Am ersten Tag des neuen Jahres nehmen sehr persönliche Wünsche Gestalt an. Wir schauen hinaus auf das, was vor uns liegt und uns erwartet – uns selbst und besonders jene, die unserem Herzen nahe sind. Unsere Hoffnungen bleiben oft horizontal: ein gutes Neues Jahr wünschen wir, aber was heißt das? Ist das nicht für jeden etwas anderes? Wir denken an das Jahr 2022 und mögen doch vielleicht auf Ausblicke nach droben nicht verzichten. Ja, mehr noch: Die Hoffnungsgemeinschaft derer, die im Glauben und im Credo der Kirche verwurzelt sind, umspannt Himmel und Erde. Diese Hoffnung liegt jenseits von Einzelgängertum, von der Autonomie der Person und allen Formen des Existenzialismus.

Benedikt XVI. hat in seiner Enzyklika „Spe salvi“ dargelegt, dass die christliche Hoffnung mitnichten etwas bloß Subjektives ist. Sie sei eben nicht „purer Individualismus, der die Welt ihrem Elend überlasse und sich ins private ewige Heil geflüchtet habe“. Wie Henri de Lubac gezeigt habe, am Beispiel der Kirchenväter, werde das Heil, das uns verheißen ist und wir zu verkünden gerufen sind, als „gemeinschaftliche Wirklichkeit“ angesehen: „Und so erscheint "Erlösung" gerade als Wiederherstellung der Einheit, in der wir neu zusammenfinden in einem Einssein, das sich in der weltweiten Gemeinschaft der Gläubigen anbahnt.“ 

Der Christ lebt, glaubt, hofft und liebt nicht für sich allein. Er richtet sich auf das „Wir“ aus und möchte teilhaben an dieser Gemeinschaft, die das „wirkliche Leben“ ist, im Volk, ja in der Familie Gottes: „Es setzt gerade den Exodus aus dem Gefängnis des eigenen Ich voraus, weil nur in der Offenheit dieses universalen Subjekts sich auch der Blick auf den Quell der Freude, auf die Liebe selbst – auf Gott – eröffnet.“ Zugleich geboten ist eine angemessene Weltgestaltung, etwa die Bekräftigung des Rechts – denken wir an den bedrohten Lebensschutz in unserer Zeit. Es ging damals, es geht heute darum, „die wirklich tragfähigen Grundlagen dieser Lebens- und Friedensgemeinschaft zu stärken“. Diese Aufgaben sind mitnichten individualistisch. Eine „positive Weltgestaltung“ könne dort nicht gedeihen, so Benedikt, „wo die Seelen verwildern“.

Heute können wir die schändlichen Folgen sehen, die eine vermeintliche Aufklärung mit sich gebracht hat – vom hedonistischen Körperkult bis hin zu einer ausgreifenden Sexualisierung der Gesellschaft. Viele Menschen dieser Zeit halten sich für vernünftig und frei. Doch was heißt das? Wir nehmen Signaturen einer Fortschritts- und Wissenschaftsgläubigkeit wahr. Haben auch wir Christen vielleicht das Vertrauen auf Gott verloren und die Hoffnung auf den verheißenen Himmel preisgegeben?

Benedikt schreibt: „So stehen wir neu vor der Frage: Was dürfen wir hoffen? Eine Selbstkritik der Neuzeit im Dialog mit dem Christentum und seiner Hoffnungsgestalt ist notwendig. In einem solchen Dialog müssen auch die Christen im Kontext ihrer Erkenntnisse und Erfahrungen neu lernen, worin ihre Hoffnung wirklich besteht, was sie der Welt zu bringen und nicht zu bringen haben.“

Die Christen sind nämlich nicht die Baumeister einer perfekten säkularen Welt. Sie müssen auch nicht den vermeintlichen Erfordernissen und Notwendigkeiten dieser Zeit dienen. Gerade am Anfang des neuen Jahres mag uns so deutlich werden, dass wir zu Boten der Hoffnung bestellt sind, denen eine eigentlich ganz einfache Botschaf mitgegeben ist, nämlich die Frohe Botschaft. So dürfen wir die Kirche als Hoffnungsgemeinschaft verstehen, „um ihr wahres Wesen und ihre Sendung zu erfüllen“. Wir beten in der jeder heiligen Messe: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ Auch am Beginn des Jahres 2022 wissen wir von innen her: An Gottes Segen ist alles gelegen. Und wir sind und bleiben ganz in Gottes Hand, eingebettet in die Hoffnungsgemeinschaft Kirche. Ist das nicht schön? Darum dürfen wir hoffen – auf Sein Reich und das Ewige Leben, auf den verheißenen Himmel, dem wir gläubig entgegengehen.

Die Geistlichen Betrachtungen zu den Enzykliken Papst Benedikt XVI. finden Sie hier im Überblick.

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