24. Mai 2025
Die im Inneren des Menschen bestehenden Spannungsverhältnisse zwischen dem Begehren des Geistes und dem Begehren des Fleisches erörtert Johannes Paul II. in der Katechese vom 17. Dezember 1980 (veröffentlicht in L’Osservatore Romano 81/1). Zwei zum Wesen des Menschen gehörende, wesenhaft verschiedene Kräfte werden in den Blick genommen.
Mit Bezug auf den Apostel Paulus schreibt der Papst, dass das Fleisch sich dem Geist oft widersetze und Oberhand gewinne. Der Begriff Fleisch indessen bezieht sich auf die „physische Persönlichkeit“, er ist also nicht allein geschlechtlich konnotiert, sondern steht „dem Ich näher, das physische und psychische Elemente einschließt und Träger des äußeren Lebens und der tieferen Schichten der Erfahrung ist“. Johannes Paul II. legt dar: „Es ist der Mensch in seinem Menschsein mit allen seinen Grenzen, der moralischen Schwachheit, der Verwundbarkeit, Geschöpflichkeit und Sterblichkeit, die das Menschsein einschließt.“
Der Mensch sei auch die Stätte der Auseinandersetzung von Gut und Böse: „Was von ihm Besitz ergreifen, in ihm wohnen, ihn beherrschen soll – ob die Sünde, das Böse, der Geist, der jetzt in den Kindern des Ungehorsams wirksam ist, oder Christus, der Heilige Geist, Glaube und Gnade –, das muss jeder Mensch für sich entscheiden.“ Der Mensch verfalle der „Knechtschaft des Fleisches“, wenn er sich diesem anvertraue und damit sich an den Verstoß gegen das Gesetz Christi gewöhne. Fleisch meine dabei „nicht nur den ‚äußeren‘ Menschen, sondern auch den ‚innerlich‘ der ‚Welt‘ unterworfenen Menschen“, der die „moralische Unordnung“ als Gegebenheit akzeptiert und sich in diese einfügt, in der Sexualität, aber auch im sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben.
Wer, mit dem Wort Joseph Ratzingers – Benedikts XVI. gesagt, sich der „Diktatur des Relativismus“ unterwirft, erweist sich ganz als Kind dieser Welt, von Gott und seiner Kirche zuinnerst entfremdet. Er folgt sodann den „falschen Propheten“ und den „Feinden Christi“. Johannes Paul II. führt aus: „Der Mensch, der ‚nach dem Fleische‘ lebt, ist ein Mensch, der nur für das, was von ‚der Welt‘ kommt, ansprechbar ist: der Sinnenmensch.“
Der Geist Gottes hingegen wolle eine vom Fleisch verschiedene Wirklichkeit. Im Herzen des Menschen finde der Kampf zwischen Gut und Böse statt. Der Apostel Paulus weise zwar auf den Sündenfall hin, zugleich spreche er aber von der „endgültigen Überwindung von Sünde und Tod“, deren „ Zeichen und Vorwegnahme die Auferstehung Christi“ sei: „‚Er, der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat, wird auch euren sterblichen Leib lebendig machen, durch seinen Geist, der in euch wohnt‘ (Röm 8,11). In diesem eschatologischen Entwurf betont Paulus die Rechtfertigung in Christus bereits für den geschichtlichen Menschen, jeden Menschen von ‚gestern, heute und morgen‘, in der Welt- und Heilsgeschichte: eine Rechtfertigung, die für den inneren Menschen wesentlich und eben für jenes ‚Herz‘ bestimmt ist, auf das sich Christus bezog, als er von Reinheit und Lauterkeit im moralischen Sinn sprach. Diese Rechtfertigung aus dem Glauben bedeutet nicht nur einen Aspekt des göttlichen Heilsplans und der Heiligung des Menschen, sondern ist nach Paulus eine wirkliche Kraft, die im Menschen wirksam ist und sich in seinen Handlungen offenbart und ausdrückt.“
Paulus spricht von der „Frucht des Geistes“ und bezeichnet damit „das Handeln Gottes im Menschen“: „Diese ‚Frucht‘ wächst in ihm als Geschenk eines Lebens, dessen einziger Urheber Gott ist; der Mensch kann höchstens die geeigneten Bedingungen fördern, damit die Frucht wachsen und reifen kann.“
Diese „Frucht des Geistes“ unterscheidet sich von allen vorstellbaren weltlichen „Tugendkatalogen“: „Wenn die Beherrschung im Bereich des Ethos sich als ‚Liebe, Freude, Frieden, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung‘ kundtut und verwirklicht – wie wir im Brief an die Galater lesen –, dann steht hinter diesen Realisierungen, diesen Verhaltensweisen, diesen sittlichen Tugenden jeweils eine Entscheidung, eine Anstrengung des Willens, die Frucht des menschlichen Geistes ist, der, vom Geist Gottes durchdrungen, sich in der Wahl des Guten kundtut. Um in der Sprache des Paulus zu sprechen: ‚Das Begehren des Geistes richtet sich gegen das Fleisch‘ (Gal 5,17), und in diesem ‚Begehren‘ erweist er sich stärker als das ‚Fleisch‘ und als das von der dreifachen Begierde hervorgerufene Begehren. In diesem Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen erweist sich der Mensch dank der Macht des Heiligen Geistes stärker, der durch sein Wirken im menschlichen Geist erreicht, dass dessen Trachten gute Frucht bringt. Es handelt sich also nicht nur – und nicht so sehr – um ‚Werke‘ des Menschen als um ‚Früchte‘, das heißt um Wirkungen des ‚Geistes‘ im Menschen. Und deshalb spricht Paulus von der ‚Frucht des Geistes‘.“
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