In den letzten anderthalb Wochen war ich im polnischen Krakau, um beim Tertio Millennio Seminar über die katholische Soziallehre zu dozieren. Seit 2006 komme ich jeden Juli in diese Stadt, und obwohl mein Polnisch erbärmlich ist, habe ich die Stadt gut kennengelernt.

Auf den ersten Blick scheint Krakau so zu sein wie immer. Auf den Straßen herrscht das übliche geschäftige Treiben. Aber es gibt weniger ausländische Touristen als in den vergangenen Jahren. Bei einem Spaziergang durch die Altstadt wird deutlich, dass viele, die wie "Einheimische" aussehen, in Wirklichkeit ukrainische Flüchtlinge sind.

Der Krieg in der benachbarten Ukraine ist in aller Munde. In den Monaten seit Beginn der russischen Invasion sind mehr als drei Millionen ukrainische Flüchtlinge über die Grenze nach Polen geströmt. Allein in und um Krakau sollen sich etwa 200.000 davon aufhalten. Die unmittelbare Sorge gilt hier weniger der Aussicht auf russische Panzer, welche die Grodzka-Straße hinunterrollen, als vielmehr der Frage, was mit dem massiven Zustrom von Neuankömmlingen geschehen soll.

Für die Krakauer, mit denen ich gesprochen habe, stand es nie in Frage, dass Polen seine Grenzen für die Kriegsflüchtlinge öffnen würde. Ein polnischer Freund hat bereits vier verschiedene ukrainische Familien bei sich aufgenommen. Gruppen wie die Kolumbus-Ritter (Knights of Columbus), die im Land immer stärker vertreten sind, haben bei der Aufnahme und Abfertigung von Flüchtlingen heldenhafte Arbeit geleistet.

Aber die Aufnahme von mehr als drei Millionen Flüchtlingen in einem Land mit einer Vorkriegsbevölkerung von etwa 38 Millionen ist eine große Aufgabe. Je länger der Krieg andauert, desto länger bleiben die Flüchtlinge in Polen, und desto dringlicher und komplizierter werden die Herausforderungen.

Da der Ukraine von der EU ein Notstandsstatus zuerkannt wurde, sind die Ukrainer mehr oder weniger vollständig in die polnischen Sozialversicherungsprogramme integriert. Das bedeutet, dass die Flüchtlinge Zugang zu wichtigen Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung, Schulen und staatlichen Leistungen haben. All das hat die Situation für die Millionen von vertriebenen Ukrainern erleichtert, aber es hat seinen Preis. Wie so oft treffen diese Kosten diejenigen am härtesten, die sie sich am wenigsten leisten können.

Ein Freund aus dem westpolnischen Breslau erzählte mir, dass es in seiner Stadt Proteste von einkommensschwachen Polen gab, die seit Jahren auf Wohngeld warten und wenig Geduld mit den Ukrainern haben, die sich ihrer Meinung nach bei der staatlichen Hilfe "vorne anstellen" können. Polnische Beamte haben die EU um finanzielle Unterstützung bei der Bewältigung der Flüchtlingssituation ersucht, aber die angebotene Hilfe hat bisher nicht annähernd den Bedarf gedeckt.

Vorübergehende Unterkünfte oder die Unterbringung ukrainischer Kinder in polnischen Schulen sind eine Sache, aber die Aufnahme – geschweige denn die Integration – einer so großen Zahl von Menschen ist eine gewaltige Aufgabe. Wie kann man kurzfristig die grundlegende Infrastruktur aufbauen? Und was geschieht mit all den neuen Wohnungen und Schulen, wenn in einigen Monaten oder Jahren ein großer Teil der Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehrt? Selbst in den rosigsten Szenarien werden die Beeinträchtigungen des sozialen und wirtschaftlichen Lebens erheblich sein und wahrscheinlich weit über das Ende der Feindseligkeiten in der Ukraine hinaus andauern.

In Orten wie Krakau treiben das begrenzte Angebot und die hohe Nachfrage die Wohnungspreise seit Jahren in die Höhe. Die Inflation ist überall ein Problem, aber in Polen ist sie besonders schlimm und liegt derzeit bei 14 Prozent. All diese Herausforderungen, so entmutigend sie auch sein mögen, verblassen im Vergleich zu dem, womit die Ukrainer konfrontiert sind – sowohl diejenigen, die noch immer in der vom Krieg zerrütteten Ukraine leben, als auch diejenigen, die als Flüchtlinge im Ausland leben.

Diese Realität geht auch an den Polen nicht spurlos vorüber. Doch angesichts der allgemein steigenden Preise und der Aussicht auf einen Winter, in dem die Gaspreise aufgrund des Krieges und der Sanktionen in die Höhe schnellen, werden die herzliche Aufnahme und das Wohlwollen, das Polen seinen östlichen Nachbarn entgegengebracht hat, in den kommenden Monaten auf die Probe gestellt werden.

Größere Störungen wie die, mit denen Polen derzeit konfrontiert ist, können sich gegenseitig verstärken, und das katholische Polen stand schon vor dem Krieg in der Ukraine vor großen Aufgaben.

Die Säkularisierung ist eine sehr reale Herausforderung. Während der Heroismus, den die polnische Kirche während des Kommunismus und des Pontifikats von Papst Johannes Paul II. gezeigt hat, immer mehr in Vergessenheit gerät, sieht die Realität des Lebens in der polnischen Kirche heute ganz anders aus als das Bild des polnischen Katholizismus, mit dem viele Amerikaner – insbesondere diejenigen unter uns, die älter als 30 oder 40 Jahre sind – aufgewachsen sind.

In den letzten Jahren wurden gegen mehr als ein Dutzend polnische Bischöfe Untersuchungen des Vatikans wegen sexuellen Missbrauchs oder Nachlässigkeit im Umgang mit Missbrauchsfällen eingeleitet. Die meisten dieser Untersuchungen führten zu Disziplinarmaßnahmen oder Rücktritten. Die bekannteste dieser Untersuchungen betraf Kardinal Stanislaw Dziwisz, den ehemaligen Erzbischof von Krakau und ehemaligen Sekretär von Papst Johannes Paul II. Sowohl die zivilen als auch die kirchlichen Behörden haben Dziwisz von jeglichem Fehlverhalten freigesprochen, aber der Hauch eines Skandals ist nicht so leicht von der Hand zu weisen.

Ein kürzlich von der polnischen Journalistin Paulina Guzik produzierter Dokumentarfilm erforscht das Erbe des Umgangs von Papst Johannes Paul II. mit sexuellem Missbrauch durch Geistliche. Er ist sehr gut gemacht und behandelt eine komplizierte Geschichte mit Geschick und Ehrlichkeit. (Ich bin voreingenommen: Paulina ist eine gute Freundin und ich komme in dem Film vor.) Aber die Tatsache, dass ein polnischer Film, der das Erbe des heiliggesprochenen polnischen Papstes verteidigt, überhaupt notwendig ist, sagt etwas über den Zustand der polnischen Kirche aus.

Noch vor einem Jahrzehnt entfiel fast ein Drittel aller neuen Priesterberufungen in Europa auf Polen. Obwohl die Zahl der Priester- und Ordensberufungen im Vergleich zum übrigen Europa und zum Westen nach wie vor hoch ist, geht sie seit einiger Zeit stetig zurück. Was mit der Kirche in Polen geschieht, ist von großer Bedeutung für die Weltkirche.

Da die Zeit und das Weltgeschehen eine immer größere Distanz zwischen dem polnischen Katholizismus des letzten Jahrhunderts und dem von heute schaffen, wird die Herausforderung für die polnische Kirche darin bestehen, einen Weg zu finden, sich von der Vergangenheit inspirieren zu lassen, auf der Vergangenheit aufzubauen, anstatt in ihr zu leben. Polen hat das schon einmal getan; hoffen und beten wir, dass es das auch weiterhin tun kann.

Der Autor, Stephen P. White, arbeitet für das Ethics and Public Policy Center in Washington, D.C.

Übersetzung des englischen Originals mit freundlicher Genehmigung von "The Catholic Thing".

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln allein die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht die der Redaktion von CNA Deutsch.

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