Die drei Schwestern Mirabal wurden 1960 entführt, vergewaltigt, gefoltert und ermordet. Sie waren in der Dominikanischen Republik durch Militärangehörige des damaligen Diktators Rafael Trujillo verschleppt worden. 1999 also 39 Jahre später, hatten die Vereinten Nationen einen Aktionstag initiiert, den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, der seither jedes Jahr gefeiert wird. 

Die jordanische Diplomatin und UN-Staatssekretärin sowie Direktorin von "UN Frauen", Sima Sami Bahous, sagte, dass Konflikte, klimabedingte Naturkatastrophen, Ernährungsunsicherheit und Menschenrechtsverletzungen die Gewalt gegen Frauen verschärfen würde. 

Sima Sami Bahous, Executive Director:  "...Mehr als 70 Prozent der Frauen haben in einigen Krisensituationen und in reichen und armen Ländern geschlechtsspezifische Gewalt erlebt. Geschlechtsspezifische Vorurteile haben Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen begünstigt. Gewalt gegen Frauen wird oft nicht gemeldet, weil sie durch Stigmatisierung, Scham oder Angst vor den Tätern und vor einem Justizsystem, das nicht für Frauen arbeitet, zum Schweigen gebracht wird. Die COVID-19-Pandemie mit all ihrer Isolation und Distanzierung hat unsichtbare Gewalt ermöglicht. Eine zweite Schattenpandemie, die sich gegen Frauen und Mädchen richtet und bei der sie oft mit ihren Tätern eingesperrt sind."

1999 verabschiedet die UN-Generalversammlung ohne Abstimmung eine Resolution, nach der der 25. November zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, auch "Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen", bestimmt wurde.Alljährlich soll mit dem internationalen Gedenktag das öffentliche Interesse auf die Gewalt gegen Frauen gelenkt werden und Strategien zur Bekämpfung in den Mittelpunkt rücken. 

Gewalt gegen Frauen, und besonders während der Weihnachtszeit: Darüber sprachen wir in Genf mit Schwester Mirjam Silvia Beike von der Ordensgemeinschaft vom Guten Hirten, die als NGO mit besonderem Beraterstatus beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) agiert. Die Ordensfrau ist deren Hauptvertreterin bei den Vereinten Nationen in Genf. 


Schwester Mirjam, erklären Sie unseren Lesern bitte was ein besondere Beraterstatus ist und erzählen auch etwas über Ihre Ordensgemeinschaft.   

"Also es gibt diesen besonderen Berater-Status, also beim ökonomischen Rat, ökonomisch und sozialen Rat. Es gibt da auch zwei Unterschiede. Es gibt einen generellen Status, einen generellen Berater-Status und einen speziellen. Und dann gibt es natürlich die Organisationen, die keinen haben. Und mit dem speziellen Berater-Status können wir zum Beispiel beim Menschenrechtsrat, aber auch bei anderen Sitzungen nicht nur teilnehmen und auch das Wort ergreifen, wir können schriftliche Eingaben machen, wir können die mündlichen Eingaben machen, die dann auch schriftlich auf der Website des Menschenrechtsrats abgedruckt werden und abrufbar sind.

Es gibt den generellen, den großen Berater-Status, den haben zum Beispiel die Franziskaner. Wir sind hier auch im Büro, weil ich hier im Büro bei den Franziskanern bin und Mitarbeiter auch,  die haben immer noch mehr Möglichkeiten. Die dürfen auch längere Eingaben machen. Die haben also etwas mehr Einfluss oder Möglichkeiten als wir als eine NGO mit speziellem Berater-Status. Und wir haben den, weil wir in über 70 Ländern der Welt arbeiten. Und wir arbeiten vorwiegend mit Mädchen und Frauen in Notsituationen.   Und einer unserer Schwerpunkte ist Menschenhandel. Und aus dem Grund involviere ich mich hier an der UN Genf überwiegend, wenn es darum geht, um die Situation von Frauen. Gewalt gegen Frauen. Menschenhandel ist natürlich etwas. Wir beschäftigen uns mit aus der Obsetrukfistula, das ist, wenn eine Frau ein Kind zur Welt bringt und der Kopf vom Kind ist so groß und so, dass es zu sehr schweren Komplikationen bis hin zum Tod kommen kann. Das gibts noch sehr oft in Afrika. Das haben unsere afrikanischen Schwestern mich gebeten, hier auch jetzt ins Wort zu bringen. Also es sind vorwiegend Themen, die mit Frauen und der Situation von Frauen zu tun haben.

Kommen wir zum Thema Gewalt gegen Frauen , dazu gehört auch der Menschenhandel. Laut dem UN-Sonderberichterstatter für Gewalt gegen Frauen werden jeden Tag 137 Frauen von Mitgliedern ihrer eigenen Familie getötet.  Was sind Ihrer Meinung nach die  Ursachen für diese häusliche Gewalt gegen Frauen?  

Sr. Mirjam Silvia Beike: "Ja, ich habe mir dazu eine Notiz gemacht, wo die häusliche Gewalt definiert wird und ich finde das sehr interessant, sich das einmal anzuhören und ich les das vor. Das ist der Artikel 3 der Istanbul-Konvention, also : Alle Formen der körperlichen, sexuellen, seelischen und wirtschaftlichen Gewalt in Paarbeziehungen sowie in generationenübergreifenden Beziehungen insbesondere zwischen Eltern und Kindern oder auch zwischen zwei oder mehreren anderen Familienmitgliedern.

Also es ist ja es ist weiter gefasst und ich finde auch interessant, zum Beispiel generationenübergreifende Beziehungen. Es gibt ja durchaus Söhne, die ihren Müttern das Geld abnehmen, und zwar mit Waffengewalt zum Beispiel. Das hört sich jetzt sehr heftig an, aber das kommt vor. Das ist etwas, was wir als erstes gar nicht denken, wenn wir an häusliche Gewalt denken. Wir denken dann meistens an einen Ehemann, der seine Frau schlägt. Ich habe selber, also ich habe 30 Jahre lang mit direkt mit Menschen gearbeitet und auch lange Jahre ein Frauenhaus geleitet.

Und ich kann eins sagen , wenn eine Frau kam und der Mann war Alkoholiker, dann war im Grunde genommen nichts mehr zu retten. Es sei denn, der Mann konnte wirklich aufhören Alkohol zu trinken. Das ist wirklich etwas, das war. Das war nicht zu händeln. Es war nicht. Es ist hat sich nicht verbessert. Es war das. Das war immer wirklich einer der Hauptgründe Alkohol, ja... " 

Ein gutes Stichwort: Alkohol... besonders jetzt während der Weihnachstzeit und auch der pandemiebedingten Isolation. Vor dem Hintergrund dieser Krisensituation, erhöht das ja unter anderem auch die Wahrscheinlichkeit gewalttätiger Übergriffe auf Frauen? 

Sr. Mirjam Silvia Beike: Das finde ich sehr, sehr wichtig festzustellen. Dann gibt es natürlich auch andere Hintergründe, wie zum Beispiel prekäre soziale Verhältnisse oder soziale Isolation und fehlende Unterstützung durch das nähere Umfeld. Dann gibt es Beziehungen, die sind in einem pro kriminellen Umfeld. Wenn man schon Kontakte hatte, auch ins kriminelle Umfeld, dann ist da auch Gewalt ganz schnell vor Ort. Es gibt Konflikt beladene Paarbeziehungen oder Kommunikationsschwierigkeiten. Und da habe ich auch festgestellt. Wir haben im Frauenhaus durchaus auch Beratung und Mediations Gespräche zwischen den Ehepartnern geführt. Und ich habe dann oft gemerkt, dass es zwar sehr oft, dass der Mann Ausländer war und die Frau Deutsche. Und dann war der Mann natürlich wesentlich weniger Sprach gewandt als die Frau.

Und das ist ein Ort des Konfliktes, wenn er sich gar nicht so ausdrücken kann, wie er möchte, oder dann die Sprechgeschwindigkeit von der Frau auch anders ist und das dann herunter zu brechen auf eine einfache Sprache, die er verstehen kann. Das war sehr wichtig. Und da ist dann auch teilweise wieder eine Verständigung möglich gewesen. 

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Dann gibt es natürlich auch leider häusliche Gewalt im Kontext von Migration. Zum Beispiel Zwangsheirat ist eine häusliche Gewalt , weil die Töchter gegen ihren Willen verheiratet werden, Schwester?  

Sr. Mirjam Silvia Beike: "Oder auch Verstümmelung weiblicher Genitalien passiert. Das ist auch Gewalt. Das ist dann Gewalt der Eltern an den Töchtern. Und es passiert hier auch in Deutschland. Also das sind alles noch Hintergründe, die man nicht auf den ersten Blick sieht. Also die Gründe sehe ich ich in diesen schwierigen Lebensumständen in allen möglichen Facetten. Und wie gesagt, Alkohol ist dabei einer der Faktoren, der es wirklich schlimm macht." 

Die ständige Vertretung des Heiligen Stuhls, die Stimme des Papstes bei der UNO in Genf hatte Mitte des Jahres in ihrer Videobotschaft an den UN Menschenrechtsrat, Gewalt gegen Frauen auf das Schärfste verurteilt.

Monsignore John David Putzer, Geschäftsträger (Chargé d’affaires), Ständige Vertretung des Heiligen Stuhls bei der UNO in Genf: "Im weiteren Sinne sind psychische, verbale, körperliche und sexuelle Gewalt "Akte der Feigheit und eine Entwürdigung der gesamten Menschheit".  Es ist weithin anerkannt, dass je mehr die Würde der Frau gefördert und geschützt wird, desto mehr auch für die Familie, die Gemeinschaft und die Gesellschaft. Jedes Mal, wenn eine Frau Opfer von Gewalt wird, leidet auch die gesamte Gemeinschaft und Gesellschaft darunter.  Jegliches Schweigen über Gewalttaten gegen Frauen, jegliche Straffreiheit für die Täter und jegliche Gleichgültigkeit gegenüber körperlichen oder sexuellen Straftaten ist untragbar."

Der Europarat hat im Rahmen der weltweiten Aktion "16 Tage Aktivismus gegen geschlechtsspezifische Gewalt" auf seiner speziellen Website Fälle dokumentiert,  die zeigen, wie Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und ihre Umsetzung durch Mitgliedsstaaten des Europarates dazu beigetragen haben, innerstaatliche Gesetze und Praktiken bezüglich Gewalt gegen Frauen zugunsten der gesamten Gesellschaft zu verändern. 

Auch wenn Sie, lieber Leser, sicher genug um die Ohren haben mit der eigenen Existenz an den Feiertagen: Wenn Ihnen etwas Ungewöhnliches über Ihnen, neben Ihnen oder auf der anderen Straßenseite auffällt, fragen Sie, ob Hilfe benötigt wird. 

Betroffene und Hilfesuchende erhalten in Deutschland Rat und Beistand unter dieser Ruf-Nummer: 08000 116 016.

Stichwort: Die Schwestern vom Guten Hirten 

Der 1835 in Frankreich gegründeten, internationalen Kongregation gehören derzeit über 5.000 Schwestern in Niederlassungen in etwa 65 Ländern auf allen fünf Kontinenten an.  Die Gemeinschaft ist besonders der Arbeit für benachteiligte Frauen und Mädchen verpflichtet. Sie hat als Nichtregierungsorganisation (NGO) seit 1996 Beraterstatus (special consultative status) beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC).

In der Provinz Österreich–Schweiz–Tschechien gibt es derzeit elf Niederlassungen der Kongregation, in denen insgesamt 85 Schwestern leben. In Deutschland hat der Orden heute 25 Konvente, in den Bistümern Erfurt, Köln, Limburg, München-Freising, Münster, Paderborn, Regensburg, Trier und Würzburg. Daneben arbeiten insbesondere in Europa, wo die Gemeinschaft Schwesternmangel hat, auch assoziierte Laien mit dem Orden zusammen. Das Symbol der Schwestern vom Guten Hirten ist ein Kreuz mit dahinter gezeichnetem Herz; vor dem Langholz des Kreuzes steht ein Bischofsstab. 

Original-Interview aufgenommen in Genf von Kameramann Andriy Ryndych. Redaktion, Moderation und Schnitt: Christian Peschken für EWTN .TV

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