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Kommentar: Viva la Virgen! Warum Marienfrömmigkeit alles andere als lächerlich ist

Papst Franziskus bei Unserer Lieben Frau von Guadalupe am 13. Februar 2016
Familienbild: Die Muttergottes war auf der Reise von Papst Franziskus omnipräsent; oft sogar mehrfach, so wie hier bei der Ansprache vor Mitgliedern der Arbeitswelt am 17. Februar 2016

Wer erinnert sich nicht an den Jubel auf Deutschlands Straßen, als unsere Nationalelf 2014 Weltmeister wurde?

Schwarz-rot-goldene Flaggen und Autokonvois, fröhliche Flashmobs und fast überall Freiluftparties, bei denen alle, die vor dem Fernseher um den Sieg gezittert haben, sich nun in den Armen liegen. Deutschland feiert sich – wenigstens – wir drücken die Daumen! – alle vier Jahre.

Es braucht in unserem Land schon eine Fußballweltmeisterschaft, damit wir mit Fähnchen in der Hand ausgelassen jubeln und uns als große Familie erleben. Ganz anders war das beim Papstbesuch in Mexiko. Da kommt der Papst, und das ganze Land ist auf den Beinen – natürlich mit grün-weiß-roten Flaggen und Marienstatuen: "Viva Mexico! Viva la Virgen! Viva el Papa!" Keiner weiß genau, was jetzt wichtiger ist: Der Stolz auf das eigene Land, auf die Jungfrau oder auf den Heiligen Vater, der als erster Papst in der Geschichte im Nationalpalast empfangen wurde.

Nicht alle Mexikaner sind gläubige Katholiken, aber sie alle – ohne Ausnahme – sind Verehrer der Jungfrau von Guadalupe. Der Papst weiß, dass das nicht von Menschenhand gemachte Bild der Mutter Jesu Ausdruck der mexikanischen Seele ist, zeigt es ja eine Frau mit den Zügen der Ureinwohner des Landes, die ein Kind erwartet.

Jede werdende Mutter ist ein Zeichen der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Wie viel mehr verspricht der Blick auf die Frau, die Gott zur Welt bringt, dass doch alles gut wird? Und gerade ein Land, das unter der brutalen Gewalt der Drogenkartelle und der Tatenlosigkeit korrupter Beamter leidet, sieht in den dunklen Augen der "Moranita" einen besseren Morgen leuchten. Deutschland sei das "Land der Dichter und Denker", sagt man; ein Land der Kinder sind wir sicher nicht.

Vor dem Bild Mariens werden alle Mexikaner zu Kindern: sie weinen und klagen, aber dann singen und tanzen sie auch wieder, weil sie selbst erfahren, was vor über 500 Jahren die Jungfrau dem Seligen Juan Diego gesagt hat, als sie ihm erschienen ist: "Bin ich nicht hier bei dir? Bin ich nicht deine Mutter? Nichts soll dir Sorgen mache."

Wenn ein Papst eine Frau liebt

Spricht man von einem Papst, der von seiner Geliebten nicht genug bekommen kann, so denken die meisten an Alexander VI., den berüchtigten Borgia, und seine – um es vorsichtig auszudrücken – Zuneigung zu Giulia Farnese. In diesen Tagen war es jedoch Papst Franziskus, der sich an seinem "Schatz" buchstäblich nicht satt sehen konnte, war es doch sein innigster Wunsch für diese Reise längere Zeit allein vor dem Bild der Jungfrau zu verweilen, um ihren Blick zu suchen.

Vor ihr findet Franziskus ganz zärtliche Worte: "Und in diesem Schweigen, in diesem auf sie schauenden Verweilen einmal mehr hören, dass sie wieder zu uns sagt: "Was hast du, mein kleinster Sohn? Was betrübt dein Herz? (vgl. Nican Mopohua 107.118) Bin ich denn nicht hier, ich, die ich die Ehre habe, deine Mutter zu sein?" (ebd. 119).

Sie sagt uns, dass sie die "Ehre" hat, unsere Mutter zu sein. Das gibt uns die Gewissheit, dass die Tränen der Leidenden nicht unfruchtbar sind. Sie sind ein schweigendes Gebet, das zum Himmel aufsteigt und bei Maria unter ihrem Mantel immer einen Platz findet. In ihr und mit ihr wird Gott Bruder und Weggefährte, trägt mit uns die Kreuze, damit wir von unseren Leiden nicht erdrückt werden."  

"De Maria numquam satis” – "Von Maria nie genug” – So lautet ein marianischer Grundsatz, der vom hl. Bernhard von Clairveaux stammen soll. Es scheint fast, als ob Papst Franziskus seine Mexikoreise genau unter dieses Prinzip gestellt hat, genauer gesagt: "De Guadalupe numquam satis!" Es gab keine Rede während seiner fünftägigen Aufenthaltes, in der er nicht wenigsten kurz die Schutzfrau des Landes, ja die "Emperadora de las Américas" – die Herrscherin ganz Amerikas – erwähnt und um ihre Fürsprache angerufen hat. Das Erfolgsrezept dieser Reise? Ganz einfach: Pope meets his mother.

Der Stellvertreter Christi bei der Mutter Jesu – fast könnte man die ergreifenden Bilder, die die Journalisten geschossen haben, ein Familienfoto nennen.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Die Mexikaner haben die Botschaft verstanden: Gott ist unser Vater, Maria ist unsere Mutter, wir sind eine Familie, deren sichtbares Haupt auf Erden, so drückt es das Zweite Vatikanische Konzil aus (vgl. LG 18), der Papst ist. Lateinamerikanische Katholiken wissen, wie wichtig die Familie ist. Sie ist nicht nur, wie für viele für uns, der heimelige Ort besinnlicher Weihnachtsfeste, zu denen man nach Wochen weit weg von daheim, doch einmal wieder nach Hause kommt.

Familie ist in all den Ländern, in denen Armut und Arbeitslosigkeit herrschen, buchstäblich überlebenswichtig. Ohne den Halt und die Hilfe der Eltern und Geschwister bzw. der Kinder und Enkel geht es für viele nicht. Und genau so ist es mit der Kirche als Familie. Das ist kein nettes Beisammensein, um Oma zum Geburtstag eine Freude zu bereiten, sondern Lebens- und Liebesgemeinschaft, auf die jeder angewiesen ist. Wissen wir in Deutschland, dass Kirche kein Verein, sondern Gottes Familie ist?

Totus tuus, Maria

Man kann als nüchterner Mitteleuropäer den mexikanischen Jubel belächeln – und über manchen Überschwang darf man auch herzlich lachen – aber fragen sollten wir uns schon, was wir von der Freude Lateinamerikas lernen können. Es gibt ohne Zweifel viel in Mexiko zu kritisieren und zu reformieren, aber ist diese kindliche Begeisterung gegenüber dem Papst und Maria nicht etwas, was wir gerade in Deutschland vermissen, weil wir "kritische, mündige Erwachsene" sind und nicht mehr wie Kinder glauben und staunen können?

Uns bleibt alle vier Jahre die Weltmeisterschaft, um zu jubeln und zu feiern und, bei Sieg oder tragischer Niederlage, fremde Menschen zu umarmen und sich dabei wie Geschwister zu fühlen. Dieses Familiengefühl gibt’s in der Kirche – so Gott will, Tag für Tag – wenn wir nur wieder lernen Kinder zu sein; nicht in den Trotzjahren und nicht in der Pubertät.

Wie geht das? Der Heilige Vater würde vielleicht sagen, verlier Dein Herz an Maria:  Im Blick auf die Mutter, bei der alle kleine Kinder sein dürfen. Oder wenn Du willst, im Staunen über die Schönste aller Frauen, der sogar ein Papst nicht widerstehen kann.

Mehr zum Thema mit Monsignore Kolfhaus bei "Vaticano", der Sendung auf EWTN - Katholisches Fernsehen: 

Zuerst veröffentlicht am 18. Februar 2016.

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