Eine Reihe von Gesellschaften "zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum" (TFP) aus aller Welt haben einen dringenden Appell lanciert, um "Widerstand zu leisten gegen den Verrat und den Verderb des Westens, der Blume der christlichen Zivilisation". Die gegenwärtige Krise manifestiere sich auf vielfältige Weise, so der Appell: "Alle Phänomene bilden jedoch eine Einheit in der dahinterstehenden Absicht, die verbleibenden Strukturen der christlich-abendländischen Zivilisation zu zerstören." Konkret erwähnt werden die Gesundheitskrise, die offenbarwerdenden strukturellen Schwächen der globalisierten Welt sowie bürgerkriegsähnliche Unruhen in Teilen der westlichen Welt.

Die TFP-Gesellschaften betonen, der Westen sei besonders "durch eine geistige Krise geschwächt: Unzählige Menschen geben den [christlichen] Glauben auf, leben ohne Gott und seine Gebote und suchen Gottes Gnade nicht mehr durch ein Leben mit den Sakramenten. Unsere moralische Dekadenz hat uns geschwächt und wir haben unsere christlichen Wurzeln vergessen." So reagierten "viele Menschen fassungslos und schockiert" auf die anderen Krisen dieser Zeit.

Der Appell belässt es nicht bei vagen Erklärungen, sondern erläutert ganz konkret, welche Rolle die Kirchenführung in Rom beim Hervorbringen der allen anderen Problemen zugrundeliegenden geistigen Krise gespielt hat. "In dieser Stunde größter Not der Christenheit würden die Gläubigen normalerweise ihren Blick auf den Stuhl Petri richten, auf die oberste Autorität der katholischen Kirche, um ein Wort des Trostes und der Leitung zu finden", so die TFP-Gesellschaften. "Aber anstatt ein Bollwerk des christlichen Abendlandes zu sein, scheint der Heilige Stuhl dessen Schicksal gegenüber gleichgültig zu sein. Zeitweise scheint er sogar diejenigen zu begünstigen, die das Abendland mit beispielloser Heftigkeit angreifen. Diese ungeheure spirituelle Verwaistheit ist der fürchterlichste Aspekt der gegenwärtigen Lage."

Dabei findet natürlich auch die jüngst veröffentlichte Äußerung von Papst Franziskus über die Notwendigkeit ziviler Partnerschaften für Homosexuelle eine Erwähnung, womit der Papst, so der Appell, sowohl dem Katechismus als auch einer vatikanischen Erklärung von 2003 widersprochen habe. Auch die jüngste Enzyklika des Heiligen Vaters, Fratelli tutti, wird in mehreren Punkten kritisiert, darunter die "Absicht, eine multipolare 'neue Welt' aufzubauen", was "aus religiöser Sicht die katholische Kirche und die Heilige Schrift mit anderen Religionen und deren grundlegenden Schriften" gleichsetze.

"Die Passivität der kirchlichen Hierarchie während der Pandemie-Krise wurde offensichtlich, als viele kirchliche Autoritäten die von der Politik eingeleiteten Maßnahmen noch übertrafen, indem sie [im vorauseilenden Gehorsam] die Feier der hl. Messe untersagten und die Handkommunion zwingend vorschrieben", so der Appell weiter. "Zum ersten Mal in der Geschichte feierte der katholische Klerus Ostern ohne die Gläubigen, von denen viele der Kirche nun endgültig den Rücken kehrten und damit den allgemeinen Glaubensabfall noch anwachsen ließen."

Die TFP-Gesellschaften standen bereits in der Vergangenheit in der Kritik dafür, Papstkritik zu üben. So sagte der katholische Politiker Rocco Buttiglione aus Italien, einige Unterzeichner der an Papst Franziskus gerichteten sogenannten Correctio filialis stünden der TFP-Bewegung nahe, "die das Militärregime in Brasilien unterstützte". Die TFP-Gesellschaften in aller Welt, die teilweise einen anderen Namen tragen, gehen zurück auf den brasilianischen Denker und Mann der Tat Plinio Corrêa de Oliveira

Kritik an Papst Franziskus, gar ein Aufruf zum Widerstand, sei kein plumpes Ablehnen des Papstes, betonte der Vorsitze der TFP-Deutschland, Mathias von Gersdorff, gegenüber CNA Deutsch. "Aus diesem Grund ist der Text sehr sorgfältig in den Aussagen und betont auch die Liebe und Treue zum Papsttum. Das kommt besonders stark in Sätze [zum Ausdruck] wie: 'In kindlichem Vertrauen wenden wir uns an den Hirten der Hirten: Unsere Seele gehört Euch, unser Leben gehört Euch. Befehlt uns nach Eurem Gutdünken, was Ihr wollt.'" 

"Ob, wann und in welcher Form Laien in Opposition zu päpstlichen Handlungen und Aussagen gehen dürfen, wird ja auch ausführlich erläutert", so von Gersdorff. "Es wird ja auch betont, dass die Liebe zum christlichen Abendland zu dieser Haltung führt: 'Widerstand zu leisten bedeutet, dass wir die Katholiken ermutigen, ihre Liebe zum christlichen Abendland unter Beweis zu stellen sowie ihre Bereitschaft, sein Erbe und seine Kultur zu verteidigen. … Die christlich-abendländische Kultur baut auf einer zweitausendjährigen Geschichte und auf der Tatsache auf, dass sie Rom, den Stuhl Petri, zum Mittelpunkt hat.'"

Der deutsche TFP-Vorsitzende gab zu, dass sich "der Westen nicht in besonders gutem Zustand befindet". Aber: "Reste dieser Zivilisation sind immer noch prägend. Die westlichen Gesellschaften sind immer noch die am christlichsten beeinflussten Gesellschaften der Welt." Der Westen laufe indes "Gefahr, dass nun auch diese Reste hinweggefegt werden. Für die Christenheit wäre das ohne Zweifel ein immenser Verlust." Es gehe aber nicht bloß darum, bestimmte "Reste zu verteidigen. Nein, wir sollten bemüht sein, dass das christliche Abendland wie einst blüht: 'Darüber hinaus werden wir seine Wiederherstellung in noch größerer Brillanz und Solidität fördern, damit der Westen die Weltführerschaft wiedererlangt, die er verdient – nicht weil es der Westen ist, sondern weil er katholisch ist.'"

Der Althistoriker Prof. Dr. David Engels hat sich in seinen Büchern intensiv mit dem augenscheinlichen Sterben des christlichen Abendlandes beschäftigt, besonders in "Renovatio Europae" und, zuletzt, "Was tun?", das bereits in vierter Auflage gedruckt wurde. "Wie alle anderen Kulturen ist auch das Abendland sterblich", erklärte Engels auf Nachfrage von CNA Deutsch. "Wir nähern uns zwar allmählich dem Ende; der finale Akt, der immer gekennzeichnet ist durch ein spätzeitliches Zivilisationsimperium, steht allerdings noch aus und wird erst am Ende einer etwa 20-jährigen, zumindest teilweise gewaltsamen Umbruchszeit einsetzen; eine Umbruchszeit, die überall im Westen bereits seit einigen Jahren begonnen hat."

Wie von Gersdorff, so betonte auch Engels, dass es "freilich noch eine Menge" zu verteidigen gebe: "Wenn nicht das kreative Weiterleben unserer Kultur, so doch die Erinnerung an die vergangene Größe, Schönheit und Güte, die wir den weiteren Generationen weitergeben müssen. […] Die abendländische Kultur wird allmählich selbst in Europa nur zu einer Parallelgesellschaft zwischen vielen werden – wer ihren Geist späteren Generationen weiterreichen will, anstatt sich ganz dem Nihilismus der Masse hinzugeben oder sich von anderen kulturellen Gruppen wie etwa dem Islam übernehmen zu lassen, muss damit heute, hier und jetzt anfangen und abendländische Ideale im Alltag konkret vorleben, um Halt zu finden und für andere Halt zu sein." 

Engels erklärte, Abendland und Christentum seien "allerengstens miteinander verbunden. Gerade die katholische Kirche stellt einen der zentralen Sockel und institutionellen Kontinuitäten dieser Identität dar, auch wenn sie als Weltkirche bereits weit über das Abendland hinausgewachsen ist. Jeglicher Versuch, das Abendland auf ein rein säkulares Fundament zu stellen, ist zum Scheitern verurteilt und muss in Relativismus, Zynismus und Nihilismus enden." Zwar sei es offensichtlich, dass "die katholische ebenso wie die protestantische Kirche sich zunehmend dem Zeitgeist anbiedern wollen und durch Preisgabe transzendenter zugunsten rein sozialer oder gar politischer Fragen ihre eigentliche Mission aus den Augen verloren haben und zu einem bloßen Instrument des politisch korrekten Mainstreams geworden sind."

Allerdings berge der "Schrumpfungsprozess der Kirchen" auch die Gelegenheit, "bald eine junge Generation von Gläubigen wie Klerikern hervorzubringen, die zwar zahlenmäßig erheblich schwächer ist, als dies vor zwei Generationen der Fall war, dafür aber innerlich wieder gefestigt. Dies sind auch die Kräfte, auf die jeder Versuch einer Stabilisierung des Niedergangs des Westens setzen muss. Ein starkes Abendland kann nur existieren, wenn es sich seiner transzendenten Wurzeln besinnt und sich zu seinem christlichen Erbe bekennt, ebenso, wie auch im spätrepublikanischen Rom die augusteische Reform von einer religiösen Erneuerung begleitet war."

Mathias von Gersdorff verwies, wie auch der Appell selbst, auf einen Satz von Papst Leo XIII. in seiner Enzyklika Immortale Dei von 1885, der jedem Katholiken als Idealbild vor Augen stehen solle: "Es gab eine Zeit, da bildete die Lehre des Evangeliums die leitenden Gesichtspunkte in der Staatsregierung; Gesetze, Institutionen, Volkssitten, alle Ordnungen und Beziehungen des Staatslebens hatten ihren hohen und segensreichen Einfluss erfahren; da war der Religion Jesu Christi in der Öffentlichkeit jene Auszeichnung gesichert, wie sie ihr gebührt […]."

Engels betonte allerdings, die "erste wichtige Lektion ist es, die Hoffnung aufzugeben, der 'Staat' oder die 'Gesellschaft' stünden noch auf Seiten der 'Letzten Abendländer'", und entfaltete stattdessen einen eher individuellen und familienbezogenen Ansatz zur Bewahrung des christlichen Abendlandes: "Realistisch sein; den Staat aufgeben; eine neue Zivilgesellschaft aufbauen; die Stadt verlassen; verantwortungsvoll investieren; europäisch kaufen; kurzfristiges Denken überwinden; an der Natur teilhaben; den Körper als Geschenk betrachten; sich mit Schönheit umgeben; Gleichwertigkeit nicht mit Gleichheit verwechseln; eine Familie gründen; seine Kinder erziehen; seine Pflicht erfüllen; tolerant sein – aber nicht selbstmörderisch; die Worte abwägen; glauben; sich besinnen; lesen – aber nicht beliebig; "Rechts" und "Links" überwinden; den Gehorsam aufkündigen; Europa zurückerobern; stolz auf seine Geschichte sein; das Schlachtfeld wählen – kurzum: eine Anleitung zum kulturellen Widerstand, die aber eben nicht vom äußeren Kampf um die Gesellschaft, sondern vom inneren Kampf um die eigene, persönliche Identität ausgeht."

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