"Religionen, Glaubens und andere Wertesysteme: Gemeinsam zur Förderung gleicher Bürgerrechte" - So lautete das Motto einer eintägigen Veranstaltung, die Ende Juni bei den Vereinten Nationen in Genf stattfand. Das Thema ist jedoch zeitlos und seine Umsetzung noch in den Kinderschuhen.

Schirmherr der Veranstaltung war Prinz El Hassan bin Talal vom Haschemitischen Königreich Jordanien. Er sagte: "Die heutige Interessengemeinschaft des Glaubens, die weltweit immer noch stark ist, muss gemeinsam handeln, um sicherzustellen, dass gleiche Bürgerrechte und Menschenwürde an erster Stelle aller Entwicklungsbemühungen stehen. Wir sind nicht auf dieser Erde, um uns zu vermehren und sie zu zerstören, sondern um Leben und Hoffnung für künftige Generationen zu bringen."

Monsignore Robert J. Vitillo, Generalsekretär der Internationalen Katholischen Migrationskommission (ICMC) sagte in seiner Eröffnungsrede, die er stellvertretend für  den zwischenzeitlich verstorbenen Kardinal Tauran hielt: "Diese Gleichheit  hat ihren Ursprung, und ich zitiere aus dem Dokument 'Nostra Aetate' des Zweiten Vatikanischen Konzils, Eins ist die Gemeinschaft aller Völker, Einheit ist ihr Ursprung, denn Gott hat die ganze Menschheit erschaffen, auf der Erde zu leben."

Ich sprach mit Monsignore Vitillo und fragte ihn, ob Gott verschiedene Religionen geschaffen oder etabliert hat?

Monsignore Robert J. Vitillo: Gott schuf Menschen und er lud sie ein, mit ihm in einer Beziehung zu sein. Die Menschen selbst gründeten zunächst verschiedene Religionen, weil sie nach einer Beziehung zu Gott suchten, und dann offenbarte sich Gott dem jüdischen Volk als ein persönlicher Gott, zu dem sie diese Beziehung haben konnten. Und er sandte uns auch seinen Sohn, um die Erfüllung des jüdischen Gesetzes im Christentum herbeizuführen. Viele verschiedene Religionen sind entstanden, weil die Menschen immer noch auf der Suche sind, aber es war nicht so, dass Gott verschiedene Religionen gegründet hat.

Christian Peschken, UN-Korrespondent der EWTN in Genf :  Glauben Sie, dass eine Konferenz wie diese hier in der Lage ist, dies zu tun oder zu inspirieren, die Menschen dazu zu ermutigen?

Monsignore Vitillo: Absolut, ich denke, die Konferenz, wenn wir über gleiche Bürgerrechte sprechen, war in vielerlei Hinsicht ein Aufruf zu sehen, wie viel wir gemeinsam haben, und auch um die Richtlinien und Vorgehensweise nicht nur der Glaubenstraditionen, sondern auch der Staaten und Behörden so voranzutreiben, dass eine Solidarität miteinander möglich ist.

Der Sprecher der Konferenz der europäischen Rabbiner, Oberrabbiner Albert Guigiu: "Einheit in der Vielfalt. Das muss unser aller Ziel sein. Dies ist der einzige Weg, um uns zu einer erneuerten Solidarität hin zu bewegen, denn unser Ursprung , unsere gemeinsamen Wurzeln, unsere Moral, unser Lebenswandel in unseren Religionen basieren auf diesem Grundprinzip."

Ist nicht das Problem, verschiedene Religionen, Glaubensrichtungen und Wertesysteme unter einem Dach vereinen zu wollen, denn einige von ihnen haben doch Gesetze, die gegen die Gesetze der anderen verstoßen?      

Monsignore Vitillo: Wenn wir wirklich zum Wesentlichen der religiösen Praxis und des Glaubens kommen, sehen wir, dass es viele gemeinsame Werte gibt, die wir teilen: Das ganze Gefühl, in Solidarität miteinander zu sein, Gott zu lieben mit allem, was wir lieben und auch unsere Nächsten wie uns selbst zu lieben. In vielen der großen Glaubenstraditionen gibt es diese Grundregeln. Es gibt also viel mehr, was wir gemeinsam haben, als Unterschiede. Sicherlich gibt es einige Überzeugungen und Praktiken, die sich unterscheiden, aber wenn wir uns auf das konzentrieren, was die wesentlichen Werte in den meisten großen Glaubenstraditionen sind, haben wir viel gemeinsam. 

Al Sayed Ali Bin Al Sayed Abdul Rahmen Al Hashim, Berater für religiöse und justizielle Angelegenheiten, Präsidialministerium, Vereinigte Arabische Emirate: "Es kann kein Verständnis geben, keinen Dialog ohne Freiheit und Gerechtigkeit. Gerechtigkeit und Freiheit ebnen den Weg für die Menschen, Mittel und Wege zu suchen, um den Dialog zu verbessern."


Pfarrer Olav Fykse Tveit, Generalsekretär des Ökumenischen "Weltrates der Kirchen": Lassen Sie uns auch in dieser Konferenz die Gelegenheit nutzen, um Beziehungen untereinander aufzubauen, aber vor allem, um eine sichere und stärkere Welt und eine stärkere Menschlichkeit aufzubauen. Lasst uns das in einer integrativen Weise tun, die auf unsere multireligiöse Welt ausgerichtet ist."

In diesem, dem zweiten Teil meines Gespräches mit Monsignore Vitillo zum Thema "Religionen, Glaubens und Wertesysteme" geht es um eine stärkere spirituelle, weltweite  Zusammenarbeit zur Unterstützung gleicher Bürgerrechte.

Monsignore Vitillo: "Ich bestätige meinen eigenen Glauben und den vieler der großen Glaubenstraditionen, deren Oberhäupter und Sachkundige die heute hier vertreten sind, dass wir in der Tat glauben, dass die Menschenrechte vom 'Himmel' kamen und das basiert auf unserem  Glauben, dass Gott alle Menschen nach seinem Bild und Ähnlichkeit geschaffen hat und allen sowohl eine einzigartige Identität als auch gleiche Rechte und Grundfreiheiten gegeben hat.

Christian Peschken, UN-Korrespondent für EWTN:

Um nun als eine glückliche Familie in Frieden leben zu können, müssen wir einander verstehen. Aber in der heutigen Welt sehen wir fast überall Ignoranz des anderen. Es geht nur um mich so wie es scheint?

Monsignore Vitillo: Es ist sehr wahr, es gibt heute viel Uninformiertheit in der Welt und viel davon, weil wir uns voneinander abschotten. Und wie Sie wissen, spricht Papst Franziskus stets von einer Kultur der Gleichgültigkeit.... und deshalb denke ich, dass das Ziel, das wir in der heutigen Welt haben müssen, ist, den anderen kennenzulernen und nicht einfach als den anderen, sondern als eine Person, so wie wir selbst , und dann Beziehungen aufbauen, um dadurch Zusammengehörigkeit aufzubauen.

Pfarrer Olav Fykse Tveit, Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen: Die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts sind bedroht , und es ist wichtig, dass wir als religiöse Führungskräfte ihnen Gewicht verleihen, aber auch, dass wir die Ausbildung und Erziehung zur Staatsbürgerschaft betonen. Staatsbürgerschaft ist mehr als nur ein Prinzip. Es ist eine Art des Zusammenlebens. Und dazu müssen wir durch Bildung beitragen.

Faisal Bin Abdulrahman Bin Muaammar, Generalsekretär des "König Abdullah bin Abdulaziz International Centre for Interreligious and Intercultural Dialogue" (KAICIID), Wien (Österreich): "Das religiöse und weltliche Leben ist durch eine große Wissenslücke und das Vertrauen gespalten. Und allzu oft wird Religion als Problem gesehen, nicht als Teil der Lösung.... Wir schätzen, dass 5 Milliarden Menschen eine religiöse Identität haben. Religiöse Führer müssen in der Lage sein, die Interessen ihrer Gemeinschaften im Dialog mit politischen Entscheidungsträgern zu vertreten, um nachhaltige und positive Veränderungen zu erreichen, wie z.B. gleiche Menschenrechte".

Botschafter Idriss Jazairy, Co-Exekutivsekretär des Sponsoringausschusses und Exekutivdirektor des Genfer "Zentrums für die Förderung der Menschenrechte und den Globalen Dialog", zweiter Generalsekretär des Ausschusses dieser Veranstaltung, schlug vor, auf der Ebene der Vereinten Nationen eine Arbeitsgruppe für gleiche Bürgerrechte einzurichten :"Diese  behördenübergreifende Arbeitsgruppe würde sich auf die Richtlinien konzentrieren die von Staaten angenommen wurden, um die Sache der gleichen Bürgerrechte voranzubringen, und auch vor solchen Staaten warnen, die versagt haben sie anzunehmen. Wir leben in einer schwierigen Zeit, in der Populismus und Fundamentalismus im Kommen sind. Wir sind aber auch in der glücklichen Lage, mutige Religionsoberhäupter wie Papst Franziskus zu haben, der einige sehr aufschlussreiche Initiativen in diesem Bereich ergriffen hat. Und dies ist deshalb ein besonders geeigneter Zeitpunkt, mit seiner Unterstützung und all denjenigen, die seine Mission mit ihm teilen, diesen Geist der spirituellen Harmonisierung weltweit zu fördern."

Swami Paramatmananda Saraswati, Generalsekretär und Convener des Hindu Dharma Acharya Sabha (Indien): "Der hinduistische Glauben beruht darauf, dass alle Religionen, alle Glaubensrichtungen, alle Glaubenssysteme einen gemeinsamen Ursprung haben, teilen einen gemeinsamen biologischen Lebensraum. Niemand ist dem anderen überlegen oder bevorzugt, da er eine Manifestation eines nicht dualen göttlichen Prinzips ist."

Ist es nicht genau das, was so viele Europäer und Amerikaner am meisten fürchten, die Frage, ob und wie sich Flüchtlinge und Migranten in ihren Ländern integrieren werden?

Monsignore Vitillo: Nun, es gibt sicherlich eine Menge Angst in vielen verschiedenen Teilen der Welt, die Flüchtlinge und Migranten aufnehmen. Aber Integration bedeutet nicht, dass sie etwas wegnehmen oder man etwas verliert, sondern, wie Papst Franziskus uns sagt, dass es sich um eine zweiseitige Situation handelt, es ist ein beidseitiger Prozess. Das bedeutet also, dass ja, die Aufnahmeländer den Neuankömmlingen helfen.... aber Papst Franziskus erinnert die Einwanderer und die Flüchtlinge auch daran, dass sie die Verantwortung haben, innerhalb der Gesetze dieses neuen Landes zu leben und auch die Menschen zu respektieren, die sie aufnehmen.

Das Fazit der Veranstaltungsteilnehmer: Liebe zum Nächsten und auch zum Fremden, Respekt vor der Würde und Vielfalt der Menschen. Anderen das antun, was man sich selbst angetan haben möchte. Die Grundlage zur Umsetzung gleicher Bürgerrechte.

Die Konferenzteilnehmer waren sich einig, dass die Verbreitung gleicher Bürgerrechte der Pfad zum Konzept der globalen Staatsbürgerschaft ist, mit anderen Worten: Ein Pfad hin zum Weltfrieden.

Christian Peschken ist U.N. Genf-Korrespondent für EWTN. Das Thema wird auch bei EWTN – Katholisches Fernsehen zu sehen sein im Rahmen des Magazins 'Vatikano'. Weitere Informationen zu Christian Peschken unter www.peschken.media 

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