Angesichts der verstörenden Signaturen dieser Zeit – und wir alle sind tief erschüttert von dem Krieg in der Ukraine – ist es nicht müßig, sondern wichtig, sich mit den Schriften des Lehramtes geistlich zu befassen und so auch heute den Blick auf die Sozialenzyklika „Caritas in veritate“ zu richten, ohne die Sorgen und Nöte unserer Zeit zu vergessen.

Benedikt XVI. spricht mit Thomas von Aquin von der eminenten Wichtigkeit der „Achtung vor dem Leben“. Dies geht einher mit der Würde des Menschen, die unbedingt schützenswert ist. Wer von der „Entwicklung der Völker“ spreche, wer Armut lindern möchte, der dürfe von der „Annahme des Lebens“ nicht schweigen: „Nicht nur die Situation der Armut verursacht noch in vielen Regionen hohe Quoten der Kindersterblichkeit, sondern in verschiedenen Teilen der Welt gibt es weiterhin Praktiken der Bevölkerungskontrolle durch die Regierungen, die oft die Empfängnisverhütung verbreiten und sogar so weit gehen, die Abtreibung anzuordnen.“

Benedikt wendet sich entschlossen gegen die „lebensfeindlichen Gesetzgebungen“ in Ländern, die sich für hochentwickelt und kulturell bedeutend halten. Es gebe eine „geburtenfeindliche Mentalität“. Häufig werde versucht, sie auf „andere Staaten zu übertragen, als stelle sie einen kulturellen Fortschritt dar“. So schreibt der Papst 2009 markant und deutlich: „Einige Nichtregierungsorganisationen arbeiten aktiv für die Verbreitung der Abtreibung und fördern manchmal in den armen Ländern die Entscheidung für die Praxis der Sterilisierung, auch bei Frauen, die sich der Bedeutung des Eingriffs nicht bewußt sind. Außerdem besteht der begründete Verdacht, daß gelegentlich die Entwicklungshilfe selbst an bestimmte Formen der Gesundheitspolitik geknüpft wird, die de facto die Auferlegung starker Geburtenkontrollen einschließen. Besorgniserregend sind ferner Gesetzgebungen, welche die Euthanasie vorsehen, und ebenso beunruhigend auch der Druck von nationalen und internationalen Gruppen, die deren rechtliche Anerkennung fordern.“

Es mutet tatsächlich absurd und wie ein Ausweis geistiger Konfusion an, wenn der Lebensschutz vergessen und konterkariert wird. Wir sehen dieses traurige Phänomen weltweit, heute vielleicht noch mehr als 2009. So betont Benedikt: „Die Offenheit für das Leben steht im Zentrum der wahren Entwicklung. Wenn eine Gesellschaft den Weg der Lebensverweigerung oder -unterdrückung einschlägt, wird sie schließlich nicht mehr die nötigen Motivationen und Energien finden, um sich für das wahre Wohl des Menschen einzusetzen. Wenn der persönliche und gesellschaftliche Sinn für die Annahme eines neuen Lebens verlorengeht, verdorren auch andere, für das gesellschaftliche Leben hilfreiche Formen der Annahme. Die Annahme des Lebens stärkt die moralischen Kräfte und befähigt zu gegenseitiger Hilfe. Wenn die reichen Völker die Offenheit für das Leben pflegen, können sie die Bedürfnisse der armen Völker besser verstehen, die Verwendung ungeheurer wirtschaftlicher und intellektueller Ressourcen zur Befriedigung egoistischer Wünsche bei den eigenen Bürgern vermeiden und stattdessen gute Aktionen im Hinblick auf eine moralisch gesunde und solidarische Produktion fördern, in der Achtung des Grundrechtes jedes Volkes und jedes Menschen auf das Leben.“

Die Kritik des herzlosen Egoismus benennt Benedikt XVI. deutlich. Damit übt er auch in der Enzyklika „Caritas in veritate“ Kritik an der Herrschaft des Relativismus, in der alles – auch die unantastbare Würde des Menschen und der unbedingte Schutz des Lebens bis zum letzten Atemzug – zur Disposition gestellt wird.  

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