Ein Marienlied, dem „Regina caeli“ nachgedichtet, begleitet uns vom hohen Osterfest in lichtreicher Freude hinein in den Monat Mai – und viele Gläubige singen dankbar und mit ganzem Herzen „Freu dich, du Himmelskönigin“, wieder und wieder. Dieses altvertraute Lied berichtet von der Schönheit des Glaubens, von der Auferstehung des Herrn und den vertrauensvollen Bittgebeten, die das ganze Kirchenjahr hindurch der Gottesmutter anvertraut werden, der Fürsprecherin und Knotenlöserin.

Behutsam und auf besondere Weise hat sich der Religionsphilosoph und Theologe Romano Guardini in seinem erstmals 1937 erschienenen Buch „Der Herr“ der Gestalt Mariens angenähert und Wahrnehmungen und Deutungen vorgelegt, die vielleicht uns auch heute helfen können, mit ihren Augen auf Christus zu schauen (vgl. Romano Guardini: Der Herr. Betrachtungen über die Person und das Leben Jesu Christi, Würzburg 1951, 7–11).

Maria erscheint nicht als selbstbewusste, sondern als gottergebene Frau, die auf „königliche Art“ dem Erzengel Gabriel begegnet, der ihr verkündet, was als „etwas Ungeheures“ erscheint. Sie vertraut sich ganz Gott an in einer „schlichten, ihrer selbst unwissenden Größe“. Maria geht gläubig den Weg, der für sie vorgezeichnet ist, den sie von innen her annimmt – „ins Dunkle hinein“, wie Guardini sagt. Wieder und wieder wird sie eine „göttliche Fremdheit“ erleben.

Wir erkennen auch darin ein marianisches Moment unseres eigenen Betens, Lebens und Denkens. Wie leicht sprechen wir die ernsten Gebetsworte: „Dein Wille geschehe.“ Im Vaterunser sehen wir ab von dem, was wir uns vielleicht vorgestellt und gewünscht haben – und beten, dass Er uns führen möge, wie es Seinem Willen entspricht, nicht unserem eigenen Wollen. Wir hoffen und vertrauen darauf, dass Maria uns hilft, mit uns geht, und wir vertrauen uns ihr an, weil auch sie die „göttliche Fremdheit“ erlebt, erfahren und erlitten hat, als angstvolle, verzweifelte Mutter, die den zwölfjährigen Jesus sucht und im Tempel wiederfindet. Er, der doch ihre Angst sehen muss, antwortet scheinbar kalt, dass er, Jesus, im Haus seines Vaters sein müsse. Sie versteht die Worte nicht, aber sie bewahrt sie in ihrem Herzen, und was ihr zugesprochen ist, nennt Guardini einen „kostbaren Samen“, den sie nun in sich trägt.

Noch mehrfach berichten die Evangelien davon, dass zwischen dem Herrn und seiner Mutter sich eine „Kluft“ auftue oder eine „unendliche Ferne“ bestehe. Bei der Hochzeit zu Kana, als der Wein auszugehen droht, weist Jesus sie zurecht. Seine Stunde sei noch nicht gekommen. Doch dann, ein wunderbarer Moment, ist anscheinend die Stunde doch gekommen und die Zeit seines öffentlichen Wirkens beginnt. Maria bleibt in seiner Nähe und wird unter dem Kreuz stehen, in der „ganzen Qual ihres Herzens“.

Doch sie hat ihren Sohn nicht verstehend begleitet – und so vielen anderen Müttern ergeht es mit ihren Kindern nicht anders. Aber Maria hat Jesus über alles geliebt. Wir wissen: Niemand kann einen Menschen ganz verstehen, aber wir können und dürfen einen Menschen ganz lieben. Niemand unter den Menschen war größer darin als die Mutter des Herrn. Guardini schreibt: „Ihm hat sie alles gegeben, ihr Herz, ihre Ehre, ihr Blut, ihre ganze Liebeskraft. Sie hat es umfangen, aber es ist über sie hinausgewachsen, immer höher über sie hinaus. Eine Ferne hat sich um ihren Sohn aufgetan, welcher ‚das Heilige‘ war. Aus der lebt er, ihr entrückt. Das Letzte hat sie gewiß nicht verstehen können. Wie hätte sie es auch verstehen sollen, das Geheimnis des Lebendigen Gottes! Aber sie hat vermocht, was auf Erden christlich wichtiger ist als das Begreifen, und was nur aus der gleichen Kraft Gottes heraus vollbracht werden kann, die zu ihrer Zeit auch das Begreifen gibt: sie hat geglaubt; und zu einer Zeit, als sonst, im eigentlichen und vollen Sinne des Wortes, wohl noch keiner geglaubt hat.“

Diese Erfahrung teilen wir heute, umgeben von Säkularismus, bedrängt von einer Entfremdung von Gott, die bis in die Kirche hineinreicht. Die Gottesmutter steht vor uns als Vorbild im Glauben, die ihr „Ja“ nicht an Bedingungen knüpft, sondern liebt, auch wenn sie nicht versteht und nicht verstehen kann, die gläubig „Ja“ sagt, auch im Schweigen, umgeben von so vielen Menschen, die nicht glauben: „Ihr Glaube war größer, als je ein Mensch ihn gehabt hat.“

Maria blieb fest im Glauben, dass sich in all dem, was sie erlebte und durchlitt, der Wille Gottes erfüllte, ehe sie an Pfingsten ganz verstand, was sie im Herzen bewahrt hatte. Romano Guardini sieht Parallelen zu seiner, zu unserer Zeit: „Von uns wird gefordert, daß wir im Glauben mit dem Geheimnis Gottes ringen und mit dem bösen Widerstand der Welt. Kein freundlich dichtendes, sondern ein hartes Glauben ist uns auferlegt – vollends in einer Zeit, da die sänftigenden Zauber von den Dingen fallen, und überall die Widersprüche aufeinander stoßen. Je reiner wir die Gestalt der Mutter des Herrn aus dem Neuen Testament heraus verstehen, desto Größeres geht uns für unser Christenleben, wie es wirklich ist, auf.“

Die Kirche feiert im Mai nicht die Blüte des Frühlings, sondern rühmt die königliche Hoheit der in den Himmel aufgenommenen Gottesmutter, auch ohne frömmlerischen Kitsch, mit Dankbarkeit, tiefem Ernst und aufrichtig empfundener Freude. Maria zeigt uns, woran es uns selbst wahrscheinlich oft mangelt – es ist der Glaube an den dreifaltigen Gott, an dessen liebende Gegenwart durch alle Dunkelheit hindurch, in der Welt und in unserem Leben. Elisabeth sagte zur Mutter Christi: „Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ. Da sagte Maria: Meine Seele preist die Größe des Herrn“ (Lk 1,45-46).

Auch unser marianisches Lob stimmt ein in das Magnifikat – und so möge die Gottesmutter uns helfen, dass es uns gelingen möge, in allen Fährnissen und Widrigkeiten, die Größe des gekreuzigten und auferstandenen Herrn zu preisen und mit Freude am Glauben in der Osterzeit zu singen: „Bitt Gott für uns, so wird’s geschehen, / freu dich, Maria, / dass wir mit Christus auferstehen. / Halleluja. / Bitt Gott für uns, Maria.“ Ja, die Gottesmutter wird sich freuen, wenn die Verheißung sich erfüllt und wir eines Tages mit Christus auferstehen. So vertrauen wir uns ihrer Fürsprache an: Heilige Maria, heilige Jungfrau, Magd des Herrn und Mutter Christi, Maria Maienkönigin, bitte für uns!

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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