Wer dieser Tage über Benedikt XVI. schreibt, der schreibt zumeist über den Papst, der auf sein Amt verzichtet hat. Fast alle Nachrufe sehen sein Pontifikat von diesem spektakulären Ende her.

Natürlich wird dies Benedikt XVI. nicht gerecht. Die Erinnerung an den „Emeritus“ in den Vatikanischen Gärten bevorzugen deshalb zumeist jene, die meinen, sie könnten mit der Abdankung Benedikts die bisherige Kirche aufs Abstellgleis schieben.

Doch ein bedeutender Papst Benedikt XVI. lässt sich nicht „unschädlich“ machen, nach seinem Tod noch weniger als je zuvor. Im Gegenteil: Jeder seiner Nachfolger wird an ihm gemessen werden und vermutlich wird keiner gegen ihn bestehen. Immerhin war Benedikt XVI. der größte Gelehrte auf dem Apostolischen Stuhl seit Gregor dem Großen und er war auch der Papst, dem man am meisten zugehört hat: Was Benedikt sagte, das saß.

Schon zu Lebzeiten galt er deshalb als „Kirchenlehrer“ – auch seine Kritiker widersprachen dem nicht. Dass sich darunter vor allem Deutsche befanden, überrascht wohl nicht. Der „deutsche“ Papst blieb seinen Landsleuten immerfort ein Fremder; bayerische Folklore und billige Ressentiments ersetzten die Rezeption dessen, was er ihnen aus der Tiefe des Herzens und der Weite seines Geistes zu sagen gehabt hätte. Nichts konnte man in Deutschland weniger behaupten als „Wir sind Papst“.

Der Prophet gilt eben nichts im eigenen Lande; das hat gerade Benedikt XVI. schmerzlich erfahren. Eine „sprungbereite Feindseligkeit“ nannte er dies.

Daran, dass er wirklich ein Prophet war, änderte derlei natürlich nichts, und wie alle Propheten deutete Benedikt ausschließlich auf den hin, der mehr ist als er: Unablässig wies er auf Christus hin, darauf, dass Gott uns in IHM sein menschliches Angesicht zeigt; die späte Trilogie „Jesus von Nazareth“ ist ein bleibendes Zeugnis dafür.

Benedikt betonte aber auch, dass der Glaube nie etwas „Selbstgemachtes“ sein könne; er lasse sich keinem politischen Konsens opfern und würde wertlos, wenn man heute verleugnet, was man gestern gelehrt hat. Die breite Wiederzulassung des überlieferten Messritus lag ganz auf dieser Linie. Doch Benedikt ging es um viel mehr: Er unterstrich, dass die Kirche ohne ihre Tradition niemals überleben kann. Dies betrifft die Feier der Heiligen Messe wie den Glauben insgesamt: „Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein.“ Hinter diese prophetische Wahrheit kann keiner seiner Nachfolger zurück.

Eine „synodale Kirche“ , die sich selbst zum Verhandlungsobjekt macht, wäre dagegen unter Benedikt XVI. so undenkbar gewesen wie die schismatischen Bestrebungen des „Synodalen Wegs“ oder der breite Glaubensabfall der deutschen Bischöfe. Der sanfte Gelehrte auf dem Papstthron war eben auch, was man ihm am wenigsten zugetraut hätte: Er war wahrhaftig ein Fels. Benedikt führte die Kirche sicher in stürmischer Zeit und bot ihren Feinden keine Angriffsfläche. Er trotzte dem Zeitgeist und dem Relativismus und wurde nie müde, vor deren Gefahr zu warnen.

Dass dazu auch körperliche Kräfte gehören, ist klar, und erst als die versagten, verzichtete Benedikt auf sein Amt. Er wusste, es ging um den Felsen Petri und nicht um ihn; nie hätte er sich für „unverzichtbar“ gehalten. Schließlich trat Joseph Ratzinger schon immer bescheiden hinter seinen Aufgaben zurück; dass er als Papst dabei blieb, zeugt von Demut und auch von Konsequenz. Beide Eigenschaften zeichneten ihn besonders aus; deutsche Medien nannten ihn dagegen nur „umstritten“. Das waren freilich alle Propheten und wie Jesus selbst waren sie immer ein „Zeichen, dem widersprochen wird“ (Lk 2,34).

Benedikt XVI. war sich genau dessen zutiefst bewusst. Bei seiner Bischofsweihe 1977 bekannte er deshalb, dass er eine Botschaft auszurichten habe, die größer sei als er. Dieser Botschaft blieb er treu bis in den Tod, und in diesem Sinne war Benedikt XVI. als großer Gelehrter eben auch ein großer Prophet – vielleicht der letzte auf dem Apostolischen Stuhl.

Dr. Joachim Heimerl ist Priester und Oberstudienrat.

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