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Vatikanvertreter bei UN: Papst Leo schöpft aus „tiefen Vermächtnissen seiner Vorgänger“

Christian Peschken (EWTN) im Gespräch mit Erzbischof Ettore Balestrero, dem Ständigen Vertreter des Heiligen Stuhls bei der UN in Genf

Ein neuer Papst – eine neue Stimme auf der Weltbühne? Papst Leo XIV. überrascht mit klaren Worten, ungewöhnlichen Prioritäten und starker Präsenz in globalen Debatten. Doch wie groß ist der moralische Einfluss des Vatikans wirklich – gerade bei den Vereinten Nationen? Darüber sprach Christian Peschken (EWTN) mit Erzbischof Ettore Balestrero, dem Ständigen Vertreter des Heiligen Stuhls bei der UN in Genf.

Exzellenz, was unterscheidet den Führungsstil von Papst Leo XIV. oder seine Prioritäten von denen seiner Vorgänger?

Ich denke, Papst Leo XIV. tritt als eine Führungspersönlichkeit hervor, die, so würde ich sagen, eine unverwechselbare Mischung von Stilen verkörpert und dabei aus den tiefen Vermächtnissen seiner Vorgänger schöpft. Man kann sich ein Gewebe vorstellen, das mit der väterlichen Weisheit Johannes Pauls II., der tiefgründigen Orientierung Benedikts XVI. und der warmherzigen Freundschaft von Papst Franziskus verwoben ist. All dies ist Papst Leo XIV.

Er ist eine ruhige und freundliche Gestalt, ausgestattet mit einer großen Fähigkeit, allen Positionen und Sichtweisen aufmerksam zuzuhören. In den Begriffen der Vereinten Nationen würde man sagen, er sei ein „Konsensbauer“ – leise, doch unbeirrbar in seiner Entschlossenheit. Ich würde sagen, seine Führung scheint fest verankert zu sein in einem tiefen Respekt vor der Reichweite, der Tradition und der Geschichte der Kirche. Dies gilt sowohl für seine Persönlichkeit als auch für seinen Stil.

Was seine Prioritäten betrifft, so würde ich sagen: Die grundlegenden Prioritäten jedes Papstes sind die Ehre Gottes und das Heil der Seelen. Diese Prioritäten bleiben unerschütterlich, da sie von Christus selbst gesetzt sind. Papst Leo XIV. wendet, so meine ich, diese ewigen Prinzipien auf die drängenden Bedürfnisse unserer Zeit an. Er betont die Einheit sowohl innerhalb der Kirche als auch in der Gesellschaft. Er unterstreicht die entscheidende Bedeutung für Christen, betend zu sein, demütig zu bleiben, und – für die Welt insgesamt – die Bedeutung des Friedens. Er sorgt sich zutiefst um den Frieden in der Welt sowie um die zunehmenden globalen Spannungen und Spaltungen. Dies sind seine Prioritäten, geprägt auch von seiner Zeit in Peru, die sein Mitgefühl für die Not der Armen vertieft hat. Darin klingt der Geist von Papst Franziskus an, und doch verleiht er ihm einen unverwechselbar augustinischen Charakter.

Schon sein Name, Leo XIV., ist eine Hommage an Leo XIII., der sich den sozialen Ungerechtigkeiten des 19. Jahrhunderts stellte. Diese Namenswahl signalisiert zugleich Papst Leos Entschlossenheit, sich den neuen Grenzfeldern von Gerechtigkeit – und Ungerechtigkeit – im 21. Jahrhundert zu widmen, wozu selbstverständlich auch die ethischen Herausforderungen gehören, die durch künstliche Intelligenz entstehen.

Wie sehen Sie den Einfluss von Papst Leo XIV. auf die Debatten bei den Vereinten Nationen in Genf, insbesondere in Bezug auf Menschenrechte, Migration und humanitäre Fragen?

Nun, all diese Fragen liegen dem Papst sehr am Herzen. In diesem Sinne können wir sagen: Genf ist für ihn wie ein Zuhause – und zugleich die ideale „Megafon-Stadt“ für seine Lehre. Auch unter den Botschaftern hier besteht erhebliches Interesse an seiner Haltung und daran, wie er sich mit den Vereinten Nationen einbringen wird.

Ich denke, dies wird Einfluss haben; er selbst hat dies bereits unmissverständlich klargemacht. Als er das diplomatische Korps des Heiligen Stuhls ansprach, sagte er, es gebe drei Worte, die die Säulen der Sendung und der diplomatischen Tätigkeit der Kirche darstellen: Frieden, Gerechtigkeit und Wahrheit. Diese seien nicht nur Worte, sondern gleichsam die Leitsterne der Diplomatie der Kirche. Ich glaube, sie werden die Debatte prägen und sein Handeln inspirieren.

Der Vatikan hat bei den UN Beobachterstatus. Welchen praktischen Einfluss kann Papst Leo XIV. realistischerweise auf UN-Politik nehmen – und wie könnte er diesen ausüben?

Nun, zunächst einmal halte ich eine Vorbemerkung für wesentlich. Die Kirche sucht keine Macht, sondern vielmehr die Bekehrung – die Bekehrung der Herzen. Der Beobachterstatus des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen ist keine äußerlich auferlegte Begrenzung; er ist vielmehr eine bewusste Entscheidung, da dieser Status der Identität und der Sendung der Kirche innerhalb der internationalen Gemeinschaft am besten entspricht. Darüber hinaus ist der Heilige Stuhl in Genf nicht nur Beobachter; er ist auch Mitglied verschiedener Organisationen, darunter IOM, WIPO, ITU und das Exekutivkomitee des UNHCR, da dieses Engagement seiner Sendung nicht widerspricht.

Angesichts der Tatsache, dass die Welt sich in einer Krise befindet, dass viele gemeinsame Bezugspunkte verloren gegangen sind und dass sich eine neue Epoche formt, sehe ich erheblichen Raum für den Papst, seine richtungsweisenden Worte zu verankern. Seine Ansprachen können die globale Agenda beeinflussen und eine moralische Orientierung in entscheidenden Fragen bieten.

Viele Botschafter – selbst jene, die nicht katholisch sind – sind aufrichtig der Überzeugung, dass die Kirche heute die wahre ethische Autorität der Welt darstellt: die glaubwürdigste und am besten qualifizierte Stimme in den globalen Angelegenheiten. Und selbstverständlich ist der Papst für jene, die katholisch sind, noch mehr: ein Vater, ein Lehrer, eine Erinnerung daran, dass wir nicht nur für dieses Leben leben, sondern dass dieses Leben – und auch ihre Arbeit bei den Vereinten Nationen – zugleich auf ein anderes vorbereitet.

Hat die Wahl von Papst Leo XIV. zu Veränderungen in Ihrer Mission oder Strategie in Genf geführt, insbesondere in der Diplomatie oder im Austausch mit anderen Mitgliedsstaaten?

Kurz gesagt lautet die Antwort schlicht: nein. Die Schönheit der Kirche liegt gerade darin, dass ihre Positionen in zwei Jahrtausenden von Lehre und Tradition verwurzelt sind. Anders als Staaten, deren Politiken sich mit politischen Veränderungen dramatisch wandeln können, bleiben die Haltung des Heiligen Stuhls und die Positionen der Kirche beständig. Sie gründen in den bleibenden Werten des Evangeliums. Diese Kontinuität ist eine Quelle der Stärke und Glaubwürdigkeit, die es der Kirche erlaubt, auf der internationalen Bühne mit Überzeugung und moralischer Klarheit zu sprechen – unbeeinflusst von politischen Strömungen oder Zweckmäßigkeit.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Dies steht im Kontrast zu anderen Delegationen, die manchmal eher als bloße Wiederholer offizieller Parolen wahrgenommen werden, anstatt als Zeugen der Wahrheit. Auch diese Wahrnehmung trägt zur breiteren Krise der Demokratie bei. Dennoch glaube ich, dass unsere diplomatische Strategie in Genf die vom Papst hervorgehobenen Prinzipien widerspiegelt: Frieden, Gerechtigkeit und Wahrheit. Diese sind zutiefst miteinander verbunden und leiten unsere Sendung. Unter ihnen ragt die Wahrheit als Eckstein hervor – besonders im Kontext der Vereinten Nationen, wo Sprache oft mit Mehrdeutigkeit beladen ist.

Daher bleiben wir standhaft, etwa im Widerstand gegen die Gender-Ideologie, in der Verteidigung der traditionellen Familie, in der Förderung der Heiligkeit des Lebens und in der Wahrung der Religionsfreiheit. Diese Treue zur Wahrheit will keineswegs spalten, sondern der internationalen Gemeinschaft helfen, den globalen Herausforderungen unserer Zeit – Konflikt, Armut und Schutz der Umwelt – zu begegnen, und zwar durch Zusammenarbeit, die in einer gemeinsamen menschlichen Würde verankert ist.

Original-Interview aufgenommen in Genf von Alex Mur | Teamleitung Genf: Laetitia Rodrigues | Produktionsleitung: Patricia Peschken | Sprecher: Jan Terstiege | Redaktion, Moderation und Schnitt: Christian Peschken für Pax Press Agency im Auftrag von EWTN und CNA Deutsch.

Hinweis: Interviews wie dieses spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gesprächspartner wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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