Der Programmdirektor von EWTN Deutschland, Martin Rothweiler, würdigt den kürzlich verstorbenen Robert Spaemann als großen Denker unserer Zeit. Dabei erinnert er an ein Interview aus dem Jahre 2014, als Robert Spaemann im Gespräch mit Paul Badde auch über den Tod und seine Angst vorm Sterben sprach.

Mit Robert Spaemann hat ein freimütiger Denker und großer Philosoph die sichtbare Welt verlassen, der die Phänomene dieser Welt mit großer Geistesschärfe analysiert hat. Er selbst hat sich tendenziell als Skeptiker beschrieben, gerade weil er aus Liebe zur Wahrheit, der Wahrheit auf den Grund gehen wollte. Er war kein Philosoph im Elfenbeinturm, sondern nahm zu gesellschaftlich aktuellen Fragen Stellung, ob es um Themen wie die Atomkraft oder den Anfang und das Ende menschlichen Lebens ging. Seine Stimme wird fehlen.

Irrationalismen, wie die Behauptung, dass es keine Wahrheit gebe, deckte er in ihrer Widersprüchlichkeit auf, beansprucht doch diese Behauptung selbst, wahr zu sein. Wie Papst em. Benedikt XVI. trat er stets in den Dialog mit Geistesgrößen der Vergangenheit wie der Gegenwart. Hohe Intellektualität und entwaffnend klare Einfachheit des Glaubens, waren in ihm in einer seltenen Symbiose präsent.

Die menschliche Person, ihre Würde, stand im Mittelpunkt seiner Reflexionen: die menschliche Person, die sich gegenüber anderen Lebewesen gerade dadurch auszeichnet, dass sie etwas versprechen und verzeihen kann.

Und was Verzeihen und Schuld – nicht "Fehler" – eigentlich bedeuten, dem geht Spaemann ganz besonders in seinem Werk "Glück- und Wohlwollen" auf den Grund. Dort sind Sätze zu lesen wie:

"... eine Schuld, die man behalten will, ist eben gar nicht wirklich als Schuld begriffen. (...) Das Beharren auf der eigenen Schuld ebenso wie der Versuch, sich selbst zu exkulpieren, bleiben im Zirkel der Selbstbehauptung des "So bin ich eben". Und wo der eine den anderen auf dem "So bist Du eben" festnagelt, da ist der Weg in die Freiheit versperrt. Der Schuldige ist angewiesen auf Verzeihung. (...) In dem Satz "Das kann ich mir nicht verzeihen" liegt dieselbe Hybris wie in der Handlung, die er sich selbst nicht verzeihen kann. (...) Er kann sich nur verzeihen lassen und die Verzeihung annehmen. Das Resultat ist Dankbarkeit. Dankbarkeit aber ist die reinste, von aller Gefahr versteckter Hybris freie Form des Wohlwollens."

Wenn er oft Prediger sagen höre, Gott nehme uns so und akzeptiere uns so, wie wir sind - so sagte mir Spaemann einmal in einem Interview -, dann könne er nur sagen: "In der Predigt Jesus lese ich nichts davon. Die beginnt immer damit: ‚Kehrt um! Werdet anders!‘  Und nicht, ich nehme Euch alle wie ihr seid."

In Gesprächen mit Spaemann hatte man stets den Eindruck, dass er seine Antworten in dem Moment noch einmal neu bedachte und durchdachte, ohne ins Formelhafte zu flüchten. Er ließ sich immer wieder auf die gestellten Fragen ein. Er nahm die Wirklichkeit neu in den Blick und war auf den eigentlichen Sinn der verwendeten Begriffe bedacht.

Spaemann liebte es nicht, um den heißen Brei herumzureden, sondern die Dinge mit schonungsloser Wahrheitsliebe beim Namen zu nennen – sei es gelegen oder ungelegen -, was ihm den Ruf eines "Polemikers" einbrachte. Begleitet war dies mit jener Distanz zu sich selbst, die sich durch Humor, Ehrlichkeit und Demut auszeichnet. Gerade in der Wahrheitsliebe war er demütig.

Das galt für ihn auch in Fragen des Glaubens. Wenn ich an Jesus Christus glaube, dann glaube ich, dass das, was Er sagt, wahr ist. So einfach könnte man Spaemanns Haltung auf den Punkt bringen. Deswegen hat Spaemann auch um "die letzten Dinge" nicht herumgeredet. Es geht in diesem Leben eben um Leben oder Tod, um Himmel oder Hölle. Deswegen ist Christus als Erlöser auf die Welt gekommen, um jeden von uns von Sünde und Tod zu befreien, aber eben nicht gegen unseren freien Willen.

Mit welchen Gefühlen und Gedanken er selbst seinem eigenen Tod entgegensah, eröffnete er am Ende eines Interviews, das Paul Badde für den katholischen Sender EWTN.TV mit ihm vor wenigen Jahren führte. Mir scheint, dass darin das Wesen Spaemanns exemplarisch und berührend zum Vorschein kommt.

Angst habe er "ein bisschen vor dem Sterben, aber nicht vor dem Tod". Das Sterben sei ja meistens nicht so angenehm, aber auch keine Katastrophe, denn jeder Mensch habe das noch gemacht und "so werde ich es auch machen". Er habe "kein besonderes Lustgefühl", wenn er daran denke, aber er müsse daran denken, was danach komme. Er habe keine Angst, aber Sorge, "dass man auf der falschen Seite landet". Nur Gott kenne die Herzen. Natürlich solle man vertrauen, wenn man ein Christ ist. Aber man versuche ja eben nicht immer, den Willen Gottes zu tun und darum sei die Sorge auch richtig und werde uns auch im Neuen Testament gelehrt. Die Botschaft Jesu sei sehr oft auch eine Drohbotschaft. Man solle nicht denken, dass andere es eigentlich verdienen, in die Hölle zu kommen, aber dass man selbst es verdiene. "Ich kenne mich ja am besten und die anderen kennen mich ja nicht." Und leicht schmunzelnd fügt Spaemann hinzu: "Und die Lügen, die am Grab erzählt werden über einen Menschen, die möchte ich gar nicht so gerne haben".  "Es werden bei Ihnen nicht so viele sein" antwortete Badde.

Das EWTN-Interview von Martin Rothweiler mit Robert Spaemann können Sie unter diesem Link ansehen; und das ganze Video mit Paul Badde sehen Sie, wenn Sie auf diesen Link klicken.

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