Redaktion, 27 August, 2024 / 2:00 PM
„Vertreter der katholischen Wahrheit werden oft als Störfaktor betrachtet“, sagte Dekan Ignaz Steinwender bei der 34. Internationalen Theologischen Sommerakademie, die derzeit im österreichischen Aigen stattfindet. „Kirchliche Vertreter neigen deshalb dazu, heiße Eisen zu meiden und widmen sich lieber politischen Themen.“
Das Thema seines Vortrags lautete: „Wenn das Salz seinen Geschmack verliert… Die Wahrheitsfrage im Dickicht des Relativismus“. Die Wahrheitsfrage bildet ein zentrales Thema in Theologie und Philosophie. „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme“, sagte Jesus beim Verhör durch Pilatus (Joh 18,37). Der römische Statthalter reagierte darauf mit einer relativierenden Antwort: „Was ist Wahrheit?“
Diese flapsige Antwort passt in die heutige Zeit: „Die Wahrheitsfrage ist heute ein schwieriges Thema. Wir leben in einem anti-metaphysischen Zeitalter“, sagte Steinwender. Gegenwärtig dominiere die Ablehnung ewiger Wahrheiten, ja es werde bereits deren Erkennbarkeit geleugnet.
Der Relativismus sei auch in das kirchliche Leben eingedrungen und habe sich zum Kernproblem der Gesellschaft entwickelt. Andererseits „treten Ideologen auf, die mit fraglichen Mitteln ihren Wahrheitsanspruch durchsetzen wollen“.
„Gotteserkenntnis führt zur Selbsterkenntnis“: Diese alte Weisheit trete aber in den Hintergrund, weil der Verlust des Glaubens zum Religionsersatz hinführe. Heute sei es selbstverständlicher, als Agnostiker aufzutreten, und nicht als Glaubender. Heute sei es verbreiteter, Jesus als religiöses Genie unter anderen zu relativieren, als das Wort Gottes uneingeschränkt anzunehmen und nach seinem Willen zu handeln.
Das missionarische Bewusstsein sei derart geschwächt, dass die Bekehrung Andersgläubiger kein Ziel mehr darstelle. Wenn man nicht mehr überzeugt sei, lohne es sich auch nicht, sich für etwas einzusetzen. Lauheit sei die Folge. Wer einen Wahrheitsanspruch erhebe, gelte als Störfaktor im Dialog. Das Gegenteil sei aber richtig: „Wahrer Dialog setzt einen Standpunkt voraus.“
Es bewahrheite sich das Wort Jesu: „Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten“ (Mt 5,13).
Klimakleber würden eher akzeptiert als Lebensschützer. „Wer ohne eigene Identität ist, neigt dazu, um sich selbst zu kreisen“, sagte Dekan Ignaz Steinwender. Papst Franziskus habe oft vor einer solchen Tendenz gewarnt. Die Folgen des Geschmacksverlustes seien erheblich. Ohne das nötige Salz würden Speisen verderben. Entsprechend verhalte es sich mit der Entwicklung der Gesellschaft.
Deshalb stelle Jesus die zentrale Frage: Wie kann man nun das Salz, das seinen Geschmack verloren hat, wieder salzig machen? Der Referent bei der Sommerakademie in Aigen machte sich die Antwort nicht leicht. „Menschen gelingt es nicht aus eigener Kraft, Salz seine Kraft zurückzugeben. Aber für Gott ist nichts unmöglich“, bekräftigte Steinwender.
Notwendig sei jedenfalls die Umkehr zu Gott. So, wie die Abkehr von Gott von der Wahrheit entferne, so erneuere die Umkehr und schenke neue Kraft. „Gott muss den Vorrang haben – in der Liturgie ebenso wie in der Lebensgestaltung.“
Das Einlassen auf die Wahrheit mache frei. „Die Wahrheit hat ein Sein, die Lüge nicht! Sie wird irgendwann zusammenfallen.“ Das Bekenntnis des Glaubens führe zu tieferer Erkenntnis und zur Stärkung des Willens. Jeder Gefirmte sei dazu aufgerufen. Die Gläubigen könnten die Kraftquellen des Glaubens stärker einsetzen, als etwa das Gebet, das Streben nach Wachstum und Verwirklichung des Guten, das Handeln in Liebe.
„Weh euch, wenn euch alle Menschen loben; denn ebenso haben es ihre Väter mit den falschen Propheten gemacht“, zitierte Dekan Ignaz Steinwender die Worte Jesu aus der Bergpredigt und machte damit Mut, auch ungelegen für die Wahrheit einzutreten.
In der Aussprache meldeten sich Teilnehmer aus dem Publikum zu Wort, die zum Beispiel darüber berichteten, wie die Praxis der eucharistischen Anbetung eine Kraftquelle erschlossen hätte. Auch ein Männer-Gesprächskreis habe beispielsweise zu einem neuen, lebendigen Interesse am Glauben geführt. Eine Frau berichtete begeistert: „Seitdem sich mein Mann intensiver mit dem Glauben beschäftigt, hat sich alles verändert!“
Über den Widerstand des frühen Christentums gegen Irrtum und Lüge berichtete anschließend Michael Fiedrowicz, der bis zum vergangenen Jahr als Professor für Kirchengeschichte des Altertums, Patrologie und Christliche Archäologie an der Theologischen Fakultät Trier tätig war. Im zweiten Jahrhundert habe man die christlichen Gemeinden als „Inseln der Wahrheit“ bezeichnet, weil sie bereit waren, dem verbreiteten Götterglauben, heidnischen Brauchtum und dem Kaiserkultur zu widerstehen, deren Verlogenheit allgemein bekannt gewesen sei.
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