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Die Versuchung Jesu in der Wüste

Wüste

[Lesungen HIER]

Liebe Schwester und Brüder,

wir haben das Evangelium von der Versuchung Jesu durch den Teufel gehört. Vermutlich wirft es viele Fragen bei uns auf. Was ist da wirklich geschehen? Gibt es einen Teufel, der selbst Jesus versucht hat? Ist das alles Mythos? Was können und was sollen wir glauben? Was sollen wir durch dieses Evangelium lernen? Was will es uns sagen?

Wenn wir davon ausgehen, dass Jesus Christus wirklich ganzer Mensch war, dann müssen wir auch davon überzeugt sein, dass er so ähnlich wie wir alle versucht wurde. Er musste durch all die Prüfungen hindurch, durch die auch wir müssen. Und das, was wir Teufel nennen, kommt nicht von außen, sondern kommt von innen. Es sind versucherische Gedanken, die auch uns verlocken, etwas Fragwürdiges zu tun, um unsere Ziele zu erreichen. Es sind Gedanken, die Gott aus dem Spiel lassen. Es sind auch verwirrende Gedanken.

Jesus ist gekommen, das Reich Gottes zu verkünden. Und dazu kamen ihm Gedanken, die Effizienz versprachen, aber nicht den Gesetzen Gottes entsprachen. Die am leichtesten zu verstehende Versuchung war die Versuchung zur Show, der Sprung von der Tempelzinne, zur Verblüffung der Menschen. Der Gedanke lautete: Das Volk wird Dir klatschen und nachlaufen, denn Deine Show ist hinreißend. Der diabolische Gedanke ist: Mach eine Show, dann gewinnst du die Menschen.

Die andere Versuchung: Du musst Macht gewinnen. Wenn Du Macht hast, kannst du die Leute zwingen, dir zu folgen. Und die erste Versuchung: Gib den Menschen genug zu essen, dann laufen sie dir nach, dann müssen sie nicht mehr arbeiten. Es geht um Grundversuchungen, die uns Menschen alle befallen können. Essen heißt: Genug Materie, dann schläft der Geist ein. Genug Show, dann hat der Mensch keine Langeweile und kommt nicht zum Denken. Genug Macht, dann kannst du die Menschen zwingen, das zu tun, was du willst.

Es sind die Grundversuchungen, die den Menschen als Menschen befallen. Aber jetzt mache ich einen Sprung in die heutige Kirchensituation in Mitteleuropa.

Die Menschen erwarten von der Kirche, dass sie sich um die Armen kümmert, ihnen zu essen gibt. Dann kann sie nachher auch von Gott sprechen. Sie wird überzeugend durch Sozialarbeit. Soll die Kirche also zunächst nur Caritas und Misereor machen? Sollte die Verkündigung Jesu Christi vielleicht warten? Nein – so die Botschaft des Evangeliums - der Mensch hungert nicht nur nach Brot, er hungert in seiner tiefsten Seele nach einem unendlichen Du, das ihn in seine Arme schließt, er hungert nach Gott. Wenn die Kirche primär dem Wunsch der breiten Öffentlichkeit folgt, Sozialarbeit leistet und Gott einmal beiseitelässt, dann verrät sie letztlich auch den Menschen, denn der Mensch lebt eben nicht nur vom Brot alleine.

Oder soll die Kirche sich zunächst einmal nur um ihre Glaubwürdigkeit kümmern, also um ihr Image, um die Aufdeckung aller Sünden der Priester, die Vertuschung durch die Bischöfe? Ja – das muss sie tun. Aber es wird ihr nur gut gelingen, wenn sie dabei die Suche und Frage nach Gott ständig mitdenkt, nur wenn sie betet. Wir werden den sexuellen Missbrauch durch Priester und die Vertuschung durch Bischöfe nur überwinden, wenn wir nicht nur nach Strukturen fragen, sondern zuerst um Gott ringen.

Oder soll sich die Kirche um gute Koalitionen mit Politik, Wirtschaft und Medien kümmern? Braucht sie zunächst Einfluss, um dann anschließend wieder zur Verkündigung Gottes zurückzukehren. Auch das ist eine Versuchung.

Wenn von Gott vorübergehend mal nicht gesprochen wird, um sich nur ums Brot zu kümmern, um die eigene Glaubwürdigkeit, um Ansehen und Einfluss, dann verrät die Kirche ihre Berufung. Wir können Gott nicht beiseitelassen.

Jesus hat in seinem Inneren gerungen mit den Versuchungen, sich zunächst nur ums Brot der Menschen zu kümmern. Er hat gerungen mit der Versuchung, den Menschen zu imponieren. Er hat gerungen mit der Macht. Sein Leben endete aber im Opfer am Kreuz. Es ging um die Liebe, die konsequente Liebe zu Gott und den Menschen. Sosehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn dahingab, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.

Wir stehen in unseren Tagen mitten in der Versuchung, uns um alles Mögliche in Kirche und Gesellschaft zu kümmern. Aber ringen wir hinreichend um Gott? Sind wir uns darüber im Klaren, dass Synode heißt: Hören auf Gott, hören auf den Nächsten und hören auf den im Stillen sprechenden Gott. Und kommen wir dem auf die Spur, der verwirrt. Der Diabolos beginnt mit der Verwirrung. Erst in der Verwirrung hat der Diabolos eine Chance seine Ziele zu erreichen. Der Diabolos versteckt sich in nur scheinbar klugen Ideen. Kommen wir ihm auf die Spur und ringen um Gott. Das ist die Berufung unserer Zeit. Amen.

Pater Eberhard von Gemmingen SJ war von 1982 bis 2009 Redaktionsleiter der deutschen Sektion von Radio Vatikan.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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