19 November, 2024 / 7:00 AM
Erzbischof Ettore Balestrero, der ständige Vertreter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf hat beim UN-Menschenrechtsrat gefordert, Altersdiskriminierung zu bekämpfen und die Würde älterer Menschen zu wahren. Er kritisierte den Konsumgeist, der Ältere marginalisiert, was besonders während der Corona-Krise sichtbar gewesen sei. Christian Peschken (EWTN) sprach mit Balestrero über die Würde und Rechte der älteren Menschen.
Exzellenz, die westliche Welt rühmt sich oft, in christlichen Werten verwurzelt zu sein. Wenn es jedoch um die Behandlung älterer Menschen geht, zeigen nichtchristliche Länder wie Korea und China anscheinend ein stärkeres Engagement für die Pflege älterer Menschen. In China gibt es beispielsweise ein Gesetz, das erwachsene Kinder dazu verpflichtet, ihre Eltern im Alter von 60 Jahren und älter zu unterstützen, was häufige Besuche und das Eingehen auf ihre geistigen Bedürfnisse einschließt. Diese Erwartungen sind in ihrer Kultur tief verwurzelt, obwohl sie keine christlichen Gesellschaften sind. Was läuft in unseren westlichen, christlich geprägten Gesellschaften falsch, dass ältere Menschen oft vernachlässigt werden?
Unsere westlichen Gesellschaften besitzen Werte, die in den östlichen, wie der chinesischen Gesellschaft, leider fehlen. In unseren westlichen Gesellschaften herrscht jedoch eine konsumorientierte Mentalität vor, die den Wert des Menschen an seiner Produktivität misst, an den Kosten, Einsparungen und der Effizienz. Das Tun, nicht das Sein, ist das bestimmende Element der Politik. Der Egoismus breitet sich aus und durchdringt sogar die engsten Beziehungen. Deshalb sind ältere Menschen oft in Heimen untergebracht oder sogar isoliert.
In seiner Ansprache an die Mitglieder des nationalen italienischen Verbandes der älteren Arbeitnehmer vom Dezember 2019 ermutigte der Papst dazu, ältere Menschen als wertvolle Ressource und Reichtum für die Gesellschaft zu betrachten. Er betonte, dass sie das Gedächtnis der Menschen sind. Ohne Respekt für ältere Menschen könne es keine Zukunft für die Gesellschaft geben. Wie können wir Ihrer Meinung nach diese Perspektive besser in die modernen westlichen Gesellschaften integrieren, die ältere Menschen oft übersehen oder ausgrenzen?
In vielen westlichen Gesellschaften ist ein erheblicher Teil der Bevölkerung reif oder alt. Diese Menschen beeinflussen die Gesetzgebung und die soziale Struktur. Beispielsweise gibt es viele Widerstände gegen Veränderungen der sozialen Sicherungssysteme in unserer westlichen Gesellschaft. Es ist wichtig, älteren Menschen zu helfen, aktiv und nützlich zu bleiben. Wir müssen die Einstellung ändern, die sie nur als Last betrachtet, und uns von einer egoistischen Denkweise lösen. Die Familie muss gestärkt werden, da sie der wichtigste Ort ist, an dem Respekt zwischen den Generationen gelernt wird.
Und ich würde sagen, dass wir ebenso Einrichtungen unterstützen müssen, die ältere Menschen willkommen heißen. Kirchen und Glaubensgemeinschaften sind oft die wenigen öffentlichen Orte, an denen Liebe, Dienst und Respekt praktiziert werden und ältere Menschen integriert und unterstützt werden. Die schädlichste Auswirkung unserer westlichen Mentalität ist die Euthanasie, die manchmal einfach ein Weg ist, Menschen zu beseitigen, wenn sie zu teuer werden. Und so besteht das Risiko, dass ältere Menschen implizit dazu gebracht werden, oder ermutigt werden, ihre eigenen Probleme, und die Last die sie darstellen, durch Euthanasie zu „lösen“, weil sie als ineffektiv oder nicht produktiv betrachtet werden.
Aber es ist nicht wie Selbstmord?
Selbstmord ist etwas völlig anderes, denn Euthanasie ist die aktive Tötung von Menschen. Selbstmord ist die aktive Tötung der eigenen Person. Das ist also der große Unterschied zwischen Euthanasie und Selbstmord.
Sowohl Selbstmord als auch Euthanasie sind Sünden.
Assistierter Suizid, wenn die Person sich selbst umbringen will und dabei aktiv unterstützt wird. Euthanasie, wenn jemand von jemand anderem getötet wird.
Das sind Sünden im Sinne des katholischen Glaubens.
Beides.
Beides sind Sünden.
Ja, natürlich.
Schwere Sünden.
(Die Geschichte geht unten weiter)
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Beides sind extreme Sünden. Niemand hat die Macht, den Beginn oder das Ende seines Lebens zu bestimmen. Es zeigt einen Mangel an Respekt vor Gott, der uns das Leben geschenkt hat. Wir verstehen zwar, dass diese Entscheidungen oft durch schwere, große Probleme ausgelöst werden. Doch das ist nicht die Lösung.
In Deutschland gingen junge Menschen auf die Straße und skandierten „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Zukunft klaut“, um ihrer Sorge Ausdruck zu verleihen, dass die ältere Generation ihre Zukunft aufs Spiel setzt. Sie forderten eine nachhaltige, gerechte Politik und Wirtschaft, die ihre Generation und die kommenden Generationen schützt. Wie können wir als Christen dazu beitragen, diese Kluft zwischen den Generationen zu überbrücken?
Als Christen sollten wir den Sinn für das Gemeinwohl fördern, den Sinn für die Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Land mit einem gemeinsamen Schicksal, den Sinn für die Dankbarkeit für das, was wir von den älteren Generationen erhalten haben, und auch den Sinn für die Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen, den Sinn in gewisser Weise für Solidarität und Nächstenliebe.
Ich denke, dass Familien auch darin unterstützt werden sollten, Kinder zu bekommen, um das bestehende Verhältnis zwischen der alten und der jungen Bevölkerung zu verändern, und das sind meiner Meinung nach die Schlüssel, einige der wichtigsten Säulen, die beachtet werden sollten, um das zu erreichen, was Sie sagen, um diesen Unterschied zu überwinden.
Ein Dokument des Päpstlichen Rates für die Laien von 1998 betont die Wertschätzung des Alters in der Bibel und fordert Respekt für ältere Menschen als Träger von Weisheit und Glauben. Papst Franziskus kritisiert die Darstellung Älterer als Last für die Jugend und warnt vor der Spaltung zwischen Generationen, die er als Manipulation und „vergiftete Frucht“ bezeichnet. Er betont die Wichtigkeit der Einheit aller Lebensphasen für ein erfülltes menschliches Leben. Papst Franziskus selbst ist ein reifer Mensch, ein älterer Mensch. Ein gutes Beispiel?
Er sagt immer, dass er selbst ein gutes Beispiel ist. Aber er bleibt aktiv. Und wahrscheinlich hilft ihm die Tatsache, dass er so aktiv ist, auch dabei, so jung zu bleiben. Und wir müssen den Menschen helfen, besonders wenn sie jünger sind, sich in die Gesellschaft einzubringen, und den älteren Menschen, in der Gesellschaft zu bleiben. Deshalb sagt er, es sei notwendig, einen Dialog zwischen Weisheit einerseits und andererseits Energie, Dynamik und Mut aufrechtzuerhalten. Aber beide brauchen sich gegenseitig, sie müssen sich integrieren.
Original-Interview aufgenommen in Genf von Christian und Patricia Peschken sowie Alex Mur | Textbearbeitung, Redaktion, Moderation und Schnitt: Christian Peschken für Pax Press Agency im Auftrag von EWTN und CNA Deutsch.
Hinweis: Interviews wie dieses spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gesprächspartner wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.
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