Bei der Delegation des Heiligen Stuhls in einem Vorort von Genf bereitet man gerade eine Rede vor. Dr. Carlo Maria Marenghi, der auch Dozent für internationales Recht an der Webster Universität ist, unterstützt Erzbischof Ivan Jurkovič bei der Vorbereitung seiner Erklärung, die später am selben Tag vor der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung, kurz UNCTAD, abgegeben werden soll. Das Thema: Handel und Entwicklung im Lichte der Covid-19-Krise. 

Ganz im Geiste der katholischen Kirche konzentriert sich der Heilige Stuhl in der Rede auf diejenigen, deren Leben und Lebensgrundlagen stärker betroffen sind, nämlich die Menschen in den Entwicklungsländern.



Die heutige Sitzung wird virtuell sein, und das bedeutet für den Heiligen Stuhl, dass der Erzbischof seine Rede auf seinem Laptop online direkt in das Tonaufnahmesystem der UNO aufnimmt.   

In seiner Erklärung sagte Erzbischof Ivan Jurkovič, dass die Ursachen dieser Krise nicht nur wirtschaftlicher und finanzieller Natur, sondern vor allem moralischer Natur seien. „Daher, in Anerkennung des Primats des Vorrangs einer Ethik vor der Wirtschaft sollten die Menschen weltweit von einer Ethik der Solidarität motiviert werden.“ 


Wir fragten den Erzbischof ob moralische Prinzipien in einer hauptsächlich profitorientierten Welt überhaupt möglich seien?

Erzbischof Ivan Jurkovič, Ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls
bei den Vereinten Nationen in Genf : "Ich will das ganz Einfach beantworten: Sie sind nicht nur möglich, sie sind unerlässlich... Wir schaffen eine bessere Welt indem wir uns an Regeln halten und an die Normen. Gewöhnlich wird dies nur im juristischen Sinne verstanden , das wir also Gesetze respektieren, aber wir kümmern uns nicht um Ethik und Moral.  Jeder weiß aber doch, dass die wirkliche Achtung des Gesetzes nur dann möglich ist, wenn man auch moralisch dahinter steht. Ich erinnere mich an die Zeit als ich in Osteuropa gelebt habe, und an die Veränderungen nach dem Ende und Zusammenbruch der Sowjetunion. Da kamen nun viele ausländische Unternehmen und das wichtigste für sie waren nicht die Kapazitäten und die Infrastrukturen, sonderm vor Allem die menschlichen Qualitäten. Denn wenn man gute menschliche Qualitäten hat, wenn man Menschen hat, die moralisch und ethisch verantwortlich sind, wird man mit ihnen zusammen erfolgreiche Geschäfte machen".

In Anlehnung an die Urbi et Orbi Botschaft vom 12. April von Papst Franziskus forderte die Delegation des Heiligen Stuhls Sofortmaßnahmen der internationalen Gemeinschaft, um die Last und Kampf ums Überleben der krisengeschüttelten Entwicklungsländer zu erleichtern.
 
Erzbischof Ivan Jurkovič, Ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls
bei den Vereinten Nationen in Genf  : "Angesichts der gegenwärtigen Umstände drängt der Heilige Stuhl darauf,  daß alle Staaten in die Lage versetzt werden, die notwendigsten Maßnahmen in Angriff zu nehmen, indem die Schulden, welche die Bilanzen der ärmsten Länder belasten, teilweise oder sogar ganz erlassen werden...Dies sind Worte von Papst Franziskus".

Papst Franziskus wird oft vorgeworfen, dass seine wirtschaftlichen und sozialen Ideen und seine Kritik am Kapitalismus den Geschmack des Marxismus haben.  Jedoch bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass er in Wirklichkeit die Soziallehre der römisch-katholischen Kirche widerspiegelt, und das bedeutet, so Papst Franziskus, "nicht, marxistisch zu sein".

"Was die Verantwortung der Kirche und den Geist des Evangeliums angeht, „ so Erzbischof Jurkovič, „ so müssen wir uns stets darüber klar sein, dass wir alle zusammen auf begrenztem Raum und mit begrenzten Ressourcen leben. Wir sind nicht alleine. Wenn wir zu viel nehmen, werden andere Nichts haben. Und das ist, glaube ich, die enorme Intuition des Papstes, die sein Pontifikat leitet und irgendwie definiert".

Die 'Hoffnung' ist eine der drei theologischen Tugenden in der christlichen Tradition. Besondes heute  sollte diese in Bezug auf 'eine gute, schwierige, aber erreichbare Zukunft' praktiziert werden, wie der katholische Philosoph Thomas von Aquin es definierte.

Erzbischof Ivan Jurkovič, Ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls
bei den Vereinten Nationen in Genf: 
"Tatsache ist, dass die Menschheit, die menschliche Gesellschaft, immer einfallsreich war und ist. Die Menschheit wird immer Wege finden, sich zu von allen möglichen Geißeln zu befreien. Und ich denke, die religiöse Institution, die Kirche und andere Organisationen, werden alles tun, um die Aufmerksamkeit auf die zu lenken die nicht privilegiert sind. Wir werden unser Bestes tun, allen zu zeigen, dass wir eine Stimme für diejenigen sind, die keine Stimme haben. Und wir werden auch weiterhin das Augenmerk aller auf diese Tatsache lenken". 

Der Heilige Stuhl teilte den Vereinten Nationen mit, dass man dabei sei, ein Positionspapier zu verfassen, das bei der nächsten UNCTAD-Ministerkonferenz vorgelegt würde. Das Papier  soll die internationale Gemeinschaft alarmieren, diejenigen, die während dieser Pandemie in allen Teilen der Welt am Rande der Gesellschaft leben, nicht im Stich zu lassen. 

Original Interview aufgenommen vom Genfer EWTN-Korrespondenten in Genf, Ignatius Mugwagwa. Redaktion, Übersetzung und Schnitt: Christian Peschken (EWTN Deutschland). Sprecher:  Jan Peter Richter, Christian Peschken. 

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