirbt mit "der Kraft der zwei Herzen" – Liebe und Leid, Jesus und ich, sein Herz und meins – das ist die Medizin für mich, für diese Welt.

Der Papst ist mutig, wenn er es Kindern zu-mutet, auf das Leid in dieser Welt zu blicken, das ein guter Gott zulässt. Aber vielleicht verstehen diese Kleinen, die Jesus im Evangelium lobt (vgl. Mt 11. 25) , besser als wir Großen das Geheimnis der Liebe, das sich im Kreuz verbirgt. Franziskus hat Recht: Im Hören und Schauen auf die Kinder sind plötzlich wir es, die innerlich wachsen und reifen können. 

Lektüre zur Fastenzeit: Florian Kolfhaus, Via Dolorosa. Dominus-Verlag. Augsburg.

 

 

 

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