Die Enzyklika „Deus caritas est“ enthält ein theologisches Kontrastprogramm zu den Vorstellungen von Liebe und dem christlichen Menschenbild, die gegenwärtig in der Theologie und Kirche hierzulande kursieren. Benedikt setzt 2005 die gelebte Liebe in Zusammenhang mit der „menschlichen und göttlichen Verheißung“. Er unterscheidet die „noch suchende und unbestimmte Liebe“ von der „Erfahrung von Liebe, die nun wirklich Entdeckung des anderen ist und so den egoistischen Zug überwindet, der vorher noch deutlich waltete“: „Liebe wird nun Sorge um den anderen und für den anderen. Sie will nicht mehr sich selbst — das Versinken in der Trunkenheit des Glücks –, sie will das Gute für den Geliebten: Sie wird Verzicht, sie wird bereit zum Opfer, ja sie will es.“ 

Es gibt viele Formen einer weltlichen Lebens- und Liebespraxis, die von Daseinsgenuss sprechen, aber gerade so dem Ich verhaftet bleiben. Der Partner wird dann zum Objekt des Begehrens oder Triebbefriedigung degradiert. Die Liebe, so Benedikt, wolle „Endgültigkeit“ – und zwar im „Sinn der Ausschließlichkeit“: „Sie umfaßt das Ganze der Existenz in allen ihren Dimensionen, auch in derjenigen der Zeit. Das kann nicht anders sein, weil ihre Verheißung auf das Endgültige zielt: Liebe zielt auf Ewigkeit.“ Liebe sei auch Ekstase, aber nicht „im Sinn des rauschhaften Augenblicks“, sondern als „ständiger Weg aus dem in sich verschlossenen Ich zur Freigabe des Ich, zur Hingabe und so gerade zur Selbstfindung, ja, zur Findung Gottes“.

Für viele Formen der Beliebigkeit werden gegenwärtig christliche Etiketten gesucht. Kann jede Form von Partnerschaft von der Kirche gesegnet werden? Das biblische Menschenbild schreibt die gegengeschlechtliche Partnerschaft fest. Die Ehe zwischen Mann und Frau ist nur denkbar in der Beziehung mit Gott, ebenso ist sie undenkbar ohne den Gedanken des Opfers. Benedikt verweist auf die Evangelien, wenn der Herr den eigenen Weg beschreibe, der „durch das Kreuz zur Auferstehung führt — den Weg des Weizenkorns, das in die Erde fällt und stirbt und so reiche Frucht trägt“. Darin beschreibe er auch das „Wesen der Liebe und der menschlichen Existenz überhaupt von der Mitte seines eigenen Opfers und seiner darin sich vollendenden Liebe her“. Wer das nicht versteht, hat vom christlichen Liebesbegriff und vom Sakrament der Ehe nichts oder nicht genug verstanden.

Benedikt wendet sich gegen Vereinseitigungen. Eros und Agape, „aufsteigende und absteigende Liebe“, ließen sich „niemals ganz voneinander trennen: „Je mehr beide in unterschiedlichen Dimensionen in der einen Wirklichkeit Liebe in die rechte Einheit miteinander treten, desto mehr verwirklicht sich das wahre Wesen von Liebe überhaupt. Wenn Eros zunächst vor allem verlangend, aufsteigend ist — Faszination durch die große Verheißung des Glücks —, so wird er im Zugehen auf den anderen immer weniger nach sich selber fragen, immer mehr das Glück des anderen wollen, immer mehr sich um ihn sorgen, sich schenken, für ihn da sein wollen. Das Moment der Agape tritt in ihn ein, andernfalls verfällt er und verliert auch sein eigenes Wesen. Umgekehrt ist es aber auch dem Menschen unmöglich, einzig in der schenkenden, absteigenden Liebe zu leben. Er kann nicht immer nur geben, er muß auch empfangen. Wer Liebe schenken will, muß selbst mit ihr beschenkt werden.“  Die ursprüngliche Quelle sei Jesus Christus selbst, aus dessen geöffnetem Herzen die Liebe Gottes entströme.

Die Liebe, so Benedikt, sei eine „einzige Wirklichkeit“ mit verschiedenen Dimensionen. Die eine oder andere Seite könne stärker hervortreten, aber die beiden Seiten dürften nicht auseinanderfallen. Sonst entstünde eine „Karikatur“ von Liebe, vielleicht auch eine „Kümmerform“. In der Wirklichkeit sehen wir genug Spielarten von dem, was mit Liebe identifiziert wird. Zu wenig Engagement besteht in der Ehekatechese, wie oft sind Liebespaare, die heiraten wollen, für das Sakrament untauglich, nicht reif genug, im Wesentlichen also unaufgeklärt. Die „Kümmerform von Liebe“ kann sich auch in sinnwidrigen Machtverhältnissen spiegeln, wenn die Ehe als bloßer Vertrag angesehen wird. Die „Kümmerform“ letztlich entsteht auch, insoweit persönliche Okkupationen auftreten und in dem unbändigen Verlangen der Partner nicht ganz gesehen, nicht ganz anerkannt und in seiner Würde geachtet wird. Auch die Romantik liefert hierzu Bilder, die betörend anmuten, aber oberflächlich und weltlich bleiben. Warum etwa, so können wir uns fragen, tun sich so viele Menschen heute schwer mit dem christlichen Menschenbild? Warum versuchen auch Theologen und Bischöfe, dieses zu revidieren und zu überarbeiten? Warum grenzen sich viele Menschen, die sich Christen nennen, von einer biblischen, ganzheitlichen und naturrechtlich gegründeten Sicht des Menschen ab, statt die Schönheit der christlichen Anthropologie zu entdecken?

Die Ökologie des Menschen ist mitnichten zweideutig. Der christliche Glaube und die Morallehre der Kirche sind auch nicht lebensfremd, sondern wirklich lebensfreundlich. Benedikt XVI. legt dar, dass „der biblische Glaube nicht eine Nebenwelt oder Gegenwelt gegenüber dem menschlichen Urphänomen Liebe aufbaut, sondern den ganzen Menschen annimmt, in seine Suche nach Liebe reinigend eingreift und ihm dabei neue Dimensionen eröffnet“: „Dieses Neue des biblischen Glaubens zeigt sich vor allem in zwei Punkten, die verdienen, hervorgehoben zu werden: im Gottesbild und im Menschenbild.“ Über diese Neuheit des biblischen Glaubens werden wir weiter mit Benedikt theologisch nachdenken.

Die Geistlichen Betrachtungen zu den Enzykliken Papst Benedikt XVI. finden Sie hier im Überblick.

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