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Jesus heilt nicht nur mit Worten, sondern mit Gesten, mit Berührungen

Jesus heilt einen Blinden (Gemälde von Gioacchino Assereto)

[Lesungen HIER]

Das entscheidende Wort in den beiden heutigen Lesungen heißt „Berühren“. In der Lesung aus dem Alten Testament wird den Menschen strengstens verboten, einen Pestkranken zu berühren. Die Krankheit soll nicht weitergetragen werden. Wir kennen das von Corona. Und Jesus tut genau das Gegenteil. Er tut das Verbotene, er berührt den Pestkranken, um ihn zu heilen. Ich möchte mich heute mit dem körperlichen Kontakt befassen. Christentum hat nicht nur mit Seele zu tun, sondern auch mit dem Körper.

Es ist schon eigenartig, wie das körperliche Berühren von Menschen sich im Lauf der letzten Jahre und Jahrzehnte gewandelt hat und wandelt.

Ein Beispiel: In meiner Ordensjugend war es uns jungen Jesuiten strengstens verboten, einander auf die Schulter zu klopfen oder gar uns zu umarmen. Es galt die regula tactus. Wir hatten Distanz zu halten. Vielleicht war das auch eine Vorsichtsmaßnahme gegen homosexuelle Handlungen. Heute umarmen sich junge Jesuiten gerne.

Wenn unsere Groß- und Urgroßeltern sähen, wie sich junge Menschen auf Schulhöfen umarmen, würden sie sich wundern. Vor hundert Jahren war das undenkbar. Erwachsene gaben sich höflich die Hand. Auch sie fallen sich heute in die Arme. Vielleicht sogar ein wenig zu viel. Es soll ja in seiner Bedeutung ernst genommen werden.

Bei Jesus spielt der Körperkontakt offenbar eine große Rolle. In vielen Wundern lesen wir, dass Jesus Blinde, Taube, Lahme, Kranke berührt hatte, um sie zu heilen. Es geht nicht nur um Geist und Seele, es geht auch um Körperkontakt. Gott hat uns mit Leib und Seele geschaffen. Wir sollen die Seele des anderen ernst nehmen, aber auch seinen Leib. Freilich bedeutet das eben auch, dass wir den Leib des anderen nicht als ein Ding ansehen, sondern als den Träger seiner Seele, seines Geistes.

Ich mache viel Telefonseelsorge. Dabei rufen viele Menschen an, die Trost brauchen, die wünschen, dass ich mit ihnen bete. Ich bitte Gott im Gebet mit ihnen dann oft, dasser sie in seine Arme nehmen möge. Ich bitte, dass der Vater im Himmel sie umarme und sie an sein Herz drücke. Ich bin im Lauf der Jahre zu der Ansicht gekommen, dass diese Vorstellung hilfreicher ist, als den Menschen zu sagen, dass Gott sie liebt. Das Wort „Liebe“ ist gut und richtig. Aber die Vorstellung, dass Gott uns in seine Arme nimmt, finde ich hilfreicher. Das kann man sich vorstellen. Da kann man versuchen, es zu fühlen. Jesus will ja ausdrücklich, dass wir Gott Vater nennen.

Und nochmal zurück zur heutigen Welt. Für mich ist es ziemlich unerträglich, dass in der Öffentlichkeit an allen möglichen Stellen immer wieder von „Sex“ gesprochen wird. Einer der geheimnisvollsten Bereiche des menschlichen Lebens wird zu einer Sache gemacht. Der andere Mensch wird zu einer Sache gemacht. Wir Menschen sehnen uns ja doch nach einer tiefen Begegnung unserer Seelen. Und diese kann sich auch im Leib ausdrücken. Die Zuwendung der Seele zeigt sich in der Zuwendung im Leib.

Und damit komme ich nochmal zu Jesus zurück. Die Sünderin hat sich nicht nur vor Jesus hingekniet und ihm ihre Sünden bekannt. Nein, sie hat über Jesu Füßen geweint, und ihre Tränen mit ihren Haaren abgetrocknet. Und der Liebesjünger Johannes lag beim letzten Abendmahl an Jesu Seite, er beugte sich an Jesu Brust und fragte ihn: Wer wird dich verraten? Und Jesus heilt nicht nur mit Worten, sondern mit Gesten, mit Berührungen. Versuchen wir, das Händeschütteln, die Umarmungen ernst zu nehmen. Vor allem, wenn ein Mensch am Sterben ist, braucht er eine Hand, die er halten kann. Gott hat uns einen Leib gegeben, damit wir durch unsre Berührung einander Zuwendung und Liebe zeigen. Und Gott will uns am Ende unseres Lebens nicht auf Distanz lieben, sondern in seine Arme nehmen.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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