Zu den interessanten und prachtvollen Büchern des Alten Testamentes zählen insbesondere auch die beiden Samuelbücher mit den Geschichten rund um David, der vom Hirtenjungen zum siegreichen Krieger und im weiteren Fortgang zum bedeutendsten König von Israel und ganz Juda aufstieg.

Zugleich machen wir im 1. Buch Samuel nicht nur die Bekanntschaft mit der starken und gottesfürchtigen Hanna, sondern auch mit der klugen und schönen Abigajil, der Ehefrau des tumben und bösherzigen Nabal, eines wohlhabenden Herdenbesitzers im Süden des Landes, der in Maon wohnt. Nabals Herde umfasst die stattliche Anzahl von 3000 Schafen und 1000 Ziegen, die in der Steppe Paran weiden, also an den Rändern der Wüste Negev im Süden Judas.

Die Begegnung zwischen David und Abigajil – deren Name so viel bedeutet wie „mein Vater jauchzt“ oder „mein Vater ist Freude“ – wird in Kapitel 25 des 1. Buches Samuel geschildert und ist eingebunden in die sogenannte Aufstiegserzählung um David, der von Gott bereits zum König über Sein Volk bestimmt worden ist, sich jedoch noch vor Saul, der ihn verfolgt und töten will, in den Bergen versteckt, mitsamt seiner Anhängerschaft von mindestens sechshundert Männern. Als der Prophet Samuel stirbt, hält ganz Israel die Totenklage; auch David steigt von den Bergen herab in die Steppe Paran und zieht nach Karmel, wo Nabals Herden weiden und die Schafschur kurz bevorsteht. Nabal war „roh und bösartig“, Abigajil aber „klug und von schöner Gestalt“ (1 Sam 25,3). David schickt zehn seiner Männer hin mit einem ausdrücklichen, dreifachen Friedensgruß und einer merkwürdigen Bitte, die sich zunächst wie eine Art von Schutzgelderpressung anhört: „Nun sind deine Hirten mit ihren Schafen bei uns gewesen, wir haben ihnen nichts zuleide getan und sie haben nichts vermisst […]. Wir sind ja an deinem Festtag [nämlich der Schafschur, dem „Erntedankfest“ der Hirten] gekommen und darum gib deinen Knechten und deinem Sohn David, was du gerade zur Hand hast.“

Nabal zeigt sich allerdings alles andere als zur Zusammenarbeit bereit. Er fragt, wer dieser David überhaupt sei, und äußert sich auf herablassende Art über dessen Herkunft. Als David davon hört, nimmt er vierhundert Mann mit Schwertern und zieht hinauf zu Nabal. Inzwischen hat ein Knecht der Ehefrau des Nabal, der Abigajil, schon berichtet und sie vor David gewarnt: „Nun aber überleg genau, was du tun kannst; denn unserem Herrn und seinem ganzen Haus droht Unheil.“

Tatsächlich hätten Davids Mannen, die sehr freundlich gewesen und mit ihnen umhergezogen seien, bei Tag und bei Nacht einen Ring, eine Schutzmauer um Hirten und Herden gebildet, damit keine räuberischen Amalekiter, also Nomaden aus der Wüste, sie angreifen konnten. Abigajil handelt, ohne eine Sekunde lang zu zögern, „in aller Eile“ lässt sie zusammenpacken, was bereits für das Fest der Schafschur vorbereitet war: Zweihundert Brote, zwei Schläuche Wein, fünf Schafe, fünf Sea geröstetes Korn, wobei ein Sea rund dreizehn Litern entspricht, einhundert Rosinenkuchen und zweihundert Feigenkuchen.

Die Leckereien für David und seine Männer lässt sie von Knechten verpacken und transportieren mit der Auflage, sie dürften Nabal nichts davon verraten. Sie selbst reitet ohne Geleit auf einem Esel David entgegen, der gerade einen Schwur geleistet hat, er werde im Hause des Nabal nicht einen männlichen Bewohner oder Angestellten übriglassen. Doch da begegnet er schon Abigajil, die sich nicht nur vor David niederwirft, sich bis zur Erde verneigt, sie fällt ihm auch noch zu Füßen – diese dreimalige Unterwerfungsgeste wird tatsächlich so geschildert –, und dann beginnt ihre ebenso diplomatische wie geschickte Rede zu David, der zunächst wortlos bleibt angesichts dieses Anblicks und den wohlgesetzten Worten dieser bezaubernden Frau, die von sich selbst nur als „Magd“ spricht, ihren Mann einen Toren heißt – was auch der Wortbedeutung seines Namens Nabal entspricht – und, ohne Davids Entscheidung zur Rücknahme seines Schwurs überhaupt abzuwarten, feststellt: „So wahr der Herr lebt und so wahr du selbst lebst, hat dich der Herr davor bewahrt, Blutschuld auf dich zu laden und dir selbst zu helfen“ (1 Sam 25,26).

Es ist hier nicht mehr David, der designierte König von Israel, der noch etwas zu entscheiden hätte an diesem Punkt, nein, es ist eine schwache Frau, die ihm mit dreimaligem Niederwerfen und demutsvoller Rhetorik glasklar vor Augen führt, welche Konsequenzen sein Fehler, den er im Begriff war, aus Wut und Rachegelüsten zu begehen, hätte haben können: Denn ein Nagid, ein „Erhöhter“, ein Auserwählter des Herrn, darf keine Blutschuld auf sich laden, die aus dem Motiv der Selbstjustiz entstand. Der Nagid, das ist der künftige König Israels nicht in politischer Hinsicht, sondern aufgrund seiner religiösen Auserwähltheit.

Bis zu dieser Stelle haben wir Abigajil als hochintelligente, äußerst diplomatische und schöne Frau und Wirtschafterin kennengelernt. Doch im folgenden Teil ihrer Rede von 1 Sam 25,28 ff. – wir erinnern uns, dass gerade der große Prophet Samuel verstorben ist – entfaltet sich ihre prophetische Gabe: „Denn der Herr wird meinem Herrn sicher ein Haus errichten, das Bestand hat, weil mein Herr die Kriege des Herrn führt, und man wird dir nichts Böses vorwerfen können, solange du lebst. Wenn sich aber ein Mensch erhebt, um dich zu verfolgen und dir nach dem Leben zu trachten, dann sei das Leben meines Herrn beim Herrn, deinem Gott, eingebunden in den Beutel des Lebens; das Leben deiner Feinde aber möge der Herr mit einer Schleuder fortschleudern.“

Der Beutel des Lebens, was für ein wunderschönes Bild – es rekurriert auf den Brauch, wertvolle Dinge in einem Beutel zu sammeln, Münzen, Gold, Steintäfelchen, die von den Herdenbesitzern benutzt wurden, um Übersicht über ihren Viehbestand, Garant des Lebens, zu behalten.

Abigajil kommt noch einmal auf den Frevel der Blutschuld zu sprechen, den er fast begangen hätte und fährt mit verheißungsvollen Worten fort: „Wenn dann der Herr meinem Herrn all das Gute erweist, das er dir versprochen hat, und dich zum Fürsten über Israel macht, dann sollst du nicht darüber stolpern und dein Gewissen soll meinem Herrn nicht vorwerfen können, dass du ohne Grund Blut vergossen hast und dass sich mein Herr selbst geholfen hat.“ Diese Passage spricht Gutes über David, es ist fast eine Benediktion, verpackt in die neuerliche Aufforderung, kein Blut über sich zu bringen. Gleichzeitig zeugen diese Äußerungen nicht nur von der Gottesliebe der Abigajil, sondern auch von ihrer Kenntnis des Willen Gottes: „Wenn der Herr aber meinem Herrn Gutes erweist, dann denk an deine Magd!“

Unwillkürlich müssen wir hier an die Szene auf Golgatha denken, wo der gute Schächer spricht: „Herr, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ An jemanden denken, das heißt im biblischen Sinn, ihn eng bei sich behalten, ihn mit sich zu führen. Und so wird es David dann auch halten, als Nabal, dem Abigajil nach ihrer Rückkehr von dem Stand der Dinge berichtet, im wahrsten Sinne das Herz stehenbleibt.

David schickt seine Diener, damit sie um Abigajil werben. Sie antwortet ihrerseits, ohne zu zögern: „Deine Magd steht als Dienerin bereit, um den Dienern meines Herrn die Füße zu waschen.“ Auch hier werden wir an das Neue Testament erinnert – das Gründonnerstagsereignis. Es kann sich also nicht nur um schiere Genetik handeln, wenn der Stammbaum Jesu auf das Haus Davids zurückgeführt wird. Abigajil wurde die zweite Frau des David und die erste, die ihm ein Kind gebar.

Eine Version dieses Beitrags erschien zuerst im Vatican-Magazin.

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