27 August, 2022 / 9:00 AM
Wer ist für den Vatikan verantwortlich, wenn ein Papst stirbt, zurücktritt, oder unfähig ist zu regieren? Und nach welchen Regeln und Vorschriften?
Neben der apostolischen Konstitution Praedicate Evangelium dürfte eines der großen Diskussionsthemen des nächsten Konsistoriums die Neuregelung der Sedisvakanz, die Wahl des Papstes und die Definition der Rolle des emeritierten Papstes sein.
Diese Debatten wurden durch die Ankündigung der Reise von Papst Franziskus nach L'Aquila (am Sonntag) zur sogenannten zölestinischen Vergebung ausgelöst – eine Reise, die Gerüchte über einen möglichen Rücktritt des Papstes verstärkte.
Doch eine Reform der Vakanzregelung ist schlichtweg notwendig. Die neue apostolische Konstitution schafft die Apostolische Kammer ab, die mit der Verwaltung des Heiligen Stuhls während der Sedisvakanz betraut war. Daher müssen die Vorschriften aktualisiert werden, um die neue Methode der Verwaltung des Heiligen Stuhls in der Zeit ohne Papst zu berücksichtigen.
Der Rücktritt von Benedikt XVI. und die anschließende Debatte warfen eine weitere Frage auf: Wie soll im Falle einer Amtsverhinderung vorgegangen werden – mit anderen Worten, wenn ein Papst objektiv nicht regierungsfähig ist?
Angesichts des medizinischen Fortschritts, der es Menschen mit schweren Krankheiten wie Alzheimer ermöglicht, viele Jahre zu leben, ist dies eine entscheidende Frage. Was ist zu tun, wenn der Papst von einer solchen Krankheit befallen wird?
Wird der Papst zurücktreten?
Geraldina Boni, Professorin für Kirchenrecht an der Universität Bologna, leitet eine internationale Forschungsgruppe an derselben Universität, deren Ziel es ist, eine vatikanische Gesetzgebung für Fälle von Amtsbehinderung vorzuschlagen und das Amt des emeritierten Papstes zu regeln.
Boni ist seit 2011 Beraterin des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte und hat ein Buch über einige der Fragen verfasst, die durch den gesetzgeberischen Ansatz von Papst Franziskus aufgeworfen werden.
Im Gespräch mit Catholic News Agency (CNA), der englischsprachigen Partneragentur von CNA Deutsch, sah Boni davon ab, Vorhersagen über einen möglichen Rücktritt des Papstes machen. Gleichzeitig betonte sie, "da es nicht mehr undenkbar ist, dass ein Papst zurücktritt, da sein Vorgänger 'eine Tür geöffnet hat', wie Franziskus selbst sagte", dass "diese Situation geregelt werden muss, möglicherweise zusammen mit den möglichen Fällen von ernsthaften Schwierigkeiten in Bezug auf die Person des Nachfolgers Petri, die ihn daran hindern, sein Amt zu erfüllen".
Auch Kardinal Oscar Andrés Rodriguez Maradiaga, Präsident des Kardinalsrates, erklärte am 5. Mai, dass die Frage des Verzichts ein Thema sei, das in den Arbeitssitzungen des Kardinalsrats nur angesprochen wurde, dass aber das, was das Kirchenrecht für den Rücktritt des Papstes vorsehe, umfassender geregelt werden müsse.
"Es scheint mir das erste Mal zu sein, dass auf diesen Ebenen die regulatorische Dringlichkeit in diesem speziellen Punkt anerkannt wird", so Boni.
Sie vermutete, dass der Jesuitenpater Gianfranco Ghirlanda, ein Papst Franziskus sehr nahestehender Kirchenrechtler, mit der Untersuchung möglicher Reformen betraut wurde. Ghirlanda wird im Konsistorium am 27. August zum Kardinal ernannt werden.
Neue Regeln für den Rücktritt eines Papstes?
Boni wies darauf hin, dass "dies Fragen sind, die der maßgebliche Kanonist kennt: Im Dezember 2021 waren wir beide Referenten bei einer einschlägigen italienischen Konferenz, bei der ein Rücktritt auch aus kirchenrechtlicher Sicht diskutiert wurde, und die in L'Aquila stattfand."
Bei dieser Gelegenheit habe "Pater Ghirlanda auch die Möglichkeit einer kanonischen Gesetzgebung für den Fall einer totalen Geisteskrankheit des Papstes oder eines Papstes, der mit Medikamenten und technischen Hilfsmitteln am Leben erhalten wird, zugelassen – genau wie von der Gruppe, der ich angehöre, vorgeschlagen."
(Die Geschichte geht unten weiter)
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Das Forschungsprojekt über einen emeritierten Papst und das beeinträchtigte Papstamt wird durch die Diskussion der Gelehrten fortgesetzt.
Boni erinnerte daran, dass die Nationale Konferenz der Italienischen Vereinigung der Gelehrten des Kirchenrechts (ADEC), die am 5. Oktober 2022 in Turin beginnt, über Vorschläge und andere Beiträge nachdenken wird, welche die Rechtswissenschaft zur Gestaltung des Kirchenrechts leisten kann.
Im Hinblick auf ein mögliches Reformprojekt in Sachen Sedisvakanz oder der Vorschriften für das Konklave betonte Boni, dass "Anpassungen in Bezug auf Praedicate Evangelium und seine Auswirkungen auf die Römische Kurie dringend erforderlich sind. Zweifelsohne ist die Gesetzgebung zur Papstwahl dem menschlichen Recht zuzuschreiben und wurde vom kanonischen Gesetzgeber im Laufe der Jahrhunderte durch zahlreiche Eingriffe, die nach und nach die Bedürfnisse und aufkommenden Probleme berücksichtigten, neu geschrieben".
Aus diesem Grund schließt sie nicht aus, dass "Papst Franziskus, wie seine Vorgänger, eine Reform des Konklaves einleiten könnte. Aber wie man sich denken kann, ist das eine sehr sensible und heikle Angelegenheit, die äußerste Vorsicht erfordert."
Die Rolle des emeritierten Papstes
Unter den Hypothesen, die im Umlauf sind, aber nicht bestätigt wurden, schließt Boni die Möglichkeit, dass ein emeritierter Papst an den Generalversammlungen teilnehmen könnte, entschieden aus. Ein emeritierter Papst könne auch nicht an der Vorbereitung des Konklaves beteiligt sein, sagte sie.
"Die Anwesenheit von emeritierten Päpsten in der 'Nähe' des Konklaves oder in jedem Fall in Kontakt mit den Wählern könnte die Wahlfreiheit der Kardinäle beeinträchtigen und ernsthaft gefährden; selbst der bloße Verdacht einer Einmischung sollte vermieden werden", sagte Boni.
Boni betonte, dass "die Gewährleistung einer solchen Freiheit von äußerem Druck, aber auch nur von unangemessenen Anregungen, immer ein ständiges Anliegen des kanonischen Gesetzgebers gewesen ist". Benedikt habe diesen Ansatz bestätigt, indem er "dem Konklave zur Wahl seines Nachfolgers rigoros ferngeblieben ist."
Das Vorkonklave
Ein weiteres Thema ist eine Reform der Generalkongregationen, auch als Vorkonklave bezeichnet. Auch dazu gibt es Gerüchte, aber nichts Bestätigtes.
Im Prinzip würde "die Abschaffung der Generalkongregationen den Ausschluss der über 80-jährigen Kardinäle bedeuten, die bekanntlich nicht mehr das Recht haben, den Nachfolger Petri zu wählen, von den entscheidenden Auseinandersetzungen, die der Wahl des neuen Papstes vorausgehen".
Sie fügte hinzu, dass "diese letzte Norm, die von Paul VI. mit dem Motuproprio Ingravescentem aetatem von 1970 eingeführt wurde, unter anderem Ausdruck des Wunsches war, jene älteren Kardinäle von der Wahl des Papstes auszuschließen, die vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil geformt wurden – auch durch die Bevorzugung eines Kandidaten, der mit der vorkonziliaren Mentalität verbunden war – und welche die Umsetzung der Neuerungen dieses Konzils hätten behindern können".
Sie meinte jedoch, dass "dieser Grund nicht mehr besteht. In der Tat haben viele der Kardinäle, die diese Altersgrenze überschritten haben, die 'überschäumende' Zeit der 60er und 70er Jahre des letzten Jahrhunderts voll und ganz erlebt und sind sicherlich keine Konservativen."
Aus diesem Grund schlug Boni vor, die Norm der Nichtteilnahme am Konklave aufzuheben und sagte, es sei "ungerechtfertigt", dass die älteren Kardinäle auch von den Generalkongregationen ausgeschlossen werden könnten.
Boni merkte an, dass auch "die Festlegung einer Zweidrittelmehrheit der Kardinalsstimmen für die Wahl des Papstes eine strategische Regel – erlassen von einem großen Juristenpapst im Jahr 1179 – von großer Ausgewogenheit ist, die von Benedikt XVI. gerade wegen ihrer Bedeutung unter verschiedenen Profilen wiederhergestellt wurde (wenn auch mit einigen Korrekturen)".
Der Hauptgrund, so Boni, sei, "dass ein sehr großer Konsens über den Namen des Papstes (inspiriert durch den Heiligen Geist) als Repräsentant der gesamten Christenheit besteht, deren 'Sprecher' die Kardinäle sind. Es bedürfte starker Gründe, um diese Regel zu ändern und darüber hinaus das empfindliche Gleichgewicht des Konklaves zu berühren."
Übersetzt und redigiert aus dem Orginal von Catholic News Agency (CNA), der englischsprachigen Partneragentur von CNA Deutsch.
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