Vatikanstadt, 19 Februar, 2016 / 6:24 PM
Auch wenn sich weltliche Medien auf die angebliche Erlaubnis von Verhütungsmitteln durch Franziskus stürzten: Eine andere Antwort von Papst Franziskus während der Pressekonferenz auf dem Rückflug von Mexiko nach Rom machte das wohl größte Medienthema des letzten Jahres mit einem Schlag wieder aktuell: Die Bischofssynode für die Familie.
Die Reporterin Anne Thompson vom amerikanischen Fernsehsender NBC formulierte die zugespitzte Frage: „Einige fragen sich, wie kann eine Kirche die behauptet, barmherzig zu sein, einem Mörder leichter vergeben als jemandem, der sich (zivilrechtlich) hat scheiden lassen und wieder geheiratet hat?“
Weniger diese provokative Wortwahl als die Antwort des Papstes macht einen Blick frei auf die Tatsache, dass erstens die Frucht aus den beiden Synoden zur Familie noch nicht geerntet wurde: Das Schreiben des Papstes zum Thema. Und zweitens, dass zentrale Fragen daher noch unbeantwortet sind — darunter die nach dem Umgang mit Katholiken, die sich zivilirechtlich haben scheiden lassen, danach staatlich wieder heirateten, und nun die Kommunion empfangen wollen. Doch der Reihe nach.
Eine Fangfrage
Zunächst zur Pressekonferenz; nicht nur für einen Katholiken war die Frage offensichtlich spitzfindig; sondern auch als Fangfrage formuliert, denn ihr liegt ein nicht möglicher Vergleich zugrunde:
Die Kirche ermöglicht (im Beichtstuhl) zwar Mördern, Vergebung zu finden, aber nicht bedingungslos. Der im Beichtstuhl in Persona Christi handelnde Priester erwartet vom Mörder – wie von jedem beichtenden Sünder – Reue seiner Tat und gleichzeitig Wiedergutmachung.
Reue in diesem Falle beinhaltet, dass der Mörder sich des Gewichtes seines unwiderruflichen Tat bewusst geworden ist. Wiedergutmachung kann in jedem Einzelfall anders aussehen, jedoch geht sie normalerweise mit einer gerichtlichen Bestrafung einher. Ein Priester wird sicherlich einen sich auf freiem Fuß befindenden Mörder auffordern, sich der Polizei zu stellen und die Absolution davon abhängig machen.
Die Frage der (zivilrechtlich) geschiedenen Wiederverheirateten ist dahingehend kein guter Vergleich, da die Kirche die Sünde – den außerehelichen Geschlechtsverkehr mit dem zweiten "Ehe"-Partner – zwar ebenfalls vergeben kann, aber damit zusammenhängend auch beides fordert: Reue (Erkenntnis) und Wiedergutmachung. Als Zeichen der Reue kann der Gang zum Beichtstuhl selbst aufgefaßt werden, zur Wiedergutmachung gehört allerdings der feste Vorsatz, nicht mehr zu sündigen. Das bedeutet in dem vorliegenden Beispiel: Keinen Ehebruch mehr zu begehen. Oder anders gesagt, den Geschlechtsverkehr mit dem zweiten, also dem "unehelichen", Partner grundsätzlich einzustellen, da ja bei Wiederholung der Ehepartner (also der ersten, gültigen Ehe) bei jedem Akt betrogen wird.
Franziskus gibt Aufschluss
Wichtiger als die Frage der Journalistin des weltlichen Nachrichtensenders ist die Antwort des Papstes. Er bestätigte zum einen, dass das Nachsynodale Schreiben vielleicht vor Ostern veröffentlicht wird. Das Fest des heiligen Joseph am 19. März wird von vielen Beobachtern als möglicher Termin gesehen.
Dann erklärte der Papst einige Elemente des Dokumentes, die aufmerksamen Beobachtern schon bewusst waren: erstens, dass man eine bessere Ehevorbereitung etablieren muss. Diese wird von allen Seiten gefordert. Franziskus verglich eine achtjährige Studien- und Vorbereitungszeit auf das Priestertum mit den manchmal kürzesten Vorbereitungsphasen für verlobte Eheleute. Zweitens hob er den Schutz der Kinder und deren Erziehung hervor sowie soziale Probleme, welche die Eltern bei der Kindererziehung einschränkten, etwa lange Arbeitszeiten.
Drittens thematisierte er konkret den Kommunionempfang. Dabei sei anzumerken, dass er erst auf Nachfrage auf die Kommunion zu sprechen kam. Tatsächlich schien der Papst das Thema für wiederverheiratete Geschiedene auf andere Elemente konzentrieren zu wollen. Für ihn scheint der dies in Bezug auf Wiederverheiratete weniger zentral zu sein als viele Medienvertreter wie die fragende Journalistin gerne hätten — könnte man daraus entnehmen. Er erklärte, dass Kommunion mehr sei als ein einfaches Element der "Integration" in die Kirche. Zunächst sei "[Die Kommunion] das letzte in dieser Sache", betonte der Papst, dann noch stärker: "Integration in die Kirche bedeutet nicht, Kommunion zu empfangen" und dann einmal mehr: "Ich kenne verheiratete Katholiken in einer zweiten Verbindung, die in die Kirche gehen, die ein- oder zweimal im Jahr in die Kirche gehen und sagen, ‘Ich will die Kommunion’, als wäre die Teilnahme an der Kommunion eine Ehre."
Mit dieser Antwort stellte sich der Papst auf die Seite der elf Kardinäle, die im Laufe der letzten Synode ein Buch veröffentlicht haben (auf Deutsch im Herder Verlag erhältlich; Kardinal Joachim Meisner trug einen Appell für Ehevorbereitung bei) und vieler Synodenväter.
Gleichzeitig wies er darauf hin, dass "alle Türen offen seien", das Paar in die Kirche zu integrieren und für die Kirche zu arbeiten, beispielsweise ein Krankenhausbesuch als Werk der Barmherzigkeit. Das erinnert auch an Paragraph 84 des vorläufigen Nachsynodalen Schreibens, wo steht, dass die Teilhabe von Menschen in in einer solchen Situation sich im Übernehmen verschiedener kirchlicher Aufgaben ausdrücken kann "Daher ist es notwendig zu untersuchen, welche Formen des Ausschlusses, die derzeit in den Bereichen der Liturgie, Pastoral, Bildungswesen und öffentlichen Aufgaben praktiziert werden, abgeschafft werden können."
(Die Geschichte geht unten weiter)
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Integration durch das "Interne Forum"?
Diese Integration, die im Dokument ihre Parallele findet, gleicht nicht einer anderen Entwicklung, auf die in diesem Zusammenhang hingewiesen werden soll. Vor Weihnachten wurde eine These von Jesuitenpater Antonio Spadaro veröffentlicht, die behauptet, dass Paragraphen 84-86 des Schlussdokumentes der Synode theologisch und kirchenrechtlich die Türen für die Kommunion von wiederverheirateten Geschiedenen aufstießen, ohne die Bedingung, fortan wie "Bruder und Schwester" zu leben, also enthaltsam. Diese These – in der von Spadaro geleiteten Zeitschrift "La Civiltà Cattolica" veröffentlicht – wurde auch von einem Synodenbischof und Sekretär des sogenannten Kardinalsrates "C9" des Papstes, Bischof Marcello Semararo von Albano, wiederholt. In einem kleinen Büchlein erklärte letzterer seine These in 5 Punkten:
- Das Schlussdokument öffnet in Nr. 84-86 die Tür für Kommunion für zivilrechtlich wiederverheiratete Geschiedene.
- Das Interne Forum wurde zuerst im Jahre 1973 und dann nochmal 1975 von der Kongregation für die Glaubenslehre unter dem sel. Papst Paul VI veröffentlicht.
- Das Interne Forum erlaubt Priestern und Reuigen eine Entscheidung bezüglich des Empfangs der Heiligen Kommunion zu erreichen, wenn es sich um eine irreguläre Ehe nach einer zivilrechtlichen Scheidung handele.
- Diese Praxis wurde 1980 von Johannes Paul II. verboten (siehe Familiaris Consortio, Nr. 84)
- Die Synode 2015 hat die Tür der älteren Praxis von Paul VI. wieder geöffnet.
Ohne nun weiter ins Detail zu gehen: Historisch scheint diese Darstellung von Bischof Semararo im wesentlichen korrekt zu sein.
Ein im Jahre 1998 geschriebenes Vorwort von Kardinal Ratzinger wurde 2011 vom L’Osservatore Romano wieder veröffentlicht und um eine Fußnote bereichert, die einen Kommentar an Priester der Diözese Aostas von Benedikt XVI. beinhaltete. Diese Fußnote ist bedeutend, denn sie betrifft die Erklärung einer Ausnahme, die Benedikt XVI. hervorhebt, wenn es um die allgemeine Ablehnung vom Empfang der Kommunion für zivil geschiedene Wiederverheiratete geht.
Seine Innovation kann man in zwei Punkten zusammenfassen: die mögliche Erweiterung der kanonischen Anerkennung der Nichtigkeit von Ehen, die von zumindest einem getauften Ehepartner "ohne Glauben" geschlossen wurden, und zweitens die mögliche Entscheidung durch das "innere Forum" die Kommunion zu empfangen, wenn die Annullierung von einem Kirchengericht nicht anerkannt wurde — wobei die Entscheidung des Kirchengerichts vom Gläubigen durch seine Überzeugung der objektiven Nichtigkeit der Ehe in Frage gestellt wird. Diese zwei Innovationen wurden vom damaligen Erzbischof Gerhard Müller 2014 nochmals veröffentlicht und wieder vom L’Osservatore Romano aufgegriffen.
Wichtig dabei ist, dass die Innovationen von Benedict XVI. sich auf eine Situation beziehen, in der die Betroffenen eine Annulierung angestrebt haben, die aber nicht anerkannt wurde oder dass sie den Fall garnicht erst zum Kirchengericht gebracht haben in der Annahme, es lägen nicht genug Beweise vor, die Heirat als nichtig zu erklären. In beiden Fällen ist die Ungültigkeit der Ehe nicht ausgeschlossen.
Der Vorschlag von Bischof Semararo und anderer, die sich auf die "Forum Internum"-Möglichkeit beziehen, richtet sich nicht ausschließlich auf Fälle, in denen von einem Tribunal ein negatives Urteil gefällt wurde.
Vielmehr wird das Forum Internum an einen "Bußweg" geknüpft: Das bedeutet, sagen Beobachter, dass diese Lösung auf eine weitaus größere Menge von Menschen anwendbar wäre; und auch in solchen Fällen, in denen kein Grund für Annullierung vorliegt, bei denen aber die Eheleute von der Kirche "toleriert" werden wollen, und weiterhin ein auch sexuelles Zusammenleben mit ihrem neuen Partner nicht aufgeben wollen.
Mit der Antwort des Papstes wird zumindest deutlich, dass seine Aufmerksamkeit anderen "Möglichkeiten" gilt, die betroffenen Menschen in die Kirche zu "integrieren", durch ein christliches Leben und besonders durch die Werke der Barmherzigkeit, auch und gerade in dem Heiligen Jahr, das deren Namen trägt.
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