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Kommentar: Sieben Wochen "mehr" – Warum es in der Fastenzeit eigentlich um Zunehmen geht

"Sehen wir unsere Vorsätze, die ruhig ein bisschen weh tun dürfen, als Einsatz, der sich mit Zins als Gewinn auszahlen wird. Es geht um die Freundschaft mit Jesus und die größere Freude im eigenen Leben. Es ist ein bisschen wie im Sport: Wer nur auf der Couch sitzt und Chips futtert, versteht nicht, wie man sich bei einem Waldlauf schwitzend und keuchend abmühen kann".

Die Fastenzeit beginnt. 40 Tage, die eigentlich gar nicht dem Abnehmen, sondern dem "Zunehmen" dienen sollen – zunehmen an Glaube, Frömmigkeit und vor allem Liebe.

Die evangelische Initiative "Sieben Wochen ohne" stellte einmal ihre jährliche Aktion unter das Motto "Riskier was, Mensch! Sieben Wochen ohne Vorsicht". Das klingt provokant und kann sicher nicht ganz wörtlich gemeint sein, so als ob wir mal versuchen sollten, ein paar Wochen uns im Auto nicht anzuschnallen, stets bei Rot über die Straße zu gehen, unsere Haustüre nicht abzuschließen oder – um es ins Extrem zu treiben – in der Badewanne die Haare zu föhnen. Vorsicht muss sein, aber nicht wenn es in Wahrheit Menschenfurcht, Bequemlichkeit oder einfach Egoismus ist.

Die Fastenzeit lädt uns tatsächlich ein, etwas zu riskieren, um zuzunehmen – an Glaube und Liebe. Es geht darum, mehr zu wagen, als wir es zu anderen Zeiten des Jahres tun. Amerikanische Bodybuilder sagen "no pain, no gain" – kein Schmerz, kein (Muskel)gewinn! In gewisser Weise gilt das auch beim "soulbuilding" in der Fastenzeit – no pain, no gain: Kein Opfer, kein Fortschritt in Glaube, Hoffnung, Liebe, Frömmigkeit, Geduld.  

"Riskier was, Mensch!"

Das Motto "Riskier was, Mensch!" ist ganz richtig, denn es kommt im Leben immer wieder darauf an, tapfer zu sein – gerade wenn es um das Christsein geht. So schreibt die große Kirchenlehrerin Teresa von Avila, dass der, der ein geistliches Leben beginnen will, vor allen anderen Tugenden tapfer sein muss. Warum ist das so? Der Philosoph Josef Pieper sagt ganz zu Recht: "Tapferkeit setzt Verwundbarkeit voraus; ohne Verwundbarkeit gibt es nicht einmal die Möglichkeit der Tapferkeit. Ein Engel kann nicht tapfer sein, weil er nicht verwundbar ist. Tapfer sein nämlich heißt: eine Verwundung hinnehmen können." In der Fastenzeit (und im geistlichen Leben ganz allgemein) muss man tapfer sein, denn es geht in der Tat darum, die eigene Schwäche und Armut zu "ertragen" und sich in gewisser Weise verwunden zu lassen.

Wer schon mal bewusst Hunger oder das lange Schweigen in Exerzitien (und die damit verbundene Langeweile oder innere Unruheuhe) ausgehalten hat, kennt diese Erfahrung. Das Fasten – Verzicht auf Alkohol, Tabak, Süßigkeiten, Fernsehen,… – tut weh, weil es unsere Abhängigkeiten, vielleicht sogar Süchte, offenbart und sie "abschneidet". So ein Schnitt kann bluten, und man muss schon tapfer sein, solche Verwundungen hinzunehmen. Es handelt sich aber nicht um blinde Selbstkasteiung, sondern um die Suche nach der größeren Freiheit und den wahren Sinn unseres Daseins, das viel mehr ist als essen, schlafen und sich fortpflanzen.

Christliche Askese und mit ihr die Tugend der Tapferkeit sind nie Selbstzweck, sondern immer – wollen sie wahrhaft und echt sein – ausgerichtet auf ein wahres Gut, das man zu erreichen sucht. Wir fasten als Christen nicht einfach um Kilos zu verlieren, sondern weil wir geistlich zulegen wollen. Wir wagen den Kampf gegen unsere kleinen oder großen Laster, weil wir "mehr" wollen als kurze Befriedigungen.

Only the brave!

"Riskier was, Mensch" kann auch für uns Katholiken ein Motto in dieser Fastenzeit sein, um tapfer, d.h. bewusst verwundbar zu sein für etwas, das es wert ist. Sehen wir unsere Vorsätze, die ruhig ein bisschen weh tun dürfen, als Einsatz, der sich mit Zins als Gewinn auszahlen wird. Es geht um die Freundschaft mit Jesus und die größere Freude im eigenen Leben. Es ist ein bisschen wie im Sport: Wer nur auf der Couch sitzt und Chips futtert, versteht nicht, wie man sich bei einem Waldlauf schwitzend und keuchend abmühen kann. Dass dieses "Opfer" nicht nur gut ist für die Gesundheit, sondern auch für die innere Zufriedenheit, kommt gar nicht in sein Blickfeld. Die Fastenzeit kann in gewisser ein Trainingslager sein, in dem man für eine bestimmte Zeit, bewusst und tapfer den "pain for gain" in Kauf nimmt.

Jeder von uns sollte sich einen solchen Trainingsplan mit Vorsätzen machen, die Fasten, Almosen (das heißt Nächstenliebe) und Gebet umfassen. Wen jemand entscheidet, dreimal die Woche ins Fitnessstudio zu gehen, um dort eine Stunde lang auf dem Laufband zu schwitzen, bewundern ihn seine Freunde. Sollte der gleiche Mensch sich vornehmen, dreimal die Woche für jeweils 20 Minuten  in die Kirche zu gehen, um dort einfach vor Jesus im Tabernakel zu sein, so werden ihn die meisten einen radikalen Fanatiker nennen, der es mit der Religion übertreibt.

Wagen wir es, tapfere Katholiken zu sein, die im Alltag Farbe bekennen und ihrem "geistlichen Fastenplan" folgen wie begeisterte Sportler ihren Diät- und Trainingsprogrammen. Jeder von uns sollte in dieser Fastenzeit einen Einsatz wagen, ja sich selbst ganz einsetzen – um persönlich an "geistlichem Gewicht" zuzunehmen und um "sieben Wochen ohne Vorsicht" Christus zu bezeugen. Das Sprichwort "Wer nicht wagt, auch nicht gewinnt" hat der Politiker Heinz Riesenhuber noch pointierter ausgedrückt: "Wer sein Leben so einrichtet, dass er niemals auf die Schnauze fallen kann, der kann nur auf dem Bauch kriechen." Wagen wir die Herausforderung der Fastenzeit!

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