Der Patriarch von Lissabon erhebt die Hostie und zeigt der Menge den eucharistischen Herrn. Im „Parque Eduardo VII“ herrscht absolute Stille. Hunderttausende junge Menschen, die eben noch jubelnd und lachend im Sonnenschein tanzten und sangen, verharren in anbetendem Schweigen. Ein Gänsehautmoment während der Eröffnungsmesse des Weltjugendtags, dem noch viele weitere folgen werden.

Schon hier wird jedem, der vor Ort ist, eindrucksvoll deutlich, dass es auf dem Weltjugendtag um mehr geht als um ein Gute-Laune-Event, dass hier tiefempfundener Glaube seinen Ausdruck findet, dass sich hier junge Menschen der Botschaft des Evangeliums und der Lehre der Kirche öffnen und sie in sich aufnehmen wollen.

Bemerkenswert bei der Eröffnung des 37. Weltjugendtags ist auch die Predigt von Patriarch Manuel Clemente: Er spricht direkt in die Lebensrealität unserer Zeit hinein, indem er die positiven Aspekte der Medien betont, aber zugleich anmahnt, die Realität zu suchen. Damit widmet er sich einer Kernfrage für die hier versammelte Generation: Wie umgehen mit künstlicher Intelligenz, mit zahllosen Möglichkeiten, die Realität auszublenden und mit Filtern in eine Scheinrealität umzumodeln?

Überhaupt ist ein bestimmendes Moment dieses Weltjugendtages, dass die Kirche hier authentisch und ohne Aufhebens demonstriert, dass junge Menschen selbstverständlich Kirche sind, ernstgenommen werden, und sich, ihre Perspektiven und ihre Gaben einbringen. Sie spricht die Sprache derer, die hier versammelt sind – nicht nur verbal. Auch die Symbolik der Tanzperformances, die Musik – von Worship-Schlagern bis Johann Sebastian Bach ein eklektischer Mix, der sich nicht an ästhetischer Stimmigkeit, sondern an emotionaler Dichte orientiert – gehört ebenso dazu wie die Themen der Ansprachen und Predigten.

Die so oft angemahnte Begegnung auf Augenhöhe wird hier schlicht und einfach verwirklicht, ohne dass es dazu komplexer Theorien und Strukturen bedürfte. Angesichts der Resignation und Frustration, die in deutschen kirchlichen Kreisen oft deutlich werden, stellt sich die Frage, ob dort – ohne bestehende Probleme leugnen zu wollen – nicht womöglich ein großer Teil der weltkirchlichen Realität ausgeblendet oder ignoriert wird. In Lissabon jedenfalls ist nichts davon zu spüren, dass sich Jugendliche nicht gesehen, in ihrer Lebensrealität ignoriert fühlen.

Der Patriarchalvikar der melkitischen griechisch-katholischen Kirche in Ägypten, Sudan und Süd-Sudan, Jean-Marie Chami, fasst die Haltung der Kirche in einfachen Worten zusammen: „Lassen Sie uns jung sein im Herzen mit den Jungen; ohne […] die alten und kranken Menschen zu vergessen, aber dieser Teil der Kirche ist jung!“

Diese weltkirchliche Perspektive kommt an. „So ein krasser Vibe hier. Es ist so schön, katholisch zu sein. Mich hat vor ein paar Wochen jemand gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, aus der katholischen Kirche auszutreten. Niemals!“, kommentiert Anna aus Deutschland die Atmosphäre, die sie hier aufnimmt.

Was Jean-Marie Chami ausdrückt, scheint bei den Teilnehmern des Weltjugendtags als authentisch wahrgenommen zu werden. In kürzester Zeit hat sich der Ruf etabliert, den die jungen Pilger mit Überzeugung und Verve skandieren: „Esa es la juventud del Papa“ – Das hier ist die Jugend des Papstes. Und Franziskus scheint Papst dieser Jugend zu sein. Bei seinen Begegnungen mit Studenten, Schülern und Kindern wirken seine Ansprachen besonders lebendig, zeigt er sich besonders aufmerksam und zugewandt.

Die Glaubensfreude, die sich hier äußert, entfaltet sich nicht, sie explodiert förmlich, über alle Länder- und Sprachgrenzen hinweg. Trotz signifikant geringerer Teilnehmerzahlen als in vergangenen Jahren hat dieser Weltjugendtag einen Rekord gebrochen: Nie waren mehr Länder vertreten, lediglich aus den Malediven sei keine Delegation angereist, lassen die Organisatoren des Weltjugendtags verlauten.

Das Flaggenmeer auf dem Platz illustriert die weltweite Gemeinschaft des Glaubens, die hier in Lissabon nicht lediglich äußerlich bleibt, sondern sich ganz konkret manifestiert. Gemeinsam wird gefeiert und gelacht, gemeinsam wird aber auch die Hitze ertragen in den langen Nachmittagsstunden, in denen die Pilger bereits im Freien warten, bis Eröffnungsmesse, Willkommenszeremonie und die anderen großen Programmpunkte beginnen. Gemeinsam wartet man auch geduldig in langen Schlangen, bis man bei An- und Abreise endlich in die U-Bahn-Stationen gelangt.

So geht auch im Alltag das Glaubensfest weiter, dessen Nachhaltigkeit und Authentizität sich genau an solchen „Kleinigkeiten“ zeigt: Daran, dass man achtsam miteinander umgeht, ohne Rempeln, ohne Aggression und Ungeduld. Daran, dass man mit der Schöpfung sorgsam umgeht. Im Interview mit EWTN sagte die portugiesisch-schweizerische Weltjugendtagspilgerin Claudia Carvalho, dass die einheimische Bevölkerung durchaus beunruhigt darüber gewesen sei, wie Lissabon einen Ansturm dieser Größenordnung stemmen würde, ob nicht Chaos und Vermüllung drohten. Doch wenn die Jugendlichen den „Parque Eduardo VII“ verlassen haben, lassen sich zurückbleibende Plastikflaschen an einer Hand abzählen.

Diese Jugend will den Frieden leben, den die Kirche verkündet. Sie will die Gemeinschaft untereinander selbstverständlich leben, gerade in einer von Kriegen und gewaltsamen Konflikten gebeutelten Welt. Ob Svetlana aus Russland, Nada aus dem Irak oder Marah aus dem Nahen Osten – sie alle wollen Freundschaften schließen, den Glauben gemeinsam feiern.

„Eines haben wir alle gemeinsam: Jesus“, sagt Sergio, ein im Libanon lebender Armenier. Dass Friede, wie ihn das Christentum versteht, heute noch so aktuell ersehnt wird wie vor 2000 Jahren, ist unbestritten. Dass die Kirche ihn heute ebenso wie damals von Christus zu empfangen und weiterzugeben vermag, wird in diesen Tagen in Lissabon für jeden evident, der bereit ist, die Zeichen der Zeit wahrzunehmen.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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