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Man kann nur Zeuge sein, wenn man bei Jesus ausgeharrt hat

Bergpredigt (Gemälde von Cosimo Rosselli)

[Lesungen HIER]

Wir haben von der Berufung der ersten Jünger Jesu gehört. Wenn wir ein wenig darüber nachdenken, kann sich uns die Frage stellen: Werden sie eigentlich nur für eine Funktion berufen, also zu Ausgesandten, Aposteln? Also eine Art Funktionäre? Sind sie nur berufen, um das Reich Gottes zu verkünden? Oder besteht diese Berufung auch noch in etwas Anderem?

Die Antwort bekamen wir vor wenigen Tagen in einem Abschnitt des Markusevangeliums. Darin sagt Jesus: Die Jünger Jesu fasten nicht, solange der Bräutigam bei ihnen ist. Jesus bezeichnet sich also als Bräutigam. Diese Selbstaussage finde ich sehr erstaunlich. Wir haben sie oft gehört, aber vielleicht überhört und nicht so richtig ernst genommen.

Wir sollten uns immer wieder der Frage stellen: Wie hat Jesus sich selbst verstanden? Darüber denken wir vielleicht zu wenig nach. Und daher denken wir auch zu wenig über die Frage nach, was denn die berufenen Jünger genau sein sollen. Haben sie nur eine Funktion? Sind sie nur Funktionsträger?

Nein. Primär sollen sie Freunde Jesu sein. Primär sucht Jesus Freunde, Menschen, die ihn verstehen, die bei ihm sein wollen, die sich an ihn hängen, die ihn lieben. Ganz am Anfang nach der Berufung der ersten Jünger heißt es auch: Sie kamen zu Jesus und blieben bei ihm. Vor der Aussendung kommt das Sein bei Jesus, das Bleiben. Das Sein bei Jesus ist der Ausgangspunkt von allem. Jesus nennt es das „Bleiben“.  Das Wort „Bleiben“ spielt im Evangelium eine große Rolle.

Zunächst also muss der Jünger, die Jüngerin bei Jesus sein und bleiben. Nur wer bei Jesus ist und bleibt und ausharrt und Jesus kennen lernt, kann ausgesandt werden. Und daraus folgte: Nur wer die Gemeinschaft mit Jesus sucht, kann sein Bote, sein Apostel sein. Und das gilt nicht nur für Amtsträger in der Kirche, für Bischöfe und Priester, sondern das gilt für alle Christen. Denn alle Christen sind ja dazu von ihm eingeladen, Zeugen von ihm zu sein. Aber sie können nur Zeugen sein, wenn sie auch seine Freunde sind. Sie können nur Zeugen sein, wenn sie bei Jesus ausgeharrt haben, wenn sie Jesus kennen und wenn sie Jesus lieben.

Wir moderne Menschen verfallen vielleicht leichter als frühere Christen dem Missverständnis, dass Christen primär eine Gemeinschaft von Beauftragten sind, vor allem Bischöfe und Priester. Nein, sie sollen primär bei Jesus sein, ihn kennen lernen, ihm nahe sein. Und Jesus nennt sich sogar Bräutigam. Jesus versteht sich als Liebender, der wie ein Bräutigam um unsere Liebe wirbt. Wenn die ausgestreckte Hand eines Bräutigams nicht ergriffen wird, ist der Bräutigam enttäuscht, niedergeschlagen, traurig.

Daher komme ich jetzt auf einen Begriff von Kirche, den wir in den letzten Jahrzehnten links liegen gelassen haben. Die Kirche nennt sich nämlich schon seit Jahrhunderten „Braut Christi“. Kirche ist die Gemeinschaft derer, die die Umarmung Christi annehmen, die sich in seine Arme werfen. Der Gedanke geht auf Paulus zurück. Er schreibt in seinem zweiten Brief an die Gemeinde in Korinth: „Lasst euch doch ein wenig Unverstand von mir gefallen! Aber das tut ihr ja. Denn ich werbe eifrig um euch mit dem Eifer Gottes; ich habe euch einem einzigen Mann verlobt, um euch als reine Jungfrau zu Christus zu führen.“ Kirche ist nicht nur eine Gemeinschaft von Beauftragten, die die Welt mit Gottes Hilfe verbessern will. Sie ist nicht nur Caritas. So sehr die Menschen das auch schätzen. Kirche ist nicht nur sozialer Pepp, Botschafterin der internationalen Solidarität. Nein – Christus und die Kirche sind wie Bräutigam und Braut. Und das ist nicht mittelalterliche Romantik. Sondern damit nehmen wir ernst, was Christus selbst ausspricht, wenn er sich Bräutigam nennt. Seine Jünger können und sollen nicht fasten, solange ihr Bräutigam bei ihnen ist.

Und damit sind wir bei einem vielleicht auch etwas vergessenen Geheimnis von Kirche: Kirche ist immer dort aufgelebt, wo Menschen sich ganz auf Christus zurückgezogen haben, um ganz bei ihm zu sein. Vor wenigen Tagen haben wir den Gedenktag des Heiligen Wüstenmönches Antonius gefeiert. Es ist nicht der heilige von Padua, sondern der Mann, der sich schon ums Jahr 300 in die in die ägyptische Wüste zurückgezogen hat. Er wollte einfach immer tiefer in das Geheimnis Jesu Christi eindringen, mit Christus alleine sein. Und es gibt moderne Christen, die einen ähnlichen Anstoß gelebt haben. Ich nenne nur Charles de Foucauld, der Wissenschaftler, der sich in die Sahara zurückgezogen hat. Oder die Französin Madeleine Delbrel, die Mystikerin bei den Arbeiterpriestern, oder Edith Stein, die aus der Wissenschaft in den Karmel ging. Die Kirche lebt vom Ausgriff in die Welt, aber auch vom Rückzug aus der Welt. Nur wer sich in die Arme Christi zurückzieht, kann der Welt geben, was sie braucht, um ihr den Bräutigam Christus zu zeigen. Kirche ist nicht Funktion, sondern als Braut Zeugin der Liebe Christi. Das mag manchen, die unter der Kirche gelitten haben oder leiden, nur schwer verständlich sein. Aber wenn Christen aus den Armen Christi kommen, sind sie überzeugende Zeugen Christi. Amen.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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