Das Herz sei der „Kampfplatz zwischen Liebe und Begehrlichkeit“, so legt Johannes Paul II. in der Katechese vom 23. Juni 1980 (veröffentlicht in L’Osservatore Romano 80/31) dar. Den menschlichen Körper stellt er von Anfang an als „Quelle der Fruchtbarkeit“ gemäß dem „Mysterium der Schöpfung“ vor, zugleich besitze dieser „ehelichen Charakter“: „Er (der Körper) kann also die Liebe ausdrücken, durch die der Mensch als Person zum Geschenk wird und so den tiefen Sinn des eigenen Seins und der eigenen Existenz erfüllt. In dieser seiner Besonderheit ist der Körper Ausdruck des Geistes und dazu aufgerufen, gerade im Mysterium der Schöpfung in der Gemeinschaft der Menschen ‚das Ebenbild Gottes‘ zu sein.“

Die „sinnliche Begehrlichkeit“ erweist sich aber als Einschränkung und Beeinträchtigung in der Sphäre der zwischenmenschlichen Beziehungen von Mann und Frau: „Eben in der Erfahrung des Herzens scheinen die Weiblichkeit und die Männlichkeit in ihren gegenseitigen Beziehungen nicht mehr Ausdruck des Geistes zu sein, der auf personale Gemeinschaft zielt, sondern bleiben nur Objekt der Anziehung, wie dies in gewisser Weise in der Welt der Lebewesen geschieht, die wie der Mensch die Segnung der Fruchtbarkeit erhalten haben (vgl. Gen 1).“

Die gegenseitige Attraktivität und die Aufforderung zu personaler Gemeinschaft stehe mit dem Schöpfungsgeheimnis im Einklang, doch nach dem Sündenfall habe sich „dieser Ausdruck abgeschwächt und getrübt: als ob die gegenseitigen Beziehungen sich schwächer abzeichnen oder auf eine andere Ebene verschoben würden“: „Die natürliche und körperliche Grundlage der menschlichen Sexualität offenbarte sich in einer fast ursprünglichen Kraft, die von einem gewissen körperlichen Zwang gezeichnet war; diese Kraft wirkte nach eigenen Gesetzen und beschränkt den Ausdruck des Geistes und die Erfahrung, den anderen Menschen als Geschenk anzunehmen.“

Der Körper in seiner aufeinander bezogenen Geschlechtlichkeit hat aber die Fähigkeit nahezu verloren, die Liebe auszudrücken, „in der der Mensch als Person zum Geschenk in Übereinstimmung mit der tiefgreifendsten Struktur und dem äußersten Ziel seiner persönlichen Existenz wird, wie wir dies schon in unseren vorhergehenden Betrachtungen festgestellt haben“.

Allein in der Liebe, die das menschliche Herz forme, sei die ursprüngliche Bedeutung des Körpers als „Geschenk für den anderen“ somit „noch nicht ganz von der Begehrlichkeit erstickt worden, sondern ist gewöhnlich nur bedroht“. Johannes Paul II. führt aus: „Das Herz ist zum Kampfplatz geworden zwischen Liebe und Begehrlichkeit. Je mehr die Begehrlichkeit das Herz beherrscht, desto weniger erfährt dieses die eheliche Bedeutung des Körpers und desto weniger wird es fähig, das Geschenk der Person anzunehmen.“

Die sinnliche Begierde beeinträchtigt aber die „aufrichtige Hingabe“: „Man könnte sagen, dass sie dem Menschen die Würde der Hingabe entzieht, die sich in seinem Körper durch die Weiblichkeit und die Männlichkeit ausdrückt und in gewisser Weise den Menschen entpersönlicht, indem er ihn zum Objekt für den anderen macht. Anstatt mit dem anderen als Subjekt in der Einheit, mehr noch, in der sakramentalen Einheit des Körpers zusammen zu sein, wird der Mensch für den Menschen zum Objekt – die Frau für den Mann und umgekehrt.“

Der Papst konstatiert eine „Zerstörung“ der „Dimension der gegenseitigen Hingabe“: „In gewisser Hinsicht unterliegt die Subjektivität des Menschen der Objektivität des Körpers. Aufgrund des Körpers wird der Mensch zum Objekt des Menschen, die Frau für den Mann und umgekehrt. Die Begehrlichkeit bedeutet sozusagen, dass die persönlichen Beziehungen zwischen Mann und Frau in einseitiger und einschränkender Weise an den Körper und an das Sexuelle gebunden sind. Das heißt, dass solche Beziehungen nahezu unfähig sind, gegenseitige persönliche Hingabe anzunehmen. In dieser Art von Beziehungen ist das weibliche und das männliche Element nicht in seiner ganzen persönlichen Subjektivität enthalten, sie drücken nicht die Gemeinschaft aus, sondern sind einseitig vom Sexuellen bestimmt.“

Die Begierde raubt dem Menschen die „innere Freiheit der Hingabe“, doch die „eheliche Bedeutung des Körpers“ sei genau an ebenjene Freiheit gebunden: „Der Mensch kann zum Geschenk werden – anders ausgedrückt, die Beziehung zwischen Mann und Frau kann in gegenseitiger Hingabe ihrer selbst bestehen –, wenn jeder von ihnen sich selbst beherrscht. Die Begehrlichkeit, die sich als besondere Art des körperlichen Zwangs äußert, begrenzt die innere Selbstbeherrschung und setzt sie herab, somit macht sie sozusagen die innere Freiheit der Hingabe unmöglich. Dadurch wird auch die Schönheit getrübt, die dem menschlichen Körper in seinem männlichen und weiblichen Aspekt innewohnt und die Ausdruck des Geistes ist. So bleibt der Körper Objekt sinnlicher Begehrlichkeit und Gegenstand der Besitzergreifung durch den anderen Menschen. Die Begehrlichkeit als solche ist nicht in der Lage, die Vereinigung als personale Gemeinschaft zu fördern. Begehrlichkeit allein vereint nicht, sondern ergreift Besitz. Das Element der Hingabe wird zu einem Element der Besitzergreifung.“

Die Hingabe aber gerade gilt es wiederzuentdecken. Das Verfallen-Sein an die Begierde kennzeichnet sehr viele Beziehungen zwischen Männern und Frauen, zeigt sich in dem Komplex schmerzhafter Ehekrisen und der Entzweiung von Familien, die mit Kindern gesegnet sind. Mitnichten fordert Johannes Paul II. eine stoische Enthaltsamkeit, im Gegenteil: Er sieht die sexuelle Erfüllung von Mann und Frau untrennbar gebunden an die eheliche Liebe. Es wäre nicht gut katholisch, diese Dimensionen auszublenden und die Liebe quasi zu entkörperlichen. Aber die beglückende Liebe erfahren Mann und Frau nur darin, wenn sie nicht ihren Trieben blind gehorchen, sondern im Sakrament der Ehe verbunden dem Willen Gottes, dem Evangelium und der Lehre der Kirche aller Zeiten und Orte entsprechen und sich liebend einander hingeben.

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