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"Einfacher Priester der Kirche" – und Kardinal: Der Prediger des Papstes im Interview

Der Prediger des Papstes, Pater Raniero Cantalamessa, im Petersdom am Karfreitag, 30. März 2018.

Seit über 60 Jahren predigt Pater Raniero Cantalamessa als Priester das Wort Gottes  – und er beabsichtigt, dies auch weiterhin zu tun. Er bereitet sich darauf vor, in der nächsten Woche den roten Hut des Kardinals zu erhalten.

"Mein einziger Dienst für die Kirche besteht darin, das Wort Gottes zu verkünden, deshalb glaube ich, dass meine Ernennung zum Kardinal eine Anerkennung der lebenswichtigen Bedeutung des Wortes für die Kirche ist, mehr als eine Anerkennung meiner Person", sagte der Kapuziner gegenüber der CNA am 19. November.

Der 86-jährige Ordensmann wird einer der 13 neuen Kardinäle sein, die Papst Franziskus am 28. November in einem Konsistorium kreieren wird. Und obwohl es üblich ist, dass ein Priester zum Bischof geweiht wird, bevor er den "roten Hut" erhält, hat Cantalamessa Papst Franziskus gebeten, "ein einfacher Priester" zu bleiben können.

Da er über 80 Jahre alt ist, wird Cantalamessa, der vor den Konklaven 2005 und 2013 zum  Kardinalskollegium gesprochen hat, nicht selbst in einem zukünftigen Konklave wählen.

Die Wahl in das Kardinalskollegium wird in seinem Fall als Anerkennung seines treuen Dienste – über vier Jahrzehnte – als Prediger des päpstlichen Haushaltes gewertet.

Doch der Kapuziner, der vor drei Päpsten, Königin Elisabeth II., vielen Bischöfen und Kardinälen sowie zahllosen Laien und Ordensleuten gepredigt nud Betrachtungen gehalten hat, will einfach "weitermachen" – solange wie der Herr es ihm erlaube.

Die christliche Verkündigung erfordert immer eines: Offenheit für den Heiligen Geist, so Cantalamessa in einem E-Mail-Interview mit CNA. Wer das ignoriert, der wird versucht, das Wort Gottes für kontingente, persönliche oder kollektive Zwecke auszunutzen".

Sein Rat für eine gute Predigt?

Niederknien vor Gott und Ihn fragen, "welches Wort er für sein Volk zum Klingen bringen will".

Hier ist das vollständige CNA-Interview mit Pater Raniero Cantalamessa OFM. 

Ist es wahr, dass Sie darum gebeten haben, nicht zum Bischof geweiht zu werden, bevor Sie zum Kardinal im kommenden Konsistorium ernannt werden? Warum haben Sie den Heiligen Vater um diese Dispens gebeten? Gibt es einen Präzedenzfall?

Ja, ich habe den Heiligen Vater um eine Dispens von der Bischofsweihe gebeten, die das Kirchenrecht für diejenigen vorsieht, die zum Kardinal gemacht werden. Der Grund dafür ist ein doppelter. Das Bischofsamt bezeichnet, wie der Name selbst sagt, das Amt der Person, die für die Beaufsichtigung und Versorgung eines Teils der Herde Christi verantwortlich ist. Nun gibt es in meinem Fall keine pastorale Verantwortung, so dass der Bischofstitel ein Titel ohne den entsprechenden Dienst, den er impliziert, gewesen wäre. Zweitens möchte ich Kapuzinerbruder bleiben, in jeder Hinsicht, und die Bischofsweihe hätte mich kirchenrechtlich davon entfernt.

Ja, es hat einige Präzedenzfälle für meine Entscheidung gegeben. Mehrere Ordensleute, die wie ich über 80 Jahre alt waren und den Kardinalsrang als Ehrung erhielten, haben die Dispens von der Bischofsweihe beantragt und erhalten, ich glaube aus den gleichen Gründen wie ich. (Henri De Lubac, Paolo Dezza, Roberto Tucci, Tomáš Špidlík, Albert Vanhoye, Urbano Navarrete Cortés, Karl Josef Becker).

Wird es Ihrer Meinung nach Ihr Leben ändern,  zum Kardinal gemacht zu werden? Was werden Sie tun, nachdem Sie diese Ehrung erhalten haben?

Ich glaube, es ist der Wunsch des Heiligen Vaters – wie auch meinerseits -, weiter als franziskanischer Ordensmann und Prediger zu leben. Mein einziger Dienst für die Kirche besteht darin, das Wort Gottes zu verkünden. Daher glaube ich, dass meine Ernennung zum Kardinal mehr eine Anerkennung der lebenswichtigen Bedeutung des Wortes für die Kirche ist, als eine Anerkennung meiner Person. Solange der Herr mir die Gelegenheit dazu gibt, werde ich weiterhin der Prediger des päpstlichen Hauses sein, denn das ist die eine Sache, die von mir verlangt wird, auch als Kardinal.

Haben Sie im Laufe Ihrer vielen Jahre als päpstlicher Prediger Ihren Ansatz oder den Stil Ihrer Predigten geändert?

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Ich wurde 1980 von Johannes Paul II. in dieses Amt berufen, und 25 Jahre lang hatte ich das Privileg, jeden Freitagmorgen in der Advents- und Fastenzeit ihn als Zuhörer zu haben. Benedikt XVI. (der auch als Kardinal bei den Predigten immer in der ersten Reihe stand) bestätigte mich 2005 in dieser Rolle, und Papst Franziskus tat dies auch 2013. Ich glaube, dass in diesem Fall die Rollen vertauscht sind: Es ist der Papst, der wahrhaftig eine Predigt vor mir und der ganzen Kirche hält, indem er trotz seines immensen Haufens von Verpflichtungen die Zeit findet, einem einfachen Priester der Kirche zuzuhören.

Das Amt, das ich bekleidet habe, hat mir aus erster Hand ein Merkmal des Wortes Gottes verständlich gemacht, das von den Kirchenvätern häufig hervorgehoben wurde: seine Unerschöpflichkeit (inexhaustus war das von ihnen benutzte Adjektiv), das heißt, seine Fähigkeit, immer neue Antworten zu geben, je nach den Fragen, die in dem historischen und sozialen Kontext, in dem es gelesen wird, gestellt werden.

Seit 41 Jahren halte ich die Karfreitagspredigt zur Liturgie der Passion Christi im Petersdom. Die biblischen Lesungen sind immer die gleichen, aber ich muss sagen, dass es mir nie schwer gefallen ist, in ihnen eine bestimmte Botschaft zu finden, die auf den historischen Moment reagiert, den die Kirche und die Welt durchlebt haben; in diesem Jahr war es die Coronavirus-Pandemie.

Sie fragen mich, ob sich in vielen Jahren mein Stil und mein Umgang mit dem Wort Gottes geändert hat. Gewiss! Der heilige Gregor der Große sagte: "Die Schrift wächst mit dem, der sie liest", das heißt, sie wächst in dem Maße, in dem sie gelesen wird. In Jahren fortschreitend, schreitet man auch im Verständnis des Wortes voran. Im Allgemeinen besteht die Tendenz zu einer größeren Wesentlichkeit, d.h. zu der Notwendigkeit, immer näher und näher an die Wahrheiten heranzukommen, die wirklich wichtig sind und die unser Leben verändern.

Zusätzlich zur Predigt im Päpstlichen Haushalt hatte ich in all diesen Jahren die Gelegenheit, zu allen möglichen Zuhörern zu sprechen: von einer Sonntagspredigt vor etwa 20 Menschen in der Einsiedelei, in der ich lebe, bis zur Westminster Abbey, wo ich 2015 vor der Generalsynode der Anglikanischen Kirche in Anwesenheit von Königin Elizabeth und Primas Justin Welby sprach. Das hat mich gelehrt, mich auf alle Arten von Zuhörern einzustellen.

Eines bleibt in jeder Form der christlichen Verkündigung identisch und notwendig, auch in der Verkündigung durch die Mittel der sozialen Kommunikation: der Heilige Geist! Ohne ihn bleibt alles eine "Weisheit der Worte" (1. Korinther 2,1). Daraus ergibt sich die Notwendigkeit für jeden Boten, eine große Offenheit für den Geist zu pflegen. Nur so können wir menschlichen Begründungen entgehen, die immer versuchen, das Wort Gottes für kontingente, persönliche oder kollektive Zwecke auszunutzen. Das wäre "Verwässerung" oder, einer anderen Übersetzung zufolge, würde es bedeuten, "Geschäfte mit" dem Wort Gottes (2. Korinther 2,17) zu machen.

Welchen Rat würden Sie Priestern, Ordensleuten und anderen katholischen Predigern geben? Was sind die wichtigsten Werte, die notwendigen Elemente, um gut zu predigen?

Es gibt Ratschläge, die ich oft denen gebe, die das Wort Gottes verkünden müssen, auch wenn ich nicht immer gut darin bin, mich selbst daran zu halten. Ich sage, es gibt zwei Möglichkeiten, eine Predigt oder irgendeine Art von Verkündigung vorzubereiten. Sie können sich hinsetzen und das Thema auf der Grundlage Ihrer Erfahrungen und Kenntnisse wählen; dann, wenn der Text vorbereitet ist, gehen Sie auf die Knie und bitten Gott, seine Gnade in Ihre Worte einfließen zu lassen.

Das ist eine gute Sache, aber es ist keine prophetische Methode. Um prophetisch zu sein, muss man das Gegenteil tun: Zuerst muss man auf die Knie gehen und Gott fragen, welches Wort er für sein Volk zum Klingen bringen will. In der Tat gibt es für jede Gelegenheit ein passendes Wort Gottes, und er offenbart es seinem Diener – wenn dieser ihn demütig und eindringlich darum bittet.

Am Anfang wird es nur eine kleine Bewegung des Herzens sein, ein Licht, das sich im Verstand entzündet, ein Wort der Heiligen Schrift, das die Aufmerksamkeit auf sich zieht und Licht auf eine gelebte Situation oder ein Ereignis in der Gesellschaft wirft. Es scheint nur ein kleines Samenkorn zu sein, aber es enthält das, was die Menschen in diesem Moment hören müssen; manchmal enthält es einen Donner, der sogar die Zedern des Libanon erschüttert. Danach kann man sich an den Tisch setzen, seine Bücher aufschlagen, Notizen zu Rate ziehen, seine Gedanken sammeln und ordnen, die Kirchenväter, die Lehrer, manchmal die Dichter konsultieren; aber jetzt ist es nicht mehr das Wort Gottes, das im Dienst Ihrer Kultur steht, sondern Ihre Kultur, die im Dienst des Wortes Gottes steht. Nur auf diese Weise manifestiert das Wort seine innere Kraft und wird zu jenem "zweischneidigen Schwert", von dem die Schrift spricht (Hebräer 4,12). 

Übersetzt und redigiert aus dem Original der CNA Deutsch-Schwesteragentur. 

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