Auch in den Katechesen vom 27. August 1980 und vom 3. September 1980 (veröffentlicht in L’Osservatore Romano 80/36 und 80/37) konzentriert sich Johannes Paul II. auf das Alte Testament. Der Ehebruch wird hier auch als „Bundesbruch“ gedeutet, etwa von den Propheten Hosea und Ezechiel, bezogen freilich auf das Volk Israel. Doch zugleich stellt sich die gläubige Erfahrung ein, dass Gott dem untreuen Israel folgte und nicht aufhörte, „seine Braut zu suchen“, auf die Bekehrung und Rückkehr hoffend. Ehebruch und Götzendienst seien verbunden.

Johannes Paul II. führt aus: „Aus Liebe schließt Gott Jahwe mit Israel einen Bund – ohne dessen Verdienst – und wird für Israel gleichsam ein zärtlicher Bräutigam und Gatte, der sich seiner Braut gegenüber in seinem Eifer und seiner Hochherzigkeit nicht genug tun kann. Für diese Liebe aber, die das auserwählte Volk seit den Anfängen seiner Geschichte begleitet, empfängt Jahwe, der Bräutigam, als Entgelt immer neue Untreue.“

Der Bräutigam erwählt aus einem „Akt reiner Barmherzigkeit“ die Braut. Im Vergleich zur Ehe ist dies freilich auch historisch einzuordnen: „In diesem Sinn ist daher die Erwählung Israels zu sehen: sie entspricht der Analogie da, wo es um den Bund Jahwe mit Israel geht; weniger dagegen entspricht sie dem zweiten Aspekt der Analogie, der die Natur der Ehe kennzeichnet. Gewiß war die Mentalität der damaligen Zeit für diese Wirklichkeit nicht sehr empfänglich – nach israelitischem Verständnis war die Ehe vielmehr das Ergebnis einer einseitigen, oft von den Eltern getroffenen Wahl –, aber eine solche Situation ist für uns heute nur schwer verständlich.“

In den Schriften der Propheten wird Ehebruch eindeutig als „Sünde“ bestimmt, im Gegensatz zu der Gesetzesüberlieferung, die das „Eigentumsrecht des Mannes“ betont: „In den Texten der Propheten ändert der Hintergrund der tatsächlich üblichen und legalisierten Polygamie die ethische Bedeutung des Ehebruchs nicht. In vielen Texten scheint die Einehe als einzige und allein berechtigte Analogie zum Eingottglauben auf, wie er im Sinn des Bundes zu verstehen ist, wo man dem einen und wahren Gott Jahwe, dem Bräutigam Israels, die Treue hält und sich ihm anvertraut. Der Ehebruch ist das Gegenstück zu diesem bräutlichen Verhältnis und ein Widerspruch zur Ehe (auch als Insititution), denn die Einehe verwirklicht in sich den personalen Bund zwischen Mann und Frau; sie verwirklicht den der Liebe entsprungenen Bund, den beide Teile eben als Ehe bekräftigen (und der dann wieder als solcher von der Gesellschaft anerkannt wird). Ein solcher Bund zwischen zwei Personen bildet das Fundament für jene Einigung, um derentwillen ‚der Mann … sich mit seiner Frau verbindet, und die beiden werden ein Fleisch sein‘ (Gen 2,24).“

Der Ehebruch sei eine „Sünde des Leibes“. Johannes Paul II. legt dar: „Der Ehebruch bezeichnet jenen Akt, in dem Mann und Frau, die nicht Gatte und Gattin sind, ‚ein Fleisch‘ werden, d. h. Menschen, die nicht Gatte und Gattin im Sinn der Einehe sind, wie sie am Anfang eingesetzt wurde, im Gegensatz zur gesetzlichen Kasuistik des Alten Testamentes. Die Sünde des Leibes kann nur im Hinblick auf das Personenverhältnis identifiziert werden. Von moralischem Gut oder Übel kann man reden, je nachdem dieses Verhältnis die leibliche Einheit innerlich wahr macht und ihr den Charakter eines wahrheitsgemäßen Zeichens verleiht oder nicht. In diesem Fall können wir also Ehebruch entsprechend dem objektiven Inhalt des Aktes als Sünde erkennen und beurteilen.“

Das „objektive Besitzverhältnis“ verdunkelt die „personale Beziehung von Mann und Frau“. Christus verkündet ein „neues Ethos“: „Wenn nämlich Ehebruch in seiner Grundbedeutung nur eine ‚leiblich vollzogene Sünde‘ sein kann, in welchem Sinn verdient dann ein Mensch, der ihn im Herzen vollzieht, ebenfalls die Bezeichnung ‚Ehebrecher‘?“ Der „Mensch des Begehrens“ ist vom „Begehren des Leibes“ bestimmt.

Die pädagogisch orientierten Bücher des Alten Testaments „lehren die Tugend, suchen die moralische Ordnung zu schützen und weisen dabei auf das Gesetz Gottes sowie auf die Erfahrung in weiterem Sinn hin“: „Außerdem zeichnen sie sich durch die besondere Kenntnis des menschlichen ‚Herzens‘ aus. Man könnte sagen: sie entwickeln eine besondere Moralpsychologie, ohne freilich dem Psychologismus zu verfallen. In gewisser Hinsicht nähern sie sich dem Appell Christi an das Herz, den Matthäus uns überliefert hat (vgl. 5,27–29), auch wenn man nicht sagen kann, sie zeigten bereits eine Tendenz zur grundlegenden Umformung des Ethos. Die Verfasser dieser Bücher benützen ihre Kenntnis vom Innenleben des Menschen vielmehr, um die Moral im Zusammenhang des geschichtlich gegebenen Ethos zu lehren, das sie im wesentlichen bekräftigen.“

Mit den Worten vom „lüsternen Blick“ und dem im Herzen begangenen Ehebruch sind die Hörer vorbereitet auf das, was Christus in der Bergpredigt verkündet, einen „echten Wandel des Ethos“.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

Erhalten Sie Top-Nachrichten von CNA Deutsch direkt via WhatsApp und Telegram.

Schluss mit der Suche nach katholischen Nachrichten – Hier kommen sie zu Ihnen.