26. Oktober 2024
Vom „Ethos des Schenkens“ spricht Johannes Paul II. in der Katechese vom 20. Februar 1980 (veröffentlicht in L’Osservatore Romano 80/9). Entschieden betont der Papst, dass die Frau nie, zu keinem Zeitpunkt, ein „Objekt für den Mann“ sei, und dasselbe gelte auch umgekehrt: „Die innere Unschuld als Reinheit des Herzens machte es gewissermaßen unmöglich, dass der eine vom anderen irgendwie auf das Niveau eines bloßen Objekts herabgesetzt wurde. Wenn sie sich voreinander nicht schämten, dann heißt das, dass das Bewusstsein der Hingabe, des Schenkens sie vereinte, dass sie sich gegenseitig der bräutlichen Bedeutung ihres Leibes bewusst waren, in welcher die Freiheit des Schenkens zum Ausdruck kommt und sich der ganze innere Reichtum der Person kundtut. Diese gegenseitige Durchdringung des Ichs der menschlichen Personen, des Mannes und der Frau, scheint subjektiv jede Verengung auf ein Objekt auszuschließen.“
Die Geschichte, auch die Gegenwart, ist auf eine schmerzhafte Weise reich daran, dass besonders Männer Frauen wie ein Objekt ansehen und behandeln, nicht als eine gleichberechtigte Person, von Gott gewollt und geliebt. Johannes Paul II. betont hier ausdrücklich die Wechselseitigkeit der Hingabe in der Partnerschaft. Ein Mensch, der sich des anderen bemächtigt, verlässt die Sphäre der Hingabe und übt Macht aus, verletzt, tut weh, missbraucht die andere Person. Die Liebe nähre sich ausschließlich aus der „Gegenseitigkeit des Schenkens“.
Die „Gnade der ursprünglichen Unschuld“ verlieren Mann und Frau mit dem Sündenfall. Die „bräutliche Bestimmung des Leibes“ besteht fort, als ein „fernes Echo der ursprünglichen Unschuld in die Tiefe des Menschenherzens eingeschrieben“: „Von jener bräutlichen Bestimmung her entwickelt sich die menschliche Liebe in ihrer ganzen Wahrheit und echten Subjektivität. Der Mensch entdeckt hier – wenn auch durch den Schleier der Scham – fortwährend sich selbst als Hüter der Freiheit des Schenkens, um dieses Geheimnis gegen jede Verengung zum bloßen Gegenstand zu verteidigen.“
Zu Beginn sind Mann und Frau in das „Schöpfungsgeheimnis“ versunken, eingewoben in die „verborgenen Geheimnisse“ von Unschuld, Gnade, Liebe und Gerechtigkeit, fern von der „Erkenntnis von Gut und Böse“. Johannes Paul II. schreibt: „Der Mensch erscheint in der sichtbaren Welt als der höchste Ausdruck des göttlichen Geschenks, weil er das ganze Ausmaß dieses Geschenks in sich trägt. Und damit bringt er seine besondere Ähnlichkeit mit Gott in die Welt, durch die er auch seine Sichtbarkeit in der Welt, seine Leiblichkeit, sein Mann- bzw. Frausein und seine Nacktheit transzendiert und beherrscht. Diese Ähnlichkeit spiegelt sich auch in dem ursprünglichen Bewusstsein von der bräutlichen Bestimmung des Leibes wider, die von dem Geheimnis der ursprünglichen Unschuld durchdrungen ist.“
Dies bezeichnet ein „Ursakrament“, ein Zeichen für das „Geheimnis der Wahrheit und der Liebe, das Geheimnis des göttlichen Lebens, an dem der Mensch wirklich teilnimmt“: „Das Sakrament als sichtbares Zeichen wird durch den Leib des Menschen, mittels seines sichtbaren Mann- bzw. Frauseins begründet. Der Leib, und nur er, kann das Unsichtbare sichtbar machen: das Geistliche und Göttliche. Er wurde geschaffen, das von Ewigkeit her in Gott verborgene Geheimnis in die sichtbare Wirklichkeit der Welt zu übertragen und so Zeichen dieses Geheimnisses zu sein.“
Der Papst spricht sodann vom „sakramentalen Charakter der Schöpfung“, ja der Welt, der geoffenbart worden sei: „Denn durch seine Leiblichkeit, durch sein Mann- bzw. Frausein, wird der Mensch sichtbares Zeichen des Heilsplanes der Wahrheit und der Liebe, der seinen Ursprung in Gott selbst hat und bereits im Schöpfungsgeheimnis offenbar wurde.“ Das Ehesakrament ist in Genesis 2,24 fundiert, wenn von der Fleischwerdung von Mann und Frau gesprochen wird: „Das Sakrament der Welt und des Menschen in der Welt stammt aus der göttlichen Quelle der Heiligkeit und ist gleichzeitig für die Heiligkeit eingesetzt. Die mit der Erfahrung des bräutlichen Sinnes des Leibes verbundene ursprüngliche Unschuld ist dieselbe Heiligkeit, die es dem Menschen ermöglicht, sich mit seinem Körper, und zwar eben durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst, zutiefst auszudrücken. Das Bewusstsein des Schenkens bedingt in diesem Fall das ‚Sakrament des Leibes‘: Der Mensch fühlt sich in seiner Leiblichkeit als Mann bzw. Frau als Subjekt der Heiligkeit.“
Das Bewusstsein vom „Sinn des eigenen Leibes“ besitzen Mann und Frau, sie treten als „Subjekt der Wahrheit und der Liebe“ in die Welt ein. Geschildert werde im Buch Genesis das „erste Fest der Menschheit“, die „Fülle der Erfahrung des bräutlichen Sinn des Leibes“, somit ein Fest, „das, von den göttlichen Quellen der Wahrheit und der Liebe herkommend, im Geheimnis der Schöpfung seinen Ursprung hat“, auf das bald allerdings Sünde und Tod folgen. Doch Johannes Paul II. betont die Dimension der Hoffnung, die mit dem „Schöpfungsgeheimnis“ verbunden ist, „die Hoffnung nämlich, dass die Frucht des göttlichen Heilsplanes der Wahrheit und der Liebe, der am Anfang offenbart wurde, nicht der Tod, sondern das Leben sein soll, nicht die Zerstörung des Leibes des nach dem Bilde Gottes geschaffenen Menschen, sondern die ‚Berufung zur Herrlichkeit‘ (vgl. Röm 8, 30)“.
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