Man soll die Feste feiern, wie sie fallen. So sagt es der Volksmund mit Recht. Das heutige  Fest der Bischofsweihe fällt auf das Hochfest des heiligen Joseph, des Namenspatrons von  Bischof Joseph. Das Bistum Chur erhält zudem einen neuen Bischof mit dem Namen Joseph  im Jahr, das Papst Franziskus dem heiligen Joseph anlässlich des 150. Jahrestags seiner  Erhebung zum Schutzpatron der ganzen Kirche geweiht hat. Dies ist ein gutes Omen. Denn  der heilige Joseph ist jener Mensch, durch den Gott für den Beginn der Geschichte der  Erlösung von uns Menschen Sorge getragen hat. Der heilige Joseph hat, wie das heutige  Evangelium uns vor Augen führt, diese Aufgabe nur wahrnehmen können, weil er ganz für  Gott Ohr gewesen ist. Wie Abraham, über den Paulus in der heutigen Lesung bekennt, dass er  gegen alle Hoffnung voll Hoffnung geglaubt hat, so steht auch Joseph als Mensch des  Glaubens vor uns, der bereit gewesen ist, im Gesetz Gottes und in verschiedenen Träumen auf  den Willen Gottes zu hören und ihn auch zu tun, indem er sich ganz in den Dienst von Maria  und ihrem Kind gestellt hat.  

Der Bischof als Haushalter der Kirche  

Aus diesem Grund haben verschiedene Kirchenväter in der Weihnachtskrippe das eigentliche  Wesen der Kirche vorgebildet gesehen. Die Kirche ist dabei repräsentiert durch Maria mit  ihrem Kind, das im Mittelpunkt steht. Denn es ist Maria, auf die der Heilige Geist  herabkommt und sie zum neuen Tempel, zur Kirche, erwählt und erschafft. In Josef hingegen,  der auf vielen Darstellungen mit einem blühenden Stab abgebildet ist, haben die Kirchenväter  den Urtyp des christlichen Bischofs und seine Sendung in der Kirche wahrgenommen. Wie  Joseph ist auch der Bischof als Sachwalter des Liebeswillens Gottes, als Haushalter und Hüter  des Heiligtums, das in der Krippe liegt, bestellt. Wie Maria unter dem Schutz von Josef steht,  so ist dem Bischof die Kirche als Braut anvertraut, für die zu sorgen ihn das Tragen des  Ringes täglich erinnert. Diese Braut steht aber nicht zu seiner Verfügung; sie wird ihm  vielmehr übergeben und steht deshalb in seiner schützenden Obhut.  

In einem Bischof, der den Namen Joseph Maria trägt, ist zugleich beides miteinander  verbunden. Er ist deshalb in besonderer Weise berufen, den bischöflichen Dienst so  auszuüben, wie es der heilige Augustinus im Blick auf sein eigenes Bischofsamt gesehen hat:  „Mit Euch bin ich Christ – Für Euch bin ich Bischof“. Auf der einen Seite ist der Bischof, und  zwar aufgrund seiner eigenen Taufe, Glied der Kirche im marianischen Sinn, und steht er  inmitten der Kirche als eines ihrer getauften Glieder. Auf der anderen Seite steht er, und zwar  aufgrund seiner sakramentalen Weihe, auch der Kirche im josephinischen Sinn gegenüber und  hat er als sakramentales Zeichen der Priorität des Handelns des auferstandenen Christus in  Erscheinung zu treten und zu wirken. Wenn wir diese Grundspannung zwischen dem „In Sein“ des Bischofs in der Kirche und seinem „Gegenüber-Sein“ zur Kirche wahrnehmen,  werden wir auch empfänglich, das ganze Wort des heiligen Augustinus zu hören und zu  bedenken: „Wo mich erschreckt, was ich für Euch bin, da tröstet mich, was ich mit Euch bin.  Für Euch bin ich Bischof, mit Euch bin ich Christ. Jenes bezeichnet das Amt, dieses die  Gnade. Jenes die Gefahr, dieses das Heil.“2 

Der Bischof als Brückenbauer  

Wenn wir dieses Wort ernst nehmen, werden wir verstehen, dass der Bischof berufen ist,  Brückenbauer, Pontifex zu sein und als solcher zu wirken. Der Bischof muss Brücken bauen  zwischen den verschiedenen Gruppierungen und Strömungen mit den unterschiedlichen  Optionen und Anliegen, die im Bistum leben. Seine Aufgabe besteht aber auch darin, Brücken  zu bauen zwischen dem ihm anvertrauten Bistum und den verschiedenen Ortskirchen und zur  Universalkirche. Er ist berufen, als Bindeglied der weltweiten Katholizität in der Kirche zu  leben und zu wirken.  

Im Vordergrund steht heute gewiss der Brückenbau im Bistum Chur, das sich als sehr  gespalten präsentiert. Viele Menschen im Bistum und darüber hinaus erwarten deshalb vom  neuen Bischof, dass er Brücken bauen kann und bauen wird. Dies ist freilich nur das Eine,  und es wäre nicht realistisch und nicht hilfreich, alle Hoffnung allein auf den neuen Bischof  zu setzen und an ihn unerfüllbare Erwartungen zu stellen. Denn mit dem Brückenbau allein  sind Friede und Versöhnung noch nicht wiedergewonnen. Eine Brücke erweist sich nur dann  als Hilfe, wenn sie betreten wird, und zwar von beiden Seiten her und von allen Menschen.  Die heutige Bischofsweihe ist auch eine dringende Einladung an alle Diözesanen, über die  Brücke aufeinander zu zu gehen und sich die Hand der Versöhnung zu reichen.  

Vielleicht kann es dabei helfen, ein Wort des heiligen Cyprian, des Bischofs von Karthago  und eines bedeutenden Kirchenschriftstellers in der Alten Kirche im dritten Jahrhundert zu  bedenken. Als Wegweisung für ein fruchtbares Leben und Zusammenwirken in der Kirche hat  er das Prinzip formuliert: „Nihil sine episcopo, nihil sine consilio prebyterii, nihil sind  consensu plebis“3: „Nichts ohne den Bischof, nichts ohne den Rat des Presbyteriums und  nichts ohne den Glaubenskonsens des Volkes Gottes“. Demgemäss kann es das Bischofsamt  nicht geben ohne Kollegialität mit den Seelsorgenden, vor allem mit den Priestern, und ohne  Synodalität des Volkes Gottes. Es kann aber auch keine Kollegialität und keine Synodalität  ohne den Bischof geben.  

Der Bischof als Zeuge des Glaubens  

Diese Sorge kommt auch zum Ausdruck in dem Brief, den Kardinal Marc Ouellet, der Präfekt  der Bischofskongregation im Auftrag von Papst Franziskus an Bischof Joseph Bonnemain  geschrieben hat: dass er berufen ist, „vor allem die Communio und Einheit der Ortskirche zu  fördern und sich grosszügig für das Werk der Evangelisierung einzusetzen“. Mit diesem  Wunsch hat Kardinal Ouellet darauf aufmerksam gemacht, dass sich der Bischof bei allem  notwendigen Brückenbau nicht einfach damit zufrieden geben kann, Moderator zwischen  verschiedenen Strömungen und Meinungen zu sein. Er ist vielmehr in allererster Linie  berufen, als Evangelist zu wirken und im Dienst der Verkündigung des Evangeliums zu  stehen. Darauf beziehen sich auch die ersten Fragen, die dem Weihekandidaten vor der Weihe  bei seinen Versprechen gestellt werden und gestellt werden müssen: „Bist du bereit, das  Evangelium Christi treu und unermüdlich zu verkünden?“ Und: „Bist du bereit, das von den  Aposteln überlieferte Glaubensgut, das immer und überall in der Kirche bewahrt wurde, rein  und unverkürzt weiterzugeben?“  

Der Bischof ist somit berufen, in erster Linie Zeuge zu sein, der mit seiner ganzen Person und  mit seinem undelegierbaren Gewissen für den Glauben der Kirche, wie er im Evangelium  Jesu Christi vorgegeben ist, einzustehen und ihn zu bezeugen, und zwar gelegen oder  ungelegen und nicht nur gelegentlich. So verhält es sich seit den ersten Anfängen der Kirche.  Bereits bei der Nachwahl des Matthias in den Zwölferkreis, die nach Verrat und Tod des  Judas notwendig geworden ist, formuliert Petrus als alles entscheidende Anforderung: Er  muss „mit uns Zeuge seiner Auferstehung“ sein (Apg 1, 22). Der Glaube an den  auferstandenen Christus ist die Kernbotschaft der christlichen Kirche, die uns verkündet, dass  Gottes Liebe stärker ist als alle Feindschaft der Menschen und dass dem Tod nicht das letzte  Wort gehört, sondern dass Gott sich das letzte Wort vorbehält und dass es Leben heisst. Die  grundlegende Berufung eines jeden Getauften und besonders jener, die einen kirchlichen  Dienst ausüben, besteht darin, Zeuge der Auferstehung Jesu Christi zu sein.  

Dies gilt zumal für einen Bischof, der in seinem ersten Beruf Arzt ist, der dem Auftrag des  Heilens verpflichtet ist. Dies bringt uns eine Priestergestalt nahe, an die ich heute kurz  erinnern möchte: Der berühmte französische Theologe Marc Oraison ist – wie unser Bischof  Joseph – zunächst Arzt gewesen und erst später Priester geworden. In seinen  Lebenserinnerungen berichtet er über den Weg, auf dem er vom Arzt zum Priester gefunden  hat. Als Chirurg hat er zwar im Kampf gegen Krankheit und Tod nicht wenige Erfolge  erfahren dürfen. Es sind ihm aber auch immer deutlicher und schmerzlich die Grenzen der  ärztlichen Kunst und ihrer Macht bewusst geworden. Angesichts des nicht zu überwindenden  Todes und des medizinischen Kapitulieren-Müssens hat sich in ihm immer stärker das  Verlangen geregt, im Angesicht des Todes die Auferstehung gegenwärtig zu setzen, nämlich  die Heilige Messe zu feiern.  

Der Bischof als Gottestherapeut  

Von daher legt es sich nahe, daran zu erinnern, dass ein in früheren Jahrhunderten weit  verbreiteter, dann aber weithin in Vergessenheit geratener Titel für Jesus gewesen ist:  „Christus, der Arzt“. Dies zeigt uns auch ein Blick in die Heilige Schrift. Denn alle  Evangelien, in besonderer Weise dasjenige des heiligen Lukas, der ebenfalls Arzt gewesen ist,  stellen Jesus als den Gottessohn dar, der im Namen Gottes Menschen heilt. Und wenn die  Evangelisten von Jesu heilendem Tun berichten, verwenden sie oft das griechische Wort  „therapeuein“. Jesus Christus ist Therapeut, freilich in einem spezifischen Sinn: er ist  Gottestherapeut, der dem Leben der Menschen dient.  

In seiner Nachfolge will auch Bischof Joseph stehen, wenn er sich als Leitwort für seinen  bischöflichen Dienst ein Wort des heiligen Papstes Johannes Paul II. in seiner Enzyklika  „Redemptor hominis“ ausgewählt hat: „Homo est via Ecclesiae“: Der Mensch ist der Weg der  Kirche. Wenn wir den Menschen mit den Augen des auferstandenen Christus betrachten und  in ihm Christi Ebenbild sehen, dann stehen wir im Dienst jener Sendung, mit der der  auferstandene Christus seine Kirche beauftragt hat: die heilende Liebe Gottes und sein ewiges  Leben zu verkünden, das wir immer wieder in der Eucharistie feiern dürfen. Sie ist  „pharmakon athanasias“, Heilmittel der Unsterblichkeit, das uns die Gottestherapie zuteil  werden lässt, die Jesus Christus zu uns Menschen gebracht hat. Sie ist deshalb auch das  Sakrament der Einheit, die wir immer wieder in ihr zu suchen und zu finden eingeladen sind.  

[Auf Italienisch vorgetragen: Anche il vescovo Joseph desidera inscriversi nella sua sequela  scegliendo come motto per il suo ministero episcopale un’espressione usata da Papa San  Giovanni Paolo II nella sua enciclica “Redemptor hominis”: “Homo est via Ecclesiae”:  “l’uomo è la via della Chiesa”. Se guardiamo l’essere umano con gli occhi di Cristo risorto e  vediamo in lui l’immagine di Cristo, allora siamo al servizio della missione che Cristo risorto  ha affidato alla sua Chiesa: annunciare l’amore risanante di Dio e la sua vita eterna, che  celebriamo ogni volta nell’Eucaristia. Essa è il “pharmakon athanasias”, il rimedio per  l’immortalità, che offre la terapia divina che Gesù Cristo ha portato a noi umani. È quindi  anche il sacramento dell’unità, unità che siamo sempre invitati a cercare e a trovare  nell’Eucaristia.]  

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Bitten wir den lebendigen Gott, dass mit der Weihe des neuen Bischofs auch dem Bistum  Chur Heilung von vielen Verletzungen und Wunden geschenkt werden möge. Bitten wir Gott für unseren Bischof Joseph Maria, dass er seinen bischöflichen Dienst im Geist der  Gottestherapie und als treuer Diener am marianischen Geheimnis der Kirche wahrnehmen  wird. Und unterstützen wir jetzt ihn vor allem mit unserem Gebet, wenn Christus selbst durch  die leeren Hände der anwesenden Bischöfe ihn zum Bischof von Chur weiht.  

[auf Rätoromanisch vorgetragen: Lein rugar il Diu vivent ch'el schenghegi migliurament  allas biaras plagas e vulneraziuns egl uestgiu da Cuera entras l'ordinaziun dil niev uestg. Nus  rughein era per nies niev uestg Joseph Maria, ch'el possi menar igluestgiu el spért dalla terapia divina e sco fideivel survient dil misteri marian dalla baselgia.  Lein sustener ussa el en special cun nossa oraziun el mument che Cristus sez ordinescha el  sco uestg da Cuera entras ils mauns vids dils uestgs presents.] 

 

 

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1 Homilie in der Eucharistiefeier mit der Weihe von Mons. Joseph Maria Bonnemain zum Bischof von Chur in der Kathedrale Chur am Hochfest des Heiligen Joseph, 19. März 2021.  

2 Augustinus, Sermo 340, 1 = PL 38, 1483. 

3 CSEK III, 2, 512.