31 Dezember, 2019 / 11:45 AM
Der in Heiligenkreuz lehrende polnische Bibelwissenschaftler Kryzsytof Dariusz Lisewski hat mit "Umgang mit der Bibel" ein Buch vorgelegt, das verspricht, dem Leser "wichtige Klarstellungen" und "Informationen" für eine fruchtbare Lektüre der Heiligen Schrift darzubieten. "Wenn ich vom Umgang mit der Bibel spreche, meine ich damit, mit welchem Auge, anders gesagt: mit welchem Vorverständnis man sie lesen soll. Das bedeutet, dass dieses Buch ausgewählte Elemente der Bibelhermeneutik referiert, ist aber grundsätzlich kein systematisches Handbuch dieser."
Grundsätzlich ist ein Unterfangen, wie Lisewski es angeht, zu begrüßen. Leider stellen sich diesem Leser aber am Ende mehr Fragen, als er Antworten bekommt. Zwar merkt man dem Autor seine Liebe zur Kirche an. Anders als viele moderne Bibelwissenschaftler argumentiert er nicht gegen sie, sondern mit ihr. Letztlich sieht er aber nicht die brennenden Fragen, die den einfachen Gläubigen auf dem Herzen liegen.
Selbstverständlich erläutert Lisewski einführend grundsolide, dass die Heilige Schrift eigentlich zwei Autoren hat, nämlich Gott und den Menschen. Gott hat nicht einfach einen Text diktiert, wie dies beispielsweise im Islam geglaubt wird, sondern die menschlichen Autoren haben "dem göttlichen Wort ein menschliches Kleid gegeben".
Fast alle gläubigen Katholiken nähern sich dem Wort Gottes in Übersetzung, da sie die alten Sprachen (etwa Hebräisch und Griechisch) nicht beherrschen. Vor diesem Hintergrund haben Übersetzer eine enorme Verantwortung: "Denn die Aufgabe einer Übersetzung ist nicht nur die Übersetzung von Vokabeln […], sondern den Text den gegenwärtigen Lesern so zu vermitteln, dass einerseits sein Inhalt und seine Problematik verständlich werden und bei den gegenwärtigen Menschen ankommen, andererseits doch der biblische Text und nicht eine freie Paraphrase dessen vermittelt wird." Als Beispiel einer guten Übersetzung mit großer Treue zum Urtext empfiehlt Lisewski die Elberfelder Bibel.
Die Lehre vom vierfachen Schriftsinn – wichtig auch deshalb, weil sie im Katechismus der Katholischen Kirche von Papst Johannes Paul II. explizit erwähnt ist – wird vom Autor gut dargestellt und auch mit einem Beispiel illustriert. "Jerusalem" müsse wörtlich als die historische Stadt Jerusalem verstanden werden, die sich im heutigen Staat Israel befindet. Allegorisch handle es sich bei "Jerusalem" um die Kirche Christi, moralisch um die menschliche Seele, und anagogisch um das himmlische Jerusalem.
Viele Gläubige sind der Bibelwissenschaft gegenüber skeptisch aufgrund der modernen, historisch-kritischen Exegese. Lisewski fasst diese Skepsis gut zusammen: "Die Heilige Schrift wurde einfach zur Bibel reduziert, die an das Übernatürliche in vielen Fällen nicht glauben will. So wurde (und werden oft bis heute) die Wunder Jesu so ausgelegt, dass im Endeffekt kein Wunder vorliegt, in manchen Fällen die Auferstehung Jesu inklusive." Zwar verteidigt der Autor den Nutzen und die Notwendigkeit der historisch-kritischen Methode, welche die Entstehung des biblischen Textes erforschen will, gibt aber immerhin zu: "Wie man nicht unbedingt Automechaniker sein muss, um gut Auto fahren zu können, so muss man nicht die Genese eines Textes analysieren können, um ihn zu verstehen."
Doch worin genau besteht der Nutzen der historisch-kritischen Methode? Hier finden sich im Buch, auch wenn die Diskussion darüber großen Raum einnimmt, eigentlich keine Beispiele. Stattdessen stützt der Autor sich auf ein 1993 von der Päpstlichen Bibelkommission veröffentlichtes Dokument namens "Die Interpretation der Bibel in der Kirche" und bleibt ausgesprochen theoretisch.
Was bringt dem Leser beispielsweise die Hypothese, dass nicht alle Paulusbriefe vom heiligen Apostel Paulus geschrieben worden seien – und es bleibt ja immer eine Hypothese, die sich nicht beweisen lässt? Der Autor spricht vom "Brief an die Hebräer, der eine Zeit lang dem hl. Paulus zugeschrieben wurde. Jetzt ist bekannt, dass er nicht von Paulus stammt." Woher weiß man das? Wäre nicht eine kurze Erklärung angebracht? Oft hört man die Begründung, der Hebräerbrief erwähne den Namen Paulus nicht, oder er sei stilistisch anders als die anderen Briefe. Jeder, der beispielsweise viele E-Mails schreibt, weiß aber, dass sich diese im Stil oft unterscheiden, manchmal sogar erheblich. Ist der Stil daher ein guter Grund?
Lisewski möchte die geschichtlichen Bücher der Heiligen Schrift so verstanden wissen, dass sie "hauptsächlich nicht Geschichte, sondern Theologie über das Heil" zu schreiben beabsichtigten. "In dieser Theologie ändert eine Feststellung, dass wir für die Existenz Abrahams keine Bestätigung finden, dass sich der Exodus in der geschilderten Form und in der angegebenen Zeit wahrscheinlich nicht ereignet hat, womit auch die Sklaverei der Israeliten in Ägypten sehr unsicher ist, nichts." Welcher einfache gläubige Katholik kann dem zustimmen? Wenn Menschen etwas als wahr präsentiert wird (und es handelt sich ja nicht um Texte wie Gleichnisse, die keine historischen Begebenheiten schildern), es aber nicht wahr ist, dann schenken wir doch dem angeblichen tieferen Sinn keinen Glauben, weil alle Glaubwürdigkeit verloren geht!
Hier gibt es viele Angriffspunkte, die von Lisewski (oder einem Lektor) beim Schreiben des Buches nicht wahrgenommen wurden. Hätte sich das Buch an ein Fachpublikum gerichtet, so wäre das kein Problem, denn die Fachleute haben sich mit derartigen Fragen schon beschäftigt. Als Einführung in eine fruchtbare Lektüre der Heiligen Schrift dienen zumindest jene Kapitel des Buches allerdings bestimmt nicht.
Krzysztof Dariusz Lisewski, "Umgang mit der Bibel. Einiges zur Kunst, die Bibel zu lesen und zu verstehen" ist im Be & Be Verlag erschienen und hat 275 Seiten.
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