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Hat Frankreich Gott vergessen? Appell des Erzbischofs von Paris zu "Gelbwesten"-Bewegung

Demonstrationen auf der Avenue des Champs-Èlysées in Paris im November 2018

Verständnis für die Anliegen der "Gelbwesten", aber auch eine deutliche Absage an jede Form von Gewalt, und ein Appell zum Dialog: Erzbischof Michel Aupetit von Paris hat zu den Massenprotesten Stellung genommen, die Frankreich erschüttern, wie CNA Deutsch berichtete.

In seiner Stellungnahme geisselt der Oberhirte von Paris die Gottvergessenheit seines Landes. Er beschreibt einen aus den Fugen geratenen Individualismus, der sich auf dem Rücken der Schwachen und zum Schaden des Gemeinwohls selbst bereichert. Und er appelliert nicht nur für Dialog, sondern ermutigt den Staat, die Familien zu schützen und den sozialen Frieden zu sichern. 

Die Christen des Landes bittet Erzbischof Petit um ihr Gebet und ihr Handeln: Sie allen in der Nachfolge Christi als Friedensstifter in der Gesellschaft wirken.

CNA Deutsch dokumentiert den Wortlaut in deutscher Sprache. 

Die Dringlichkeit der Brüderlichkeit

Die jüngsten Ereignisse zeigen ein erhebliches Leid eines Großteils unserer Mitbürger, das Wut erzeugt, wenn es nicht gehört zu werden scheint, und eine Frustration darüber, was als Arroganz angesehen werden kann. Als Erzbischof von Paris verstehe ich den Schmerz derjenigen, die friedlich demonstrieren un für die Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Lebens kämpfen. Ich verurteile die skandalöse Gewalt derer, die die Gelegenheit nutzen, unsere Stadt zu plündern. Ich begrüße den Mut der Polizei und der Gendarmerie und schließe mich der Sorge unserer Führungskräfte an, die nach Antworten auf die Krise suchen.

Unser Land leidet unter einem allgemeinen Missverständnis. Individualismus wird zum absoluten Wert auf Kosten des Gemeinwohls, das auf der Aufmerksamkeit für andere und insbesondere für die Schwächsten beruht. Die Werte der Republik, die Freiheit und die Gleichheit (la liberté et l'égalité) werden manchmal durch Einflussnetze umgeleitet, die neue Rechte fordern, ohne Rücksicht auf die Schwächsten.

Wo liegen die wirklichen Prioritäten? Nationale Notfälle, die "großen Anliegen" unseres Landes, können nicht legitimerweise die von gemeinschaftlichen oder kategorischen Forderungen sein. Die vorrangige Pflicht des Staates besteht darin, jedem die Mittel zu sichern, um seine Familie zu erhalten und in sozialem Frieden zu leben. Wir müssen eine brüderliche Gesellschaft wieder aufbauen. Aber um Brüder zu sein, braucht man immer noch eine gemeinsame Vaterschaft. Das Bewusstsein von Gott dem Vater, der uns lehrt, "einander zu lieben", hat die Seele Frankreichs geprägt. Das Vergessen von Gott lässt uns verwirrt und in den Individualismus und jeden für sich eingeschlossen.

Gewalt führt zu Rache und Hass. Lasst uns gemeinsam lernen,  wirklich auf einander zu hören und miteinander zu reden, ohne die Menschen, die nicht wie wir denken, zu verachten. Ich rufe die Protagonisten demütig zu einem echten Dialog auf, bei dem sich jeder bereit erklärt, aus seinen Gewissheiten herauszukommen, um eine echte Diagnose einer schädlichen Situation zu stellen und in aller Bescheidenheit die Wege eines brüderlichen Wiederaufbaus unserer Gesellschaft zu finden. Schließlich bitte ich die Christen, zu beten und das zu sein, was sie im Namen Christi sein sollen: Friedensstifter.

Ich werde unser Land bei der Messe der Unbefleckten Empfängnis am Freitag, dem 7. Dezember um 18.30 Uhr in Notre Dame de Paris zum Gebet bringen. In diesen schwierigen Zeiten können wir der Patronin Frankreichs den Frieden unserer Nation anvertrauen, die nur aus Gerechtigkeit geboren werden kann.

+ Michel Aupetit
Erzbischof von Paris

Übersetzt von Jean Loes und AC Wimmer.

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