Am Weihnachtsfest 2005, mitten in dem glanz- und freudvollen ersten Jahr des Pontifikates, hat Papst Benedikt XVI. mit "Deus caritas est" seine erste Enzyklika veröffentlicht – ein wahrer Impuls zur Erneuerung des Glaubens und der Kirche in Christus. 

Benedikt XVI. verweist auf die "Mitte des christlichen Glaubens", auf den Gott, der die Liebe ist. Den christlichen Glauben dürfen wir daher weder als eine Philosophie noch als eine Weltanschauung begreifen: "Am Anfang des Christseins steht nicht ein ethischer Entschluß oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt." Der Glaube ist es, der Menschen auf der ganzen Welt verbindet und zueinander führt. Aus der Bindung an Gott und die Kirche des Herrn erkennen wir im Glauben, Hoffen und Lieben, dass wir zu einer Familie gehören, dass wir das Volk Gottes sind, Schwestern und Brüder im Glauben. Wie oft aber beherrschen müßige Diskurse über Identität die Medien, in allen Formen und Farben. Der Christ ist aber zuerst Christ, Glied der Kirche, die alle Zeiten und Orte umfasst, Weggefährte der Heiligen und auf dem Pilgerweg des Glaubens. Es geht also nicht darum, sich als Traditionalist zu erklären oder modernistische Absichten zu hegen, sondern um eine tiefe Bindung an den Herrn und die Kirche, die er gestiftet und gegründet hat, die im Innersten eine Liebesgemeinschaft ist, mit, in und durch Christus – und so auch untereinander: "Die Liebe ist nun dadurch, daß Gott uns zuerst geliebt hat (vgl. 1 Joh 4, 10), nicht mehr nur ein Gebot, sondern Antwort auf das Geschenk des Geliebtseins, mit dem Gott uns entgegengeht." 

Benedikt möchte über die "praktische Antwort der Menschen auf die göttliche Liebe" nachdenken: "Die Liebe Gottes zu uns ist eine Grundfrage des Lebens und wirft entscheidende Fragen danach auf, wer Gott ist und wer wir selber sind." Die Selbstbezüglichkeit unserer Existenzweise wird gleich zu Beginn der Enzyklika als Problem benannt. Beschäftigt uns überhaupt noch die Frage nach Gott? Wissen wir, woran wir glauben? Oder möchten wir uns selbst verwirklichen, unsere Pläne und Absichten umsetzen, neue Wege gehen – und vielleicht sogar eine moderne Kirche bauen? Welchen Platz räumen wir Gott in unserem Leben ein? Lassen wir überhaupt seine Liebe an uns heran? Oder schotten wir uns ab, vor Gott und voreinander? 

Die Liebe habe mit dem "Göttlichen" zu tun, sie verheiße "Unendlichkeit, Ewigkeit — das Größere und ganz andere gegenüber dem Alltag unseres Daseins". Gleichzeitig weist Benedikt aber auf die Notwendigkeit hin, dass Liebe wachsen und reifen muss, ja auch gereinigt werden muss, damit die Liebe nicht hinter der Macht der Triebe verschwindet oder von ihr okkupiert wird: "Reinigungen und Reifungen sind nötig, die auch über die Straße des Verzichts führen. Das ist nicht Absage an den Eros, nicht seine Vergiftung, sondern seine Heilung zu seiner wirklichen Größe hin."

Die Leidenschaften führen zu einer gewissen Dynamik, zu Impulsivität und auch zu Hybris. Ebenso ist eine reine Vergeistigung nicht förderlich. Benedikt schreibt über die Dimensionen des Menschen: "Der Mensch wird dann ganz er selbst, wenn Leib und Seele zu innerer Einheit finden; die Herausforderung durch den Eros ist dann bestanden, wenn diese Einung gelungen ist. Wenn der Mensch nur Geist sein will und den Leib sozusagen als bloß animalisches Erbe abtun möchte, verlieren Geist und Leib ihre Würde. Und wenn er den Geist leugnet und so die Materie, den Körper, als alleinige Wirklichkeit ansieht, verliert er wiederum seine Größe." 

Den Vorwurf der "Leibfeindlichkeit" weist Benedikt ab. Das Christentum sei nicht leibfeindlich, aber es lehne die "Verherrlichung des Leides" ab und protestiere gegen einen verdinglichten Eros: "Der zum Sex degradierte Eros wird zur Ware, zur bloßen Sache; man kann ihn kaufen und verkaufen, ja, der Mensch selbst wird dabei zur Ware. In Wirklichkeit ist dies gerade nicht das große Ja des Menschen zu seinem Leib. Im Gegenteil: Er betrachtet nun den Leib und die Geschlechtlichkeit als das bloß Materielle an sich, das er kalkulierend einsetzt und ausnützt. Es erscheint nicht als Bereich seiner Freiheit, sondern als ein Etwas, das er auf seine Weise zugleich genußvoll und unschädlich zu machen versucht. In Wirklichkeit stehen wir dabei vor einer Entwürdigung des menschlichen Leibes, der nicht mehr ins Ganze der Freiheit unserer Existenz integriert, nicht mehr lebendiger Ausdruck der Ganzheit unseres Seins ist, sondern gleichsam ins bloß Biologische zurückgestoßen wird. Die scheinbare Verherrlichung des Leibes kann ganz schnell in Haß auf die Leiblichkeit umschlagen. Demgegenüber hat der christliche Glaube immer den Menschen als das zweieinige Wesen angesehen, in dem Geist und Materie ineinandergreifen und beide gerade so einen neuen Adel erfahren. Ja, Eros will uns zum Göttlichen hinreißen, uns über uns selbst hinausführen, aber gerade darum verlangt er einen Weg des Aufstiegs, der Verzichte, der Reinigungen und Heilungen." 

Wie schön wäre es doch, wie theologisch sachgerecht und sinnvoll, wenn diese Betrachtungen über die Liebe im Christentum auch Eingang fänden in die Beratungen des "Synodalen Weges" – finden Sie nicht auch? Benedikt XVI. wirbt für eine ganzheitliche Sicht des Menschen und der Liebe, die auf dem Evangelium Jesu Christi und der Lehre der Kirche fußt. So menschenfreundlich, so leib- und lebensfreundlich ist das Christentum gerade dann, wenn es jede Apologie der Weltlichkeit und jede Anpassung an den Zeitgeist vermeidet. Die Kirche hierzulande könnte, in der Besinnung auf die Darlegungen Benedikts, auch von Gottes Liebe Zeugnis geben.  

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