Am 15. Dezember starb im italienischen Pescara nach kurzer schwerer Krankheit der Kapuzinerbruder Fra Vincenzo D’Elpidio. Er wurde 88 Jahre alt. Der Kapuzinerorden verliert damit einen seiner charismatischen und beliebtesten Mitbrüder. Denn obwohl er nie zum Priester geweiht wurde, stand das Telefon in seiner Zelle nicht still. Viele Gläubige empfing er dort, hörte ihre Sorgen an, gab ihnen Ratschläge, umarmte sie und spendete Ihnen den Segen. Dafür hatte er die Erlaubnis der Ortsbischofs, der um die seelsorgerischen Qualitäten des 90jährigen wusste. Mit zwanzig Jahren trat er in den Kapuzinerorden ein und lebte über sechzig Jahre im Konvent von Pescara. 

Der Autor dieser Zeilen hatte das Glück, Bruder Vincenzo noch im September dieses Jahres kennenzulernen. Als geistiger Sohn des Heiligen Pater Pio und Freund von Pater Domenico da Cese, für den derzeit ein Seligsprechungsverfahren läuft, hatte er ganz besonderes Charisma. Es war, als ob er über die Gaben der beiden Kapuziner verfügte. Er war damit ein Phänomen, dass heute im Aussterben begriffen ist – als einer der letzten Erben des Heiligen aus S. Giovanni Rotondo. Da er seine Gaben mit einer ansteckenden Fröhlichkeit und Menschlichkeit verband, wurde aus ihm ein wahrer Menschenfänger für die Sache des Herren. Für mich war dies das außergewöhnlichste und trostreichte Erlebnis in diesem so bedrückenden Jahr 2020.

Als langjähriger Gefährte P. Domenicos, der 1978 verstarb, hat er dessen Seligsprechungsprozess vorangetrieben, der ohne ihn vielleicht nie gestartet worden wäre. Er hatte das gleiche kindliche Gemüt und dieselbe Begabung zur Liebe und Hingabe wie Pater Domenico, als sei er sein spiritueller Zwilling. In diesem Geist setzte er sich für P. Domenicos großes Anliegen ein – als Missionar und Herold des Volto Santo di Manoppello.

Wir wollen aber Bruder Vincenzo selbst zu Wort kommen lassen, denn er hat Mitbrüdern und Gläubigen ein geistiges Testament hinterlassen, das wir hier in einer deutschen Übersetzung wiedergeben:

"Euch allen, liebe Mitbrüder und Mitschwestern, Väter und Mütter von Familien, jungen Menschen, und den Älteren mit den unvermeidlichen Gesundheitsproblemen, fühle ich mich verpflichtet, für die unermüdliche Großzügigkeit, für die Zuneigung und Freundschaft zu danken, mit der Ihr mich in den vielen Jahren meiner Zugehörigkeit zum Konvent des Heiligtums der „Madonna dei Sette Dolori“ in Pescara Colli begleitet habt.

Ich erinnere mich an die Zeit, als ich Euch zu Hause besuchte und durch das Land wanderte, um finanzielle Hilfe für den Unterhalt des Noviziats der Kapuziner in den Abruzzen zu erbitten. Ihr habt mir immer reichlich Geld, Öl, Wein und viele andere Dinge gegeben.

Dabei bin ich Euch nahe gekommen, Eurem Leben, Euren Familien, in Momenten der Freude oder des Alltags, aber auch in Momenten des Schmerzes und des Leidens. Ich habe mit Euch gebetet und Euch eingeladen, mit Glauben und Hoffnung auf die Schwierigkeiten zu schauen, die überwunden werden mussten und auf die Entscheidungen, die zu treffen waren. Dabei habe ich Euch meine spirituelle Unterstützung und meinen Trost zukommen lassen. 

Mein Platz war immer bei den Menschen, in der Kirche, im Kloster, auf den Straßen und in den Häusern. Besonders unter den leidenden und bedürftigen Menschen.

Seit mehr als sechzig Jahren erlebe ich im Heiligtum der Madonna dei Sette Dolori, wie die einst kleine Gemeinde wächst und sich entwickelt. Dabei habe ich immer versucht, mich in Einfachheit, Spontanität und Demut vom Vorbild des Poverello von Assisi leiten zu lassen.

Meine Gedanken gehen mit Dankbarkeit an den heiligen Pater Pio, der mir vor vielen Jahren dringend geraten hat, in Pescara zu bleiben. 

Im all' den Jahren folgte ich den Weisungen mehrerer Mitbrüder und insbesondere des Dieners Gottes, Pater Domenico da Cese, vom Heiligtum des Heiligen Antlitzes in Manoppello.  Für mich war er ein außergewöhnliches Beispiel der Hingabe an die Kirche und der unermüdlichen Aufmerksamkeit für die Nächsten, die er von morgens bis abends empfing, denen er zuhörte, die er tröstete und einlud zu beten und im Glauben des Herrn zu leben. Ihm fühlte ich mich in den Jahren nach seinem Tod nahe und einige Menschen, die seine geistigen Kinder waren, meinten in mir etwas von seiner Persönlichkeit zu erblicken, und zwar auch in meinem Äußeren. Aber ich bin nur ein armer Mönch, der nicht würdig ist, mit einem Diener Gottes verglichen zu werden.

Ich habe mich immer im Dienst meiner Mitbrüder und der Gemeinschaft gesehen, aber ich bitte um Vergebung, wenn ich etwas unterlassen habe, Fehler machte oder für das, was mir nicht gelungen ist. 

Ich habe Euch geliebt und ich werde mich immer an Euch erinnern in meinen Gebeten an den Herrn, Gott den Vater, auf dieser Erde und in der Ewigkeit.

Der Herr segne uns, hüte uns und beschütze uns.

Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen.

Pescara, 26. Februar 2020

Br. Vincenzo D'Elpidio"

Ebenfalls von Dr. Dirk Weisbrod bei CNA Deutsch erschienen: Die Serie "Die Kapuziner". 

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