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Gegen alle Hoffnung voll Hoffnung glauben – Gedanken zur Tugend der Hoffnung

Symbolbild
Pater Martin Wolf OMI

Ein Student stellt vor seiner Universität seine Tasche ab, nimmt einen Kanister und übergießt sich mit Benzin. Ein Streichholz flammt auf, und bevor jemand begreifen oder eingreifen kann, verbrennt sich der junge Mann. Die Polizei findet in seiner Aktentasche einen Zettel mit dem Vermächtnis des Studenten:

"Ein Leben ohne Hoffnung in einer Welt ohne Liebe endet mit einer sinnlosen Geste!"

In dieser ehrlichen und erschütternden Bilanz eines Menschenlebens sind drei Fragen enthalten, die alle Menschen umtreiben und an letzte Grenzen führen:

  1. Wer gibt uns eine lebendige Hoffnung über alles Sterben und Vergehen hinaus?
  2. Was bleibt am Ende als tragfähige und gültige Liebe?
  3. Welcher Glaube gibt dem Leben mit all seinen Abgründen und Geheimnissen einen tiefen und unzerstörbaren Sinn?

Die Hoffnung als göttliche Tugend

Hinter diesen drei existenziellen Fragen stehen die drei göttlichen Tugenden: der Glaube, die Hoffnung und die Liebe. Im 13. Kapitel des ersten Korintherbriefs bettet Paulus die Hoffnung in sein großes Loblied auf die Liebe ein: "Am Ende bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei."

Während die menschlichen Tugenden, zum Beispiel die vier Kardinaltugenden (Gerechtigkeit, Mäßigkeit, Tapferkeit und Klugheit) aus einem Bemühen des Menschen kommen, werden aus christlicher Sicht die drei göttlichen Tugenden sozusagen von Gott in die Seele des Menschen eingegossen. Sie sind eine Art göttliches Geschenk, eine Gabe von Gott, damit der Mensch bestehen kann. Und tatsächlich kann man weder Glaube noch Hoffnung noch Liebe machen, kaufen oder herstellen.

Daher bleibt die Hoffnung ein Geschenk, das man nicht einfordern kann. Ohne Hoffnung jedoch wird das Leben unerträglich und es geht wie bei dem unglücklichen Studenten in Flammen auf.

Die Schule der Hoffnung

Papst Benedikt XVI. hat seine zweite Enzyklika ganz der Hoffnung gewidmet. Ihr Titel ist "Spe salvi", d.h. "Auf Hoffnung hin sind wir gerettet". Dieser Gedanke ist dem Römerbrief entnommen (Röm 8:24). Dort erfahren wir, dass die Erlösung, also das Heil des Menschen, nach christlichem Verständnis nicht einfach da ist. Erlösung ist in der Weise gegeben, dass uns Hoffnung geschenkt wurde.

Es ist eine verlässliche Hoffnung, mit der wir unsere Gegenwart bewältigen können. Papst Benedikt schreibt:

"Gegenwart, auch mühsame Gegenwart, kann gelebt und angenommen werden, wenn sie auf ein Ziel zuführt und wenn wir dieses Ziels gewiss sein können; wenn dies Ziel so groß ist, dass es die Anstrengung des Weges rechtfertigt." (Spe salvi, Nr. 1).

Auch wenn die Hoffnung eine Gabe ist, gibt es doch Orte, an denen wir Hoffnung erlernen können. Zunächst nennt das Lehrschreiben das Gebet als Schule der Hoffnung. In dem wir betend das Leben vor Gott bringen, werden wir mit Hoffnung beschenkt. Denn wenn mir niemand mehr zuhört, wenn ich niemanden habe mit dem ich reden kann, wenn es niemanden gibt, der mir helfen will, Gott hört mir immer noch zu und kann mir helfen: Der Betende ist nie ganz allein (Spe salvi, Nr. 32-34).

Ferner sind das Tun und das Leiden Lernorte der Hoffnung. Jedes ernsthafte und rechte Handeln ist gelebte Hoffnung. Durch unser Engagement helfen wir die Welt ein wenig heller und menschlicher zu machen. Wir hoffen auf mehr als auf das gerade erreichbare, und auf das, was die herrschenden politischen und wirtschaftlichen Mächte uns zu hoffen anbieten. Es ist wichtig zu wissen, dass ich immer noch hoffen kann, auch wenn ich für mein Leben augenblicklich nichts mehr zu erwarten habe:

"Nur die große Hoffnungsgewissheit, dass trotz allen Scheiterns mein eigenes Leben und die Geschichte im ganzen in einer unzerstörbaren Macht der Liebe geborgen ist und von ihr her, für sie Sinn und Bedeutung hat, kann dann noch Mut zum Wirken und zum Weitergehen schenken." (Spe salvi, Nr. 35-40).

Die Enzyklika spricht dann noch vom Letzten Gericht als Übungsort der Hoffnung. Christus wird wiederkommen; das ist der Glaube der Kirche. "Der Glaube an Christus hat nie nur nach rückwärts und nie nur nach oben, sondern immer auch nach vorn, auf die Stunde der Gerechtigkeit hingeblickt, die der Herr wiederholt angekündigt hatte. Dieser Blick nach vorn hat dem Christentum seine Gegenwartskraft gegeben. In der Gestaltung der christlichen Kirchenbauten, die die geschichtliche und kosmische Weite des Christus-Glaubens sichtbar machen wollten, wurde es üblich, an der Ostseite den königlich wiederkommenden Herrn – das Bild der Hoffnung – darzustellen, an der Westseite aber das Weltgericht als Bild der Verantwortung unseres Lebens, das die Gläubigen gerade auf ihrem Weg in den Alltag hinaus anblickte und begleitete."

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Der Glaube an das Letzte Gericht ist daher zuallererst und zuallermeist Hoffnung. Die Frage nach einer endgültigen Gerechtigkeit ist das eigentliche und stärkste Argument für den Glauben an das ewige Leben. Denn damit hat nicht nur die individuelle erlittene Ungerechtigkeit, sondern auch das Unrecht der Geschichte das letzte Wort, denn der wiederkehrenden Christus wird einen neuen Himmel und eine neue Erden machen, wie es das Buch der Offenbarung im Kapitel 21 ankündigt (Spe salvi, Nr. 41-48).  

Crux spes unica

In der Liturgie des Karfreitages rezitiert die Kirche das Lied des Dichters Venantius Fortunatus (6. Jhd.): "O crux ave, spes unica" – "O heil’ges Kreuz, sei uns gegrüßt, du einz’ge Hoffnung in der Welt". Heute mögen viele Menschen das Kreuz nicht mehr als alternativlose Einzigkeit der Hoffnung anerkennen. Aber es bleibt doch wenigstens die "spes unica" als die einzigartige Hoffnung, nämlich die Hoffnung auf einen Gott, dem nichts Menschliches fremd ist, weil er selbst den Schmerz des Todes kennt und der seine Welt und Menschheit erlöst hat.

Er wird auch dann sein, wenn wir nicht mehr sind. Daher ist das Kreuz das ultimative Hoffnungs- und Siegeszeichen. So feiert es an Ostern die Christenheit. Daher muss es offen getragen und an symbolträchtigen Orten sichtbar sein und unsere Wohnungen zieren, damit wir diese Botschaft der Hoffnung nicht unter der Last des Alltags vergessen. Wenn Christen das Kreuz verstecken oder entfernen, berauben Sie die Menschen einem Wegweiser der Hoffnung.

Verankert in der Hoffnung

Das bekannteste Symbol für die Hoffnung ist der Anker, weil die Hoffnung sozusagen das "Lebensschiffchen" in den Turbulenzen des Lebens im göttlichen Urgrund festmacht. In den römischen Katakomben findet sich auf christlichen Gräbern auch das Symbol der Taube mit einem grünen Zweig im Schnabel. Auch dieses Bild ist ein Symbol für die Hoffnung, dass das Leben über den Tod gesiegt hat. Der Olivenzweig im Schnabel der Taube erinnert an die Arche Noah (Gen 8:11) und das Ende der Sintflut. Es stellt die Hoffnung dar, die uns zufliegt und einen göttlichen Frieden in die Seele legt. Man kann also sagen, dass die Hoffnung die zentrale Tugend in der Botschaft Jesu darstellt. Daher spricht das Neue Testament von der Guten Nachricht, dem Evangelium von Jesus, dem Christus.

Die Katholische Kirche unseres Kulturraumes ist zurzeit offensichtlich in einer schweren Glaubenskrise. Viele wenden sich von ihr ab als wäre sie ein rein menschliches Gebilde und die geistliche Kraft der Kirche ist kaum noch erkennbar. Menschen sehen keine Hoffnung mehr für die Kirche und selbst ein Kardinal äußert seine Hoffnungslosigkeit mit der Rede von einem "toten Punkt", an dem die Kirche angekommen sei.

Der Streit um den rechten Weg der katholischen Kirche in Deutschland und anderswo darf aber eins nicht vergessen: die Hoffnung ist eine Gabe Gottes. Sie zu erhalten, geht nicht ohne Gebet, nicht ohne rechtes Handeln und nicht ohne den Glauben an Christus als den Herrn der Geschichte, der wiederkommen wird. Jesus stellte selbst die Frage: "wird der Menschensohn noch Glauben finden, wenn er wiederkommt?" (Lk 18,8). Nun, die Hoffnung, dass der Glaube der Kirche nicht wankt, legt der Herr in das Herz eines jeden, der an Christus glaubt und dem Herrn in seiner Kirche nachfolgt. Wir sind zur Hoffnung berufen, wie Paulus schreibt (Eph 1:18). Und weil wir also eine solche Hoffnung haben, können wir mit großer Freimut auftreten (1 Kor 3:12).

Abraham gilt den drei monotheistischen Religionen als der Vater der Glaubenden: "Gegen alle Hoffnung hat er voll Hoffnung geglaubt, dass er der Vater vieler Völker werde" (Röm 4:18). Wie schön wäre es, wenn die Kirche in unserem Land Maß nähme an diesem Glauben.

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